Kuck mal, wie du sprichst
Die Fastenzeit hat begonnen. Ein guter Anlass, um einmal die persönlichen Sprachmuster gegen den Strich zu bürsten. Was ist förderlich für meine Kommunikation? Und wovon kann ich mich getrost trennen? Ein Plädoyer für die kritische Inventur der eigenen Rhetorik – und für mehr Unvollkommenheit.
„Zeig dich! Sieben Wochen ohne Kneifen.“ So hat die Evangelische Kirche in diesem Jahr ihre Fastenaktion überschrieben. Seit Aschermittwoch will sie dazu anhalten, in der Zeit bis Ostern Flagge zu zeigen. Das Motto darf man als Ermunterung interpretieren, offen zu seiner Meinung zu stehen, so unbequem das vielleicht auch sein mag. Man könnte es aber auch als Anregung deuten, sich nicht immer hinter glattgebügelten Statements und den stets griffbereiten Textbausteinen zu verstecken. In dieser Lesart wird „Zeig dich!“ zur Aufforderung, sich dem anderen wahrhaftig und ohne verbale Verschanzungen mitzuteilen.
Der Sprechreflex
Denn Hand aufs Herz: Kennen Sie das nicht auch? Sie werden gebeten, zu einem bestimmten Thema Stellung zu beziehen – und langen automatisch in die Schublade mit den Standardbotschaften: bewährte Phrasen, die den Sachverhalt oder Ihre Meinung auf den Punkt bringen. So weit, so gut. Doch haben Sie sich einmal selbstkritisch gefragt, ob Ihre Worte in der konkreten Situation auch einen Mehrwert liefern? Ob Sie wirklich einen neuen, erhellenden Aspekt in die Debatte einbringen? Und ob Sie Ihrem Gegenüber authentisch und zugewandt Auskunft geben? Oder ertappen Sie sich vielleicht manchmal selbst dabei, wie Sie reflexartig das übliche Repertoire abspulen und dabei dem eigentlichen Kern einer Frage ausweichen?
Wider die rhetorische Routine
Wenn das der Fall sein sollte, versuchen Sie es doch in den kommenden Wochen einmal anders. „Nicht kneifen.“ Das könnte Ihr Merkposten sein, mehr Substanz und Glaubwürdigkeit in Ihre Kommunikation zu bringen. Hören Sie genau zu und gehen Sie auf die Bedürfnisse Ihres jeweiligen Gesprächspartners oder Publikums ein. Auch wenn es schwerfällt: Widerstehen Sie dem Impuls, in Ihren Routinesprech zu verfallen. Machen Sie sich stattdessen die Mühe, Ihre Position maßgeschneidert für das Hier und Jetzt zu transportieren. Suchen Sie nach einem Ausdrucksstil, der Anlass und Adressaten gerecht wird. Verzichten Sie so oft wie möglich auf die sattsam bekannten Floskeln und benutzen Sie stattdessen unverbrauchte Begriffe und Sprachbilder, die erkennen lassen: Ihnen liegt am Herzen, worüber Sie in diesem Moment reden; es ist Ihnen wichtig, sich mit Ihrem Anliegen dem Zuhörenden begreifbar zu machen.
Sich zu erkennen geben
Es geht dabei nicht um die Perfektion. Im Gegenteil, Sie dürfen sogar nach Worten ringen oder sich Momente des Innehaltens und Nachdenkens gönnen. Das gilt vor allem dann, wenn Sie sich zu polarisierenden oder besonders komplizierten Themen äußern. Denn eine gewinnende und am echten Dialog interessierte Rhetorik macht sich weniger daran fest, dass Sie auf Knopfdruck geschliffene Statements absondern. Ihr Wesen besteht vielmehr darin, dass Sie als glaubwürdige Persönlichkeit in Ihrem Reden erkennbar werden. Darum: Legen Sie den Sprachpanzer ab und zeigen Sie sich – indem Sie sich als Mensch den Menschen mitteilen.