21.10.2024

Kommunalfinanzen weiter fallend

Die Finanzsituation in den Kommunen ist nach wie vor kritisch. Denn das Finanzierungsdefizit ist gegenüber dem 1. Halbjahr 2023 weiter gewachsen. Damals hatte das Defizit 7,3 Milliarden Euro betragen, im 1. Halbjahr 2024 beträgt es 17,3 Milliarden Euro bei den Gemeinden und Gemeindeverbänden. Dies zeigen die Ergebnisse des Statistischen Bundesamts. Das Defizit hat sich somit mehr als verdoppelt, was auf die Kernhaushalte zurückzuführen ist. Die Extrahaushalte waren dagegen im 1. Halbjahr 2024 mit einem leichten Überschuss von 36 Millionen Euro knapp ausgeglichen.

Euro-Geldscheine und Münzen

Treiber der Ausgaben der kommunalen Kernhaushalte waren vor allem die Sozialleistungen, die im 1. Halbjahr 2024 um 12,5 % oder 4,6 Milliarden Euro höher waren als im 1. Halbjahr 2023 und sich auf insgesamt 41,5 Milliarden Euro beliefen. Hier waren vor allem Anpassungen der Regelsätze im Bereich der Sozialhilfe und im Bürgergeld zum 1. Januar 2024 für den Anstieg der Kosten verantwortlich. Auch die stufenweise Umsetzung der Reform der Kinder- und Jugendhilfe nach SGB VIII von 2021 im Jahr 2024 führten zu einem Anstieg der Kosten um 17,4 % auf rund 9 Milliarden Euro. Zudem sind die kommunalen Leistungen nach SGB II – überwiegend für Unterkunft und Heizung – weiter kräftig angestiegen: um 7 % auf 7,5 Milliarden Euro. Die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz lagen nahezu unverändert bei 1,9 Milliarden Euro (+1,7 %). Ein weiterer Anstieg der Ausgaben zeigte sich bei den Personalausgaben um 9,1 % auf 40,5 Milliarden Euro. Die laufenden Sachaufwendungen stiegen um 7,1 % und die Sachinvestitionen um 5,9 % und damit langsamer als die gesamten Ausgaben der Kernhaushalte.

Dahingegen blieben die Einnahmen aus Steuern (netto) mit 55,0 Milliarden Euro im 1. Halbjahr 2024 um 25 Millionen Euro niedriger als im 1. Halbjahr 2023. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer (netto) stiegen dabei um 3,1 %. Ausschlaggebend für die rückläufigen Steuereinnahmen sind die Gemeindeanteile an den Gemeinschaftssteuern. Während der Anteil an der Umsatzsteuer um 3,5 % auf 2,4 Milliarden Euro stieg, sind die Anteile an der Einkommensteuer um 9,3 % auf 13,1 Milliarden Euro gesunken. Ursache dafür sind die veränderten Verrechnungen zum Gemeindeanteil des Vorjahrs zwischen Ländern und Gemeinden.

In dieser Finanzsituation sieht der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) ein Risiko für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Zukunftsinvestitionen und fordert daher ein Moratorium für die Übertragung von neuen Aufgaben an die Kommunen. „Die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes bestätigen leider unsere Befürchtungen in der Finanzprognose für die Kommunen“, wie Dr. André Berghegger, Hauptgeschäftsführer des DStGB, die Situation kommentiert. Vor einem Jahr habe der kommunale Defizitbetrag noch bei etwa 7,3 Milliarden Euro gelegen, nun habe er sich also um fast genau 10 Milliarden Euro erhöht. Durch geplante Gesetze wie das Steuerfortentwicklungsgesetz würden die Gemeinden in den kommenden Jahren zusätzlich Milliardenbeträge an Einnahmen verlieren. Das könnten sie nicht verkraften.

Dieser Absturz der Kommunalfinanzen mache ein sofortiges Moratorium für die Übertragung neuer Aufgaben an die Kommunen unerlässlich, wie Berghegger meint. Man habe die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand bereits jetzt nicht nur erreicht, sondern teilweise schon überschritten. Die Finanzen und Einnahmen der Städte und Gemeinden müssten dringend stabilisiert und gestärkt werden, sonst würden wir viele Zukunftsherausforderungen wie zum Beispiel die nötigen Investitionen in die Klimawende niemals schaffen können. Zudem fordert er echte Konnexität: „Wer bestellt, der bezahlt auch! Es funktioniert nicht, dass Ebenen wie der Bund oder Europa sich teure Ansprüche ausdenken und die Städte und Gemeinden für deren Finanzierung geradestehen müssen!“, so Berghegger. Kommunale Finanzen im freien Fall bringen nicht nur finanzielle und investive Probleme. Es gehe auch um lebendige, kommunale Selbstverwaltung, um Zusammenhalt und gesellschaftlichen Aufbruch vor Ort. Wer die kommunale Handlungsfähigkeit gefährde, der riskiere einen Bruch des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Autor*in: Andrea Brill (Andrea Brill ist Pressereferentin und Fachjournalistin.)