28.09.2015

Hochmoderne US-Technologien im deutschsprachigen Wahlkampf

Wer für ein politisches Amt kandidiert, erhält viele Ratschläge. Zumindest jeder uns Nahestehende glaubt daran, zu wissen, wie eine Kampagne zu führen ist: Alles, was wir tun müssen, ist, ein paar Hände zu schütteln, ein paar Babys zu küssen und prima! Wir gewinnen. Doch wenn es nur so einfach wäre.

Wahlurne mit Stimmzettel

In diesem Artikel finden Sie sieben Ratschläge und die Vorstellung eines innovativen Wahlkampfinstruments, die kommunalen Verantwortlichen in Deutschland von Nutzen sein können:

Der Wahlsieg ist kein Zufall

Nach den Anstrengungen einer internen Nominierung realisieren wir schnell, dass Kommunikation im Wahlkampf eine anspruchsvolle Tätigkeit ist. Und je nach politischem Amt und Lage vor Ort realisieren wir schnell, dass wir die Kampagne nicht dem Zufall überlassen wollen. Wir müssen es richtig angehen.

Nutzen Sie innovative Technologien

So, wie ein Handwerker gutes Werkzeug benötigt, benötigen wir Kampagnenleiter und Kandidaten innovative Instrumente zur Kommunikation mit unseren Mitgliedern und Sympathisanten. Idealerweise sollen uns Wahlkampfinstrumente die Kommunikation mit unseren Mitmenschen erleichtern – ohne auf das persönliche Gespräch mit ihnen zu verzichten.

Stellen Sie eine persönliche Beziehung zu den Menschen her

Ziel eines Wahlkampfs ist es, persönliche Beziehungen aufzubauen. Es geht um die persönliche Beziehung zu den Wählern, zu den Spendern, zu den Freiwilligen, zu den Medien und allen anderen, denen wir während einer Wahlkampagne begegnen. Jede Person, mit der wir interagieren – ganz gleich, ob persönlich, online, via Telefon oder mit einem handgeschriebenen Brief, über Werbevideo oder auf anderem Wege: Wir formen permanent unsere Wahrnehmung – unser Image – und damit unsere Beziehung zu unserem Gegenüber. Als politische Kandidaten werden wir nicht gewählt, weil wir auf einem Plakat nett lächeln oder die Krawattenfarbe passend ausgewählt ist. Wir werden gewählt, wenn die Wähler aufgrund mehrfacher Wahrnehmungen über unsere Person einen bestimmten Eindruck einerseits in unserer Rolle als Berufspolitiker und andererseits in unserer Rolle als Mensch gewinnen können. Und wir werden gewählt, weil sich eine Art persönliche Beziehung zwischen Wähler und Kandidat bildet. Doch meistens besteht das Problem darin, dass wir nicht genügend Ressourcen haben, um zugleich mit Hunderten und Tausenden von Menschen ein persönliches Gespräch zu führen oder diejenigen Eindrücke zu hinterlassen, die wir wirklich hinterlassen möchten. Meist fehlt uns die Zeit oder das Geld oder die Manpower: Denn der Wahlkreis ist zu groß, die Spenden sind noch zu gering, oder der Kalender ist zu voll – ein Zustand, der schnell vom anfangs motivierten Wahlkampf zum permanent dauerhaften Wahlk(r)ampf übergehen kann. Doch gibt es wirklich Technologien, die dieses Problem lösen können?

Soziale Medien erreichen viele Menschen: leider unpersönlich

Während der Einsatz von Technologien wie E-Mail, SMS, Facebook oder Twitter und Co. zwar ganz nützlich ist und sich auf den ersten Blick gut dafür eignet, um innerhalb kurzer Zeit eine bestimmte Information an eine große Anzahl von Menschen zu übermitteln, ergibt sich durch diese bisher hochgepriesenen Medien das folgende Problem: Sie alle sind nicht persönlich. Sie sind nicht geeignet, um eine soziale bzw. emotionale Beziehung zwischen Wähler und Kandidat herzustellen. Eine solche persönliche Beziehung stellt sich nur ein, wenn die Menschen einen Kandidaten live auf einer Bühne erleben, wenn er ein individuelles Gespräch mit ihnen führt oder sie in der Realität einen persönlichen Eindruck gewinnen können.

Doch diese emotionale Bindung entsteht ebenso, wenn die Menschen den Kandidaten im Fernsehen erleben oder dieser (beispielsweise via Telefon) mit ihnen interagiert: In der Wissenschaft sprechen wir an dieser Stelle von sogenannten „parasozialen Beziehungen“ – also emotionalen Bindungen, die unterbewusst dadurch entstehen, dass wir innerhalb einer bestimmten Zeitspanne mehrfache Eindrücke von einer Person erhalten, folglich (reale oder irreale) Beziehungen zu ihr aufbauen– obwohl wir dieser Person in echt nie begegnet sind – und dennoch mit ihr kommunizieren, beinahe so, als wäre die Interaktion wirklich.

Politische Partizipation und Bürgerbeteiligung: Die „TalkTOO!“-Telefonversammlung baut persönliche Beziehungen auf.
Es gibt Technologien, durch deren Einsatz eine persönliche Beziehung zwischen Wähler und Kandidat hergestellt werden kann. Solche Instrumente bedienen sich eines zentralen Mediums zur Übertragung von Emotionen und unterbewussten Eindrücken: der menschlichen Stimme – beispielsweise übertragen per Telefon. Ein solches Instrument ist im US-Wahlkampf, aber auch in Deutschland und Österreich eingesetzt worden: „TalkTOO!“.
Stellen Sie sich vor, wir könnten alle Mitglieder unserer Organisation oder Bürger in unserer Stadt, unserem Kreis oder unserer Region – gleichzeitig und in zum Beispiel nur einer Stunde erreichen. In vielen Situationen sind wir darauf angewiesen schnell mit einer Vielzahl von Personen zu sprechen. Eine hochinnovative Bürgerbeteiligungstechnologie aus dem US-Wahlkampf macht dies ab sofort möglich: „TalkTOO!“ (www.talktoo.eu) ist ein innovatives Wahlkampfinstrument, welches Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, zu bestimmten Terminen live mit einem Politiker zu sprechen und Fragen zu stellen, während Hunderte oder Tausende weitere Teilnehmer zur gleichen Zeit in der Leitung sind und dabei zuhören. Das Prinzip funktioniert ähnlich wie bei einer Radio-Show: Ein Politiker ruft zeitgleich Hunderte oder Tausende Menschen per Telefon an, und die Zuhörer können dem Politiker dann Fragen stellen – alles passiert live und ohne dass es durcheinander ist –, und das alles ganz bequem am Telefon.

Positive Erfahrungen mit Telefonversammlungen im deutschsprachigen Raum

Erstmals vor etwa vier Jahren im deutschsprachigen Raum eingeführt und anschließend zu den EU-Wahlen 2014 eingesetzt, hat sich die Technologie bei uns als erfolgreiches Kommunikationsinstrument unter Beweis gestellt. Dass Politiker mit Tausenden gleichzeitig ein persönliches Gespräch führen können, haben uns insbesondere die innovationsfreudigen Österreicher vorgemacht: In Bürgermeisterwahlkämpfen, Landtagswahlkämpfen und für die Kommunikation zwischen Ministerpräsident und WählerInnen haben die österreichischen Politiker bislang bewiesen, dass innovative Instrumente sehr einfach, unkompliziert und ohne jegliche Kenntnis von Technik einführbar sind. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich dieses Instruments der Telefonversammlungen bedient, um im Wahlkampf 2012 Mitglieder mehrfach zu kontaktieren und ihnen eine Stunde lang für Fragen zur Verfügung zu stehen.

Telefonische Radio-Show bringt Austausch zwischen Politikern und Sympathisanten

Die Idee hinter der TalkTOO-Telefonversammlung besteht darin, dass politisch Verantwortliche – ganz gleich, ob Bürgermeister oder Bundeskanzler – ihre Mitglieder nach einer Vorankündigung kontaktieren oder dass sich beispielsweise interessierte Bürger einer Stadt (oder zum Beispiel Sympathisanten einer Partei) für ein bestimmtes Event mit ihrer Rufnummer registrieren. Es wird ein Datum festgelegt, an dem alle interessierten Personen sich auf den Anruf freuen können. Zu diesem Datum erhalten alle registrierten Personen einen Anruf vonseiten des Gastgebers der Telefonversammlung. Nachdem die Teilnehmer den Anruf erhalten haben, stehen ihnen unterschiedliche Möglichkeiten für die politische Partizipation zur Verfügung: Sie können dem Politiker zuhören, ihm Fragen stellen und mitbestimmen. Darüber hinaus bietet das Instrument weitere Besonderheiten wie zum Beispiel die Möglichkeit, während des Events eine Umfrage durchzuführen, bei der die Zuhörer bequem über ihre Telefontastatur abstimmen können.

Die bisherigen Rückmeldungen der kontaktierten Bürger sind als außerordentlich erfolgreich und effektiv zu bewerten. Insbesondere lässt sich ein positiver Einfluss auf das Wahlergebnis und die Wahrnehmung von Vertrauen gegenüber den anrufenden Kandidaten feststellen. So konnte zum Beispiel MdEP Jörg Leichtfried (SPÖ) sein Vorzugsstimmenergebnis im Vergleich zur Vorwahl etwa vervierfachen (von 2.716 auf 9.987 Stimmen, Quelle: www.bmi.gv.at). In Deutschland und Österreich ist das Tool bereits mehrfach eingesetzt worden. Einige bekannte Persönlichkeiten, die diese Technologie erfolgreich einsetzten, sind auf der Website www.talktoo.eu aufgeführt.

Wie funktioniert der Ablauf?

Wenn Teilnehmer dem Kandidaten eine Frage stellen wollen, können sie zum Beispiel die Taste „0“ auf ihren Telefonen drücken. Während der Veranstaltung werden sie dann nacheinander ausgewählt und zum Politiker live durchgestellt. Für besondere Veranstaltungen besteht die zusätzliche Möglichkeit, durch ein zwischengeschaltetes „Screening“ die Fragen der Teilnehmer vorab zu sortieren und beispielsweise einem Spitzenkandidaten die Information zu geben, welcher Teilnehmer zu welchen Themen eine Frage stellen möchte. Der Kandidat entscheidet dann, welchen Teilnehmer er liveschalten möchte. Die Teilnehmer erhalten eine Stunde Zeit, um mit dem jeweiligen Politiker live zu sprechen, Diskussionen anzuregen und Fragen zu stellen, welche er oder sie schon immer beantwortet haben wollte. Der Politiker erhält die Gelegenheit, innerhalb von nur einer Stunde mit 200, 2.000 oder 20.000 Menschen ein persönliches Gespräch zu führen. Sollten bestimmte Teilnehmer nicht livegeschaltet werden, besteht die Möglichkeit, nach der Veranstaltung eine persönliche Nachricht auf die Mailbox zu sprechen: ein interessantes Add-On – insbesondere für Parteien, um sich nach einer Vorbereitung dem Anliegen der Sympathisanten oder Mitglieder anzunehmen.

Hoher Nutzen der Technologie für den kommunalen Einsatz

Nutzen Sie innovative Wahlkampfinstrumente – wie zum Beispiel die TalkTOO!-Telefonversammlung, um den Menschen eine Stimme zu geben. Bisherige Referenzen zeigen, dass die kontaktierten Mitglieder ein solches Tool sehr zu schätzen wissen und dass der regelmäßige Einsatz dieses Instruments eine stärkere Bindung zu politischen Organisationen sowie Vertrauen aufbaut. Entscheidend ist, den Menschen wirklich zuzuhören und ihnen Mitbestimmung zu ermöglichen. Mit Telefonversammlungen können Politiker beispielsweise jederzeit auf politische Krisensituationen reagieren, innerhalb kürzester Zeit die gesamte Basis mobilisieren und über eine vertrauliche Plattform persönliche Gespräche mit all ihren Anhängern führen, zum Beispiel, um diese bei aktuellen Anlässen nach ihren Ansichten zu befragen.

Autor*in: Dr. Reza M. Kazemi (Dr. Reza M. Kazemi ist int. Wahlkampfberater und Inhaber der Agentur Campaigns&Technology.)