Die Kunst, Klartext zu reden
Der Januar ist der Monat der Neujahrsempfänge – und folglich auch der Reden. Landauf landab sind Bürgermeister alljährlich zum Jahresbeginn gefordert, Themen zu setzen und dabei den richtigen Ton zu treffen. Doch was macht eine gute Ansprache aus?
Bundeskanzlerin Angela Merkel gelang zum Jahreswechsel Bemerkenswertes: Anders als in den Vorjahren sorgte ihre Neujahrsansprache 2015 noch Tage nach der TV-Ausstrahlung für Schlagzeilen. In den Kommentarspalten und Sozialen Netzwerken wurden die Worte der Kanzlerin mit erstaunlichem Eifer debattiert. Was war passiert? Die Regierungschefin hatte sich in ungewohnt deutlicher Form von der Protestbewegung Pegida distanziert. „Folgen Sie denen nicht!“, so ihre unmissverständliche Mahnung an das (Wahl-)Volk.
Nerv getroffen
Zumindest mit diesem einen Satz ist der Kanzlerin gelungen, was jede gute Rede ausmacht: Die richtige Botschaft zum richtigen Zeitpunkt zu setzen. Was für Angela Merkels jüngste Neujahrsansprache gilt, trifft auf alle Redeanlässe zu: Eine Rede finden Widerhall, wenn der Zuhörer darin eine klare Position entdecken kann. Welchen Standpunkt vertritt der Vortragende? Welche Haltung nimmt er zu einer bestimmten, auch kontroversen Fragestellung ein? Was ist seine Handlungsempfehlung ans Publikum?
Stellung beziehen
Wem es als Redner gelingt, das eigene Anliegen in klare, unmissverständliche Worte zu kleiden statt sich hinter Allgemeinplätzen oder allzu viel Konsens-Geschwurbel zu verstecken, dem ist eines gewiss: Aufmerksamkeit. Das Gesagte mag polarisieren, Beifall bei den einen, Empörung bei den anderen hervorrufen. In jedem Fall verfängt eine Rede, die eindeutig Stellung bezieht. Und sie bringt Dynamik ins Spiel. Denn sie bietet der Zuhörerschaft die Möglichkeit, sich entweder mit der Rede zu identifizieren – oder sich an ihr zu reiben.
Streitbarer Dialog
Die Kunst, Tacheles zu reden, soll dabei nicht mit Polemik oder reiner Provokation verwechselt werden. Fakten, überzeugende Argumente und eine konstruktive Grundhaltung dürfen nicht auf der Strecke bleiben. Aber mit einer klaren Ansage zu einem bestimmten Sachverhalt reklamieren Sie gerade in Situationen, die Konfliktstoff für Ihre Gemeinde bergen, Führungsanspruch und bieten dem Menschen Orientierung. Und vor allem: Sie setzen einen Dialog in Gange – davon lebt schließlich eine streitbare Demokratie.