Bürgermeister auch in der zweiten Instanz wegen Versäumnissen zum Absichern eines Teiches verurteilt
Wie schon das AG Schwalmstadt (wir berichteten) sah es das LG Marburg (Urteil vom 22.02.2023, Az. 8 Ns - 4 Js 12490/16) als erwiesen an, dass der Bürgermeister einer Gemeinde seine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat, indem er es unterlassen hat, einen Teich abzusichern. In dem Gewässer waren im Jahr 2016 drei Kinder ertrunken.
Tragischer Unfall hätte vermieden werden können
Der Tod von drei Kindern in einem Teich in Nordhessen im Jahr 2016 verursachte in der betroffenen Familie und auch in der Gemeinde unfassbares Leid. Sie ertranken, weil sie infolge des Anbringens von Pflastersteinen im Winkel von rund 40 Grand unterhalb der Wasseroberfläche und von außen nicht erkennbar den Teich nicht verlassen konnten. Der Bürgermeister der Gemeinde wurde in der ersten Instanz von dem AG Schwalmstadt zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 100 Euro verurteilt, weil er es unterlassen hatte, diese für Dritte nicht erkennbare Gefahrenquelle zu beseitigen und damit seiner Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen war (Urteil vom 20.02.2020, Az. 43 Ds – 2 Js 12490/16).
Vor dem LG Marburg (Urteil vom 22.02.2023, Az. 8 Ns – 4 Js 12490/16) fand nun die Berufungsverhandlung statt.
Bürgermeister sind für die Liegenschaften der Gemeinde verantwortlich
Das Gericht verurteilte den ehemaligen Bürgermeister zu einer Geldstrafe von 14.400 Euro, weil er seine Verkehrssicherungspflicht verletzt hatte. Ihm waren die Umstände des Teiches bestens bekannt, begründete der Vorsitzende Richter in der mündlichen Verhandlung das Urteil: „Sie hätten eingreifen müssen, weil Sie als Bürgermeister dafür verantwortlich sind, dass in den Liegenschaften der Gemeinde niemand zu Schaden kommt.“ Unerheblich sei, dass bis dahin am Teich noch nie etwas passiert ist.
Keine Pflicht zum Einzäunen natürlicher Gewässer
Wegen des Urteils müssen aber keineswegs Bäche, Flüsse oder natürliche Teiche eingezäunt werden, fuhr der Richter fort. Der Teich als Ort des Unfalls sei ein menschengemachter Teich, der für Kinder und Nichtschwimmer gefährlich ist.
Besonders nachteilig für den ehemaligen Bürgermeister wertete das Gericht sein Verhalten nach dem Eingang eines Schreibens einer Versicherung, welche auf die Gefährlichkeit des Teiches hingewiesen hatte. Seine Schuld sei jetzt noch größer als während des Verfahrens in der Vorinstanz, weil sich nun erst herausgestellt habe, dass er trotz mehrfacher Sensibilisierung nicht tätig wurde. „Wenn Kinder sich nicht selbst schützen können, müssen Sie die Kinder schützen“, sagte der Richter abschließend zum Bürgermeister.
Eine schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor.
Welche Folgen hat das Urteil für Gemeinden?
In den Gemeinden sind eine Vielzahl unterschiedlicher Gewässer mit unterschiedlichen Funktionen vorhanden: Seen in Parkanlagen, natürliche Teiche, künstlich angelegte Teiche, Löschteiche, Regenrückhaltebecken sowie nicht zu vergessen Flüsse und Bäche. Eine generelle Aussage zu den Folgen des Urteils lässt sich daher nicht treffen. Grundsätzlich gilt: Die Verkehrssicherungspflicht gebietet es, Dritte vor Gefahren zu schützen, mit denen nicht gerechnet werden kann.
Wir empfehlen daher:
- Unter Einbeziehen von Fachleuten die Gewässer in der Gemeinde unter diesem Aspekt zu untersuchen. Stellt sich heraus, dass solche Gefahren bestehen, sind zumutbare Maßnahmen zu treffen, welche diese Gefahren eliminieren. Dies sollte nachweisbar dokumentiert werden.
- Die Bewohner der Gemeinde darauf hinzuweisen, dass an Gewässern nicht alle Gefahren durch vorbeugende Maßnahmen beseitigt werden können und daher der Aufsichtspflicht der Eltern / Erziehungsberechtigten eine wesentliche Bedeutung zukommt. Wichtig ist auch, die Kinder wiederholt auf die Gefahren an Gewässern hinzuweisen.