Braucht Politik die digitale Selbstdarstellung?
Soziale Medien sind aus der modernen Kommunikationswelt nicht mehr wegzudenken. Wer Einfluss nehmen will auf die öffentliche Meinung, setzt heute auf Facebook, Instagram & Co. Soll also auch jeder Kommunalpolitiker twittern? Auf der Social Media Week 2018 teilten zwei Bürgerschaftsabgeordnete ihre Erfahrungen.
Welche Rolle spielen soziale Netzwerke in der politischen Willensbildung? Können Volksvertreter tatsächlich punkten, wenn sie mit Bürgern auf Plattformen kommunizieren? Wo liegen die Chancen und wo die Risiken einer digitalen Diskussionskultur? Um solche und ähnliche Fragen ging es jüngst auf einem Panel der Social Media Week, die alljährlich in Hamburg stattfindet. Titel der Diskussionsrunde: „Nach der Wahl ist vor der Wahl: Demokratie und Narzissmus in den sozialen Medien“.
Reichweite nutzen
Stellung bezogen auf dem Podium Michael Kruse (FDP) und Carsten Ovens (CDU); beide gehören der Hamburgischen Bürgerschaft an. Die journalistische Perspektive brachte ZEIT-Redakteur Oliver Hollenstein ein. Die Vertreter aus der Politik zeigten sich grundsätzlich überzeugt vom Einsatz sozialer Medien. Deren große Reichweite sollten Politiker sich zunutze machen, riet Kruse. Heute zählten nicht mehr allein Fakten, meinte Ovens. Es gehöre zum Geschäft politisch aktiver Menschen, sich auch selbst in Szene zu setzen, so der Christdemokrat.
Authentisch bleiben
Glaubwürdig zu bleiben, sei allerdings das Gebot jeglicher Aktivitäten im Netz. Darin waren sich die Mandatsträger einig. Das wirklich Private solle privat bleiben, empfahl Kruse, der auf Instagram, Twitter und Facebook unterwegs ist. Bei aller Kreativität müsse die Selbstdarstellung auf Kanälen wie diesen zur eigenen Persönlichkeit passen, pflichtete Ovens bei. Inhalte aus dem ganz normalen Alltag hätten dabei durchaus ihre Berechtigung, so der Abgeordnete, der schon mal Impressionen von seiner Joggingstrecke postet. „So erreiche ich auch nicht-politische Menschen.“
Mehr Polemik als Argumente
Aber können in den sozialen Netzwerken überhaupt fruchtbare Diskussionen entstehen? Hollenstein zeigte sich als journalistischer Beobachter bei dieser Frage eher skeptisch. „Viele Politiker nutzen Social Media für sehr kurze Botschaften. Aufmerksamkeit gewinnt, wer zuspitzt“, beklagte der ZEIT-Redakteur. Dieser Mechanismus verführe zu Polemik und weniger zu Argumenten. Dabei sehnten sich viele Menschen durchaus nach ausführlichen Debatten, so der Medienvertreter. Dem stimmte Freidemokrat Kruse zu. Die Bürger wünschten sich auch die „leise, überlegte Sicht“ auf die Welt. Es mangele auch deshalb an konstruktiven Diskussionen im Netz, weil es meist keine Reaktionen des politischen Gegners gebe, warf Ovens ein.
Keine Einbahnstraßenkommunikation
Es bleibt festzuhalten: Soziale Medien eröffnen für Landes- und Kommunalpolitiker die Chance, jenseits nüchterner Sachthemen mit der persönlichen Note ein breites Publikum zu erreichen. Mit lustigen Fotos und lockeren Sprüchen allein kommt allerdings noch kein gewinnbringender Diskurs zwischen Volksvertretern und Wählern zustande. Nur wer sich wirklich Zeit nimmt für einen vertiefenden Austausch und bereit ist, auch in den Niederungen der Kommentarspalten seinen Standpunkt im Detail zu vertreten, dürfte unter dem Strich politisch profitieren. Am Ende gilt im Netz wie in der analogen Welt: Wer Positionen sendet, sollte im Gegenzug genau zuhören und auf sein Gegenüber eingehen.