Anforderungen an den zweiten Rettungsweg
Wohnungen, Praxen, Läden und alle anderen „Nutzungseinheiten mit mindestens einem Aufenthaltsraum“ müssen laut § 33 MBO zwei voneinander unabhängige Rettungswege ins Freie haben. Hinter dieser Forderung steht die Sorge, dass bei einer Notsituation einer der beiden Rettungswege ausfallen kann. Der zweite Rettungsweg kann allerdings auch über Geräte der Feuerwehr hergestellt werden. Welche das konkret sind und was es beim zweiten Rettungsweg zu beachten gibt, lesen Sie in diesem Beitrag.
Warum braucht es einen zweiten Rettungsweg?
Für den Fall, dass der erste Rettungsweg einmal nicht zur Verfügung steht, wenn z.B. Feuer und Rauch ihn unpassierbar machen, muss ein vom ersten Rettungsweg unabhängiger zweiter Rettungsweg zur Verfügung stehen.
Wie unterscheiden sich erster und zweiter Rettungsweg?
An den zweiten Rettungsweg werden nicht unbedingt die hohen baulichen Anforderungen wie an den ersten Rettungsweg gestellt. Dieser kann auch über Rettungsgeräte der Feuerwehr erfolgen.
Welchen Fehler machen Unternehmen beim zweiten Rettungsweg häufig?
Wichtig hinsichtlich der eigenen Brandschutzorganisation ist, dass die jeweiligen Nutzungseinheiten bzw. deren anleiterbare Fenster auch wirklich angeleitert werden können. Ein häufig anzutreffendes Phänomen ist, dass im betrieblichen Alltag daran nicht gedacht wird. So werden Aufstellflächen für die Feuerwehr häufig zugeparkt und sind somit im Brandfall nicht nutzbar. Dies kann im Ernstfall fatale Folgen haben.
Infokasten: Erster und zweiter Rettungsweg
Die Forderung nach zwei voneinander unabhängigen bauaufsichtlichen Rettungswegen geht davon aus, dass bei einer Notsituation einer der beiden Rettungswege ausfallen kann.
- Der erste Rettungsweg muss immer baulich hergestellt werden, z.B. über einen Ausgang ins Freie im Erdgeschoss oder über Treppen in Geschossen, die nicht zu ebener Erde liegen.
- Der zweite Rettungsweg kann entweder ebenfalls ein baulicher Rettungsweg sein (z.B. bei Sonderbauten) oder über Geräte der Feuerwehr (Leitern etc.) führen.
Die Feuerwehren verfügen über folgende tragbare Leiterarten:
- Klappleitern mit einer Leiterlänge von 3 m. Mit diesen lassen sich kleine Höhenunterschiede überwinden.
- Steckleitern (bis zu vier Leiterteile) mit einer Leiterlänge von maximal 8,4 m. Mit diesen lässt sich maximal das zweite Obergeschoss erreichen.
- Schiebleitern (dreiteilig) mit einer Leiterlänge von maximal 14 m. Mit diesen lässt sich maximal das dritte Obergeschoss erreichen.
- Als Sonderform der Feuerwehrleitern ist die Hakenleiter zu sehen. Diese verfügt, wie der Name schon sagt, über einen Haken am Leiterkopf. Diesen kann man Geschoss für Geschoss immer wieder in eine über dem eigenen Standort befindliche Balkon- oder Fensterbrüstung einhängen, um dann an der Leiter emporzusteigen. Theoretisch ist die „Leiterlänge“ somit unbegrenzt. Der praktische Nutzen zur Menschenrettung geht aber eher gegen null.
Achtung:
Es ist kaum vorstellbar, dass eine vom Brand betroffene Person, und dies gilt für alle tragbaren Leitern der Feuerwehr, ohne größere Probleme über diese Leitern gerettet werden kann. Bei erkrankten oder mobilitätseingeschränkten Personen ist dies erfahrungsgemäß schier undenkbar. Dies ist bei der innerbetrieblichen Gefahrenabwehrplanung immer auch zu berücksichtigen.
Hubrettungsgeräte für die Rettung aus größeren Höhen
Hubrettungsgeräte sind z.B.
- Drehleitern,
- Gelenkmasten,
- Teleskopmasten
mit einer maximalen Nennrettungshöhe von 23 m. Sie verfügen über Körbe, in denen Personen sicher aus größeren Höhen gerettet werden können.
Achtung bei Hochhäusern und Sonderbauten
Gebäude, welche über eine Gebäudehöhe von 22 m und mehr verfügen, gehören zu den Hochhäusern und müssen, da die Leitern der Feuerwehren nur bis in 23 m Höhe reichen, über einen zweiten baulichen Rettungsweg (z.B. einen Sicherheitstreppenraum) verfügen.
Soll bei Sonderbauten der zweite Rettungsweg über Rettungsgeräte der Feuerwehr erfolgen, muss immer geprüft werden, ob das so auch real funktioniert. Letztendlich muss die Feuerwehr hierzu ihre Stellungnahme abgeben. In vielen Sonderbauten, wie Schulen, Krankenhäuser etc., sind immer zwei bauliche Rettungswege vorgeschrieben.
Was sagt die Musterbauordnung?
§ 14 MBO meint zu Rettungswegen Folgendes:
Bauliche Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brands und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind.“ § 14 MBO
§ 33 MBO konkretisiert die Anforderungen an den ersten und zweiten Rettungsweg:
(1) Für Nutzungseinheiten mit mindestens einem Aufenthaltsraum, wie Wohnungen, Praxen, selbstständige Betriebsstätten, müssen in jedem Geschoss mindestens zwei voneinander unabhängige Rettungswege ins Freie vorhanden sein; beide Rettungswege dürfen jedoch innerhalb des Geschosses über denselben notwendigen Flur führen.
(2) Für Nutzungseinheiten nach Absatz 1, die nicht zu ebener Erde liegen, muss der erste Rettungsweg über eine notwendige Treppe führen. Der zweite Rettungsweg kann eine weitere notwendige Treppe oder eine mit Rettungsgeräten der Feuerwehr erreichbare Stelle der Nutzungseinheit sein. Ein zweiter Rettungsweg ist nicht erforderlich, wenn die Rettung über einen sicher erreichbaren Treppenraum möglich ist, in den Feuer und Rauch nicht eindringen können (Sicherheitstreppenraum).
(3) Gebäude, deren zweiter Rettungsweg über Rettungsgeräte der Feuerwehr führt und bei denen die Oberkante der Brüstung von zum Anleitern bestimmten Fenstern oder Stellen mehr als 8 m über der Geländeoberfläche liegt, dürfen nur errichtet werden, wenn die Feuerwehr über die erforderlichen Rettungsgeräte, wie Hubrettungsfahrzeuge, verfügt. Bei Sonderbauten ist der zweite Rettungsweg über Rettungsgeräte der Feuerwehr nur zulässig, wenn keine Bedenken wegen der Personenrettung bestehen. § 33 MBO