02.06.2021

Wie digitale Betriebsversammlungen gelingen

Das BetrVG trifft in § 43 Abs. 1 eine eindeutige Regelung: Der Betriebsrat hat pro Quartal eine Betriebsversammlung durchzuführen. Als Reaktion auf die Corona-Pandemie schuf der Gesetzgeber die Möglichkeit, dies auch digital zu tun. So weit, so gut. Doch wie lässt sich dies in der Praxis möglichst leicht umsetzen?

Betriebsversammlung Corona

Geschäftsführung Betriebsrat. § 29 BetrVG ermöglicht digitale Betriebsratssitzungen und Betriebsversammlungen. Die Vorschrift ist als Ausnahme von der Regel der Präsenzversammlung bzw. -sitzung gedacht und gilt zunächst bis zum 30.6.2021. Dabei gilt grundsätzlich, dass Betriebsräte nach eigenem Ermessen selbst entscheiden können, ob sie von der Möglichkeit der digitalen Versammlung Gebrauch machen. Der Arbeitgeber darf dies in der Regel nicht vorschreiben (so auch LAG Hamm, Beschluss vom 5.10.2020, Az.: 13 TaBVGa 16/20).

Präsenzversammlung kann im Ausnahmefall unzulässig sein

Allerdings gilt für Betriebsversammlungen noch mehr als für Betriebsratssitzungen, dass sie in der Präsenzform ein Infektionsrisiko darstellen können, das unter Umständen vom Arbeitgeber nicht geduldet werden muss. Das gilt insbesondere in Betrieben, in denen es engen Kontakt zu besonders gefährdeten Menschen gibt, also z. B. in Kliniken, Alten- und Pflegeheimen oder Wohneinrichtungen für Behinderte. Für eine Präsenzsitzung eines Betriebsrats einer Pflegeinrichtung für Behinderte hat daher das ArbG Regensburg eine freie Entscheidung des Betriebsrats abgelehnt (Beschluss vom 7.12.2020, Az.: 2 BVGa 7/20). Da der Schutz der Bewohner hier vorgeht, ist das Ermessen des Gremiums auf Null reduziert und die Sitzung ist digital zu organisieren. Für Betriebsversammlungen, die ja im Zweifel mit viel mehr Teilnehmern abgehalten werden, dürfte dies umso mehr gelten.

Definition audiovisuell

Audiovisuell bedeutet, dass die Beschäftigten die Redner in Bild und Ton verfolgen können, anders als bei einer digitalen BR-Sitzung, bei der es möglicherweise keine Kameras gibt. Eine Betriebsversammlung per Telefon ist daher unzulässig. Außerdem gehört dazu, dass die Teilnehmer mit den Veranstaltern und Rednern während der Betriebsversammlung über unterschiedliche Tools (z. B. Wortmeldungen, Chats, E-Mails) kommunizieren können. Schließlich dient die Betriebsversammlung, egal ob präsent oder digital, dem Austausch zwischen Betriebsrat und Belegschaft.

Nutzen Sie die im Unternehmen vorhandene Technik

Falls immer möglich, ist es ratsam, dass die Versammlungen mit den technischen Mitteln umgesetzt werden, die es in Ihrem Haus bereits gibt. Dies funktioniert in der Regel am stabilsten. Hat Ihr Betrieb Lizenzverträge mit einem entsprechenden Anbieter (wie etwa Zoom oder WebEx) und kennen sich die meisten Teilnehmer mit dem Tool bereits aus, sollten Betriebsräte darauf zugreifen.

Hinweis: Arbeitgeber muss Kosten tragen

Der Arbeitgeber ist bei einer digitalen Versammlung genauso wie bei einer Präsenzversammlung nach § 40 BetrVG verpflichtet, die Kosten zu tragen und die nötige Technik zur Verfügung zu stellen.

Stellen Sie die Nichtöffentlichkeit sicher

Die digitale Versammlung ist nur für die Betriebsangehörigen gedacht und muss nichtöffentlich abgehalten werden. D. h., dass keine unbefugten Dritten (z. B. Familienangehörige bei Mitarbeitern im Homeoffice) mithören oder -sehen können. Wichtig: Die Versammlung darf nicht aufgezeichnet werden, nicht einmal teilweise. Um sicherzustellen, dass die Nichtöffentlichkeit gewahrt bleibt, hilft ein Zugangscode oder Passwort, verbunden mit der schriftlichen Zusicherung der Teilnehmer, dass der Code nicht an Dritte weitergegeben oder die Versammlung aufgezeichnet wird.

Hinweis: Arbeitgeber ist verantwortlich für Datenschutz

Der Arbeitgeber, der die Technik zur Verfügung stellt, trägt die datenschutzrechtliche Verantwortung. Dennoch sollten auch Sie als Betriebsrat darauf achten, dass alle datenschutzrechtlichen Vorgaben penibel beachtet werden.

So wird die Versammlung zum Erfolg

Mittlerweile haben die meisten von uns ausreichend Erfahrungen mit Online-Meetings und Versammlungen gemacht und es haben sich einige Punkte herauskristallisiert, die zum Erfolg der digitalen Variante entscheidend beitragen:

  • stabil funktionierende Technik: Testen Sie falls nötig die von Ihnen gewählte Technik. Wie gut ist die Internetverbindung bei der Übertragung und können die Beschäftigten im Homeoffice auf ausreichend große Datenvolumina und Leitungen zugreifen?
  • Ist der Raum, aus dem übertragen wird, akustisch geeignet, damit die Redner von den Teilnehmern gut verstanden werden? Gibt es eine ausreichende Beleuchtung? Stimmt die Kameraposition, sodass alle Redner richtig ins Bild gesetzt sind? Gibt es Mikrofone? Sind Hintergrundgeräusche weitestgehend eliminiert?
  • weniger ist mehr: Da Online-Versammlungen für die Teilnehmer anstrengender sind als Präsenzversammlungen, ist es besser, die Anzahl der Themen zu reduzieren und lieber öfters kürzere Meetings anzusetzen. Wichtig ist, dass Sie auf die jeweils dringendsten Fragen eingehen und auch den Arbeitgeber hierzu sowie zur weiteren Planung (falls absehbar) Stellung beziehen lassen. Meist haben die Beschäftigten auch viele Fragen, für deren Beantwortung Sie ausreichend Zeit einplanen sollten.
  • Die Moderation einer Online-Versammlung erfordert durchaus einiges an Souveränität: Der Moderator sollte zu Beginn kurz erklären, wie die Versammlung abläuft, welche Themen anstehen und wie sich die Beschäftigten durch Fragen und Kommentare einbringen können. Am Ende sollten ein kurzes Fazit und ein Ausblick auf die nächsten Schritte stehen. Es hilft, wenn sich der Moderator gut mit der Technik auskennt und hier etwaige Probleme von Rednern und Teilnehmern lösen kann. Unter Umständen sollten Pausen eingeplant werden.
  • Für den reibungslosen Ablauf sind Verhaltensregeln sinnvoll. Dazu gehören z. B. klare Beschränkungen der Redezeit auf wenige Minuten und ein Kodex, dass niemand unterbrochen, beleidigt oder Ähnliches wird. Für die Beschäftigten müssen Strukturen zur Wortmeldung vorliegen und Teilnehmer sollten daran erinnert werden, dass sie während der Wortbeiträge der anderen ihre Mikrofone stummschalten.

Ihr Auftritt vor der Kamera

Schon die gute alte Präsenzversammlung hat bei manchen Betriebsräten Lampenfieber ausgelöst – nur die wenigsten von uns sind es eben gewöhnt, vor vielen Menschen auf einer Bühne zu sprechen. Mit der digitalen Versammlungsvariante werden die Dinge nun nicht gerade einfacher. Denn zwar schaut man nicht mehr in die Menge, aber dafür ist man im Zweifel alleine bzw. nur mit sehr wenigen Menschen in einem Raum und schaut in die Kamera. Dieses „Ins-Nichts-Sprechen“ ist eine Herausforderung an sich, bei der es besonders zu Anfang gar nicht so einfach sein kann, den Fokus zu halten und konzentriert zu bleiben. Wie auch bei Präsenzversammlungen gilt hier sicher, dass Übung den Meister macht. Also nicht gleich verzagen, wenn es bei den ersten Malen noch nicht perfekt klappt.

Praxistipp: richtiger Bildausschnitt

Dem Bildausschnitt kommt eine besondere Bedeutung zu. Möglich ist, den Redner komplett auf der Bühne zu zeigen, aber auch andere Einstellungen sind denkbar: Steht jemand am Rednerpult, ist zumeist nur der Kopf mit einem Teil des Oberkörpers zu sehen (die Hände sollten auf jeden Fall im Bild sein, denn Gestik macht das Ganze lebendiger). Auf dem Rednerpult sollte bei Bedarf ein Schild mit Namen und Funktion des Redners stehen. Man kann aber auch eine Totale wählen, z. B. wenn mehrere Menschen wie in einer Talkshow auf der Bühne sitzen.

Proben Sie vor der Kamera

Es ist durchaus sinnvoll, wenn Sie vor der eigentlichen Versammlung proben, wie Sie am besten vor der Kamera stehen und wie Sie am besten sprechen. Aber auch Fragen der Beleuchtung und des Hintergrunds sollten Sie vorher besprechen und Kameratests hierzu machen. Dazu gehört auch, dass Sie vielleicht einiges an Kleidung mitnehmen, um sich dann bei den Proben für ein Outfit zu entscheiden.

Seien Sie mutig und sammeln Sie Erfahrungen

Weder eine Präsenz- noch eine Digitalversammlung sind in Beton gegossen. Je nachdem, für welche Variante Sie sich entscheiden: Ziehen Sie danach unbedingt ein kritisches Fazit: Was lief gut, wo gibt es noch Luft nach oben? Probieren Sie ruhig verschiedene Optionen aus. Und auch Hybrid-Versammlungen sind denkbar, bei denen ein Teil der Beschäftigten im Raum sitzt und andere digital teilnehmen. Dann ist es nur wichtig, auch den Zugeschalteten die Möglichkeit zu eröffnen, sich aktiv einzubringen.

Autor*in: Silke Rohde (ist Rechtsanwältin & Journalistin sowie Chefredakteurin des Fachmagazins Betriebsrat KOMPAKT.)