Wer ist zuständig: Filial-Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat?
Streiten ein bundesweit tätiger Arbeitgeber und der Betriebsrat einer Filiale über die Frage, ob Letzterer oder der Gesamtbetriebsrat in einer Angelegenheit zuständig ist, kann das Gericht per Beschluss die Betriebsräte aller anderen Filialen am Verfahren beteiligen. Der Arbeitgeber muss diese Entscheidung akzeptieren.
Worum geht es?
Mitbestimmung. Die Arbeitgeberin betreibt Einrichtungshäuser, in denen sie den Kunden mit dem „Kundenfeedbacktool Sayway“ die Möglichkeit gibt, auf Terminals ihre Zufriedenheit oder Unzufriedenheit zum Ausdruck zu bringen. In 54 Niederlassungen sind Betriebsräte gewählt. Der Bielefelder Betriebsrat meinte, die Terminals seien unter Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte aufgestellt worden. Er beantragte deshalb den Erlass einer einstweiligen Verfügung, um der Arbeitgeberin die weitere Nutzung der Terminals solange zu untersagen, bis seine Zustimmung vorliege. Die Arbeitgeberin entgegnete, dem örtlichen Betriebsrat stünde hier kein Mitbestimmungsrecht zu, sondern dem Gesamtbetriebsrat. Die Terminals kämen in allen Niederlassungen zum Einsatz und die Daten würden in der Zentrale erhoben. Als das zuständige Arbeitsgericht Bielefeld beschloss, die Betriebsräte aller weiteren 53 Niederlassungen am Verfahren zu beteiligen, legte die Arbeitgeberin sofortige Beschwerde dagegen ein. Eine unmittelbare Betroffenheit der übrigen Betriebsräte liege nicht vor, da sich der Verfahrensgegenstand einzig auf einen vermeintlichen allein aus dem lokalen Rechtsverhältnis herrührenden Unterlassungsanspruch des örtlichen Betriebsrats in Bielefeld beziehe.
Hinweis: Gesamtbetriebsrat nur wenn notwendig
Gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG ist der Gesamtbetriebsrat für Angelegenheiten zuständig, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und die nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Nach der Rechtsprechung muss eine zwingende sachliche oder rechtliche Notwendigkeit für eine betriebsübergreifende Regelung bestehen.
Das sagt das Gericht
Das ArbG Bielefeld half der sofortigen Beschwerde nicht ab, sondern legte sie dem Beschwerdegericht vor. Dieses entschied, dass gegen einen (Zwischen-)Beschluss des Arbeitsgerichts, weitere Stellen am Beschlussverfahren zu beteiligen, die sofortige Beschwerde nicht statthaft, also nicht zielführend sei. Entscheidend für den vorliegenden Fall sei die Frage, ob der örtliche Betriebsrat oder der Gesamtbetriebsrat Träger des Mitbestimmungsrechts sei. Deshalb seien auch die übrigen Betriebsräte der anderen Niederlassungen zu beteiligen. Würde der Antrag des örtlichen Betriebsrats wegen der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats abgewiesen, seien dadurch sämtliche übrigen örtlichen Betriebsräte in ihrer Rechtsstellung betroffen. Vor diesem Hintergrund sei es sinnvoll, alle örtlichen Betriebsräte zu ihrer Auffassung anzuhören, ob das Mitbestimmungsrecht auf örtlicher Ebene bestehe oder dem Gesamtbetriebsrat zustehe. LAG Hamm, Beschluss vom 11.01.2021, Az.: 12 Ta 568/20
Das bedeutet für Sie als Betriebsrat
Der Beschluss des ArbG Bielefeld, die übrigen Betriebsratsgremien am Verfahren zu beteiligen, erwies sich als nicht anfechtbare Zwischenverfügung des Arbeitsgerichts, Stellen anzuhören, von denen es meint, sie seien in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung betroffen.
„Bielefelder-Entscheidung“ hat keine unmittelbaren Folgen für andere Betriebsräte
Unterliegt der Bielefelder Betriebsrat mit seinem Antrag, weil entweder kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht oder der Gesamtbetriebsrat zuständig ist, hat diese Entscheidung keine unmittelbaren Auswirkungen auf die übrigen Filialen. Ob dort die Terminals betrieben werden können oder nicht, wird vom ArbG Bielefeld nicht mitentschieden. Hat der Betriebsrat Erfolg mit seiner einstweiligen Verfügung, muss die Arbeitgeberin es unterlassen, die Terminals in Bielefeld zu betreiben. Sie ist aber nicht daran gehindert, die Terminals in den anderen Niederlassungen einzusetzen. Es liegt dann an den Betriebsräten vor Ort, unter Hinweis auf die „Bielefelder Entscheidung“ gerichtlich gegen den Einsatz der Terminals vorzugehen – mit sehr guten Erfolgsaussichten.