03.05.2023

Webinar statt Präsenzveranstaltung? Betriebsrat muss sich nicht beugen

Ein Betriebsrat, der beschließt, Mitglieder zu einer mehrtägigen Präsenzveranstaltung zu entsenden, muss sich laut einem Beschluss des LAG Düsseldorf vom Arbeitgeber nicht auf ein Webinar verweisen lassen, sofern er den ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Erforderlichkeit der Veranstaltung nicht überschreitet.

Erwachsene in der Online-Schulung

Worum geht es?

Bei einer Luftverkehrsgesellschaft ist eine Personalvertretung Kabine (PV Kabine) gebildet, für die die Regelungen des  Betriebsverfassungsrechts (BetrVG) gelten. Die PV Kabine beschloss, zwei in Düsseldorf und Köln wohnende Mitglieder
für die Zeit vom 24.08.2021 bis zum 27.08.2021 zu einer Schulung „Betriebsverfassungsrecht Teil 1“ in Potsdam zu entsenden. Es fielen für beide Teilnehmer zusammen rund 1.800 € brutto für die Schulung und rund weitere 1.300 € brutto für Übernachtungs- und Verpflegungskosten an. Die Arbeitgeberin verweigerte die Übernahme der Kosten. Sie  argumentierte, dass die beiden Mitglieder der PV Kabine an einem kostengünstigeren Webinar mit identischem Schulungsinhalt hätten teilnehmen können. Im maßgeblichen Zeitraum hätten zudem im näheren Einzugsgebiet kostengünstigere Präsenzseminare stattgefunden. Die PV Kabine entgegnete, sie müsse sich nicht auf ein Webinar  verweisen lassen. Präsenzseminare im Einzugsgebiet wären u. a. wegen Urlaub nicht in Betracht gekommen. Sie verklagte die Arbeitgeberin auf Freistellung von den Schulungs-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten für das Seminar.

Das sagt das Gericht

Das Gericht gab der Klage statt. Die PV Kabine musste sich nicht auf ein Webinar anstelle einer Präsenzveranstaltung
verweisen lassen. Nach Ansicht des Gerichts müsse die Personalvertretung bei der Prüfung der Erforderlichkeit zwar die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulungsveranstaltung verbundenen finanziellen Belastungen
der Arbeitgeberin berücksichtigen. Allerdings sei ihr bei der Seminarauswahl ein Beurteilungsspielraum zuzugestehen. Nur wenn mehrere gleichzeitig angebotene Veranstaltungen nach Ansicht der PV Kabine innerhalb dieses  Beurteilungsspielraumes als qualitativ gleichwertig anzusehen seien, komme eine Beschränkung der  Kostentragungspflicht der Arbeitgeberin auf die Kosten des preiswerteren Seminars in Betracht. Die PV Kabine  überschreite ihren Beurteilungsspielraum nicht, wenn sie selbst ein inhaltsgleiches Webinar mit einer entsprechenden
Präsenzveranstaltung nicht für qualitativ vergleichbar erachte. Die Einschätzung der PV Kabine, dass der Lerneffekt im Rahmen einer Präsenzveranstaltung deutlich höher sei als bei einem Webinar, sei nicht zu beanstanden. Ortsnähere Präsenzseminare, auf welche die PV Kabine hätte verwiesen werden können, hätten nicht vorgelegen. LAG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.11.2022, Az.: 8 TaBV 59/21 (nicht rechtskräftig)

Das bedeutet für Sie als Betriebsrat

Eingeschränkt wird die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers aus § 40 Abs. 1 BetrVG durch das  Verhältnismäßigkeitsprinzip, d. h., der Arbeitgeber muss nur diejenigen Kosten übernehmen, die erforderlich und verhältnismäßig sind. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist nicht so zu verstehen, dass sich der Betriebsrat für das kostengünstigere Seminar entscheiden muss. Eine solche Pflicht würde den Entscheidungsspielraum des Betriebsrats massiv einschränken, weil er sich dann stets für das jeweils preiswerteste, zeitlich kürzeste und örtlich nächstgelegene
Seminar entscheiden müsste – ohne Rücksicht auf die Qualität der Veranstaltung.

Autor*in: Daniel Roth (ist Chefredakteur des Beratungsbriefs Urteils-Ticker Betriebsrat.)