Wann eine Grundschulung eines Ersatzmitgliedes erforderlich ist
Eine Grundlagenschulung für Ersatzmitglieder ist nur ausnahmsweise erforderlich und muss deshalb sorgfältig begründet werden. Laut einem Beschluss des Hessischen LAG ist dies der Fall, wenn das einzige mit dem Betriebsverfassungsrecht vertraute Betriebsratsmitglied monatelang ausfallen wird.
Worum geht es?
In einem Unternehmen existierte ein dreiköpfiges Betriebsratsgremium. Von Ende April 2020 bis Ende August 2020 fiel der Betriebsratsvorsitzende infolge einer Schulteroperation krankheitsbedingt aus. Im Juni 2020 beschloss der Betriebsrat, das an erster Stelle stehende Ersatzmitglied zu einer einwöchigen Grundlagenschulung im Betriebsverfassungsrecht zu entsenden, die im September 2020 stattfand. Zudem wurde beschlossen, dass der Vorsitz auf ein anderes Betriebsratsmitglied übergehen sollte. Denn für die Zeit nach dem voraussichtlichen Ende seiner Arbeitsunfähigkeit hatte der erkrankte (Ex-)Vorsitzende einen längeren Urlaub geplant. Außerdem rechnete der Betriebsrat aufgrund einer ähnlichen Erkrankung seines (Ex-)Vorsitzenden in der Vergangenheit damit, dass seine vollständige Genesung längere Zeit beanspruchen würde. Die beiden regulären Betriebsratsmitglieder waren erstmals in das Gremium gewählt worden und besaßen keine Erfahrungen in der Betriebsratsarbeit. Der Nachrücker hatte auch keine Erfahrungen in der Betriebsratsarbeit und auch keine Kenntnisse im Betriebsverfassungsrecht.
Der Arbeitgeber meinte, die Schulung für das Ersatzmitglied sei nicht erforderlich gewesen und weigerte sich deshalb, den Betriebsrat von den Schulungskosten freizustellen. Dagegen klagte das Gremium.
Das sagt das Gericht
Das Gericht gab der Klage des Betriebsrats statt und verpflichtete den Arbeitgeber zur Kostenerstattung. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Betriebsrats im Juni 2020 habe dieser davon ausgehen müssen, dass der Nachrücker in Zukunft wegen der Langzeiterkrankung des bisherigen Vorsitzenden sehr oft als Vertretung tätig werden würde. Eine Wissensvermittlung durch die beiden anderen – erstmals gewählten – Betriebsratsmitglieder sei wegen ihrer Unerfahrenheit nicht in Betracht gekommen. In dieser Situation hätten Verhandlungen mit dem Arbeitgeber über eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit stattgefunden. Auch deshalb sei eine unverzügliche Schulungsteilnahme des Ersatzmitgliedes im Interesse der Aufrechterhaltung der Betriebsratsarbeit nötig gewesen. Dass die Schulung infolge der Coronavirus- Pandemie erst verspätet Anfang September 2020 stattgefunden habe, lasse ihre Erforderlichkeit nicht entfallen. Denn es komme auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung des Betriebsrats an. Hessisches LAG, Beschluss vom 17.01.2022, Az.: 16 TaBV 99/21
Das bedeutet für Sie als Betriebsrat
Beachten Sie, dass die Teilnahme von Ersatzmitgliedern an Grundlagenschulungen zum Betriebsverfassungsrecht, aber auch an anderen arbeitsrechtlichen Fortbildungsveranstaltungen, keine Selbstverständlichkeit ist. Erfahrungsgemäß unterscheiden die meisten Arbeitgeber im Vorfeld einer Schulungsveranstaltung nicht zwischen regulären Betriebsratsmitgliedern und Nachrückern.
Kommt es aber doch einmal zum Streit über die Kostentragung, muss der Betriebsrat detailliert die Besonderheiten der Situation im Betrieb bzw. im Gremium darlegen, um die Erforderlichkeit der Teilnahme eines nachrückenden Ersatzmitgliedes belastbar zu begründen.
BAG: Schulung von Ersatzmitgliedern nur bei besonderen Umständen
Betriebsräten ist es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zwar gestattet, nicht nur seine regulären Mitglieder, sondern auch Ersatzmitglieder zu einer betriebsverfassungsrechtlichen Grundlagenschulung zu entsenden. Die Teilnahme eines Ersatzmitgliedes an einer solchen Schulung ist jedoch nur im Ausnahmefall bzw. unter besonderen Umständen erforderlich (BAG, Beschluss vom 19.09.2001, Az.: 7 ABR 32/00).