Vertragsbruch? Arbeitgeber darf E-Mails kontrollieren
Besteht der konkrete Verdacht einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung, darf der Arbeitgeber die von einem dienstlichen E-Mail-Account geschriebenen E-Mails eines Beschäftigten kontrollieren. Das hat das ArbG Weiden entschieden. ArbG Weiden, Urteil vom 17.05.2017, Az.: 3 Ga 6/17
Worum geht es?
Arbeitsrecht. Ein Sachbearbeiter verschickte eine E-Mail an einen Kollegen im Ausland. Eine Kopie landete versehentlich im Postfach des Arbeitgebers. In der Mail hatte der Sachbearbeiter Vorschläge unterbreitet, wie angefallene Arbeitszeiteinsparungen nicht offenkundig werden. Er befürchtete, dass ansonsten Vorgabezeiten für bestimmte Arbeiten verkürzt würden. Der Arbeitgeber sah darin ein arbeitsvertragswidriges Verhalten sowie einen Loyalitätsverstoß und mahnte den Beschäftigten ab. Mit den in der E-Mail enthaltenen Vorschlägen drohten dem Unternehmen massive finanzielle Schäden. Der Arbeitgeber befürchtete auch in anderen Fällen ein arbeitsvertragswidriges Verhalten des Beschäftigten und wollte deshalb dessen dienstlich veranlasste E-Mail-Korrespondenz kontrollieren. Er meinte, sowohl der Beschäftigte als auch ein Mitglied des Betriebsrats könnten zur Einsichtnahme beigezogen werden. Der Sachbearbeiter lehnte eine Kontrolle seiner Dienst-Mails jedoch strikt ab und zog vor Gericht. Er argumentierte, dass es keinen Grund für eine unbeschränkte zeitliche und inhaltliche Überprüfung seiner E-Mails gebe. Der Arbeitgeber entgegnete, dass es hier darum gehe, nachvollziehen zu können, ob der Beschäftigte auch in anderen Fällen pflichtwidrig gegen das Unternehmen gehandelt habe und dadurch Schäden aufgelaufen seien.
Hinweis
Private E-Mails des Arbeitnehmers sind für den Arbeitgeber tabu. Verschafft er sich dennoch unbefugt Zugang zu einem auch privat genutzten und passwortgeschützten E-Mail-Account eines Arbeitnehmers, macht er sich gemäß § 202a StGB wegen des Ausspähens von Daten strafbar. Darüber hinaus verletzt er seine arbeitsvertraglichen Nebenpflichten, was zu einem Schadenersatz- bzw. Unterlassungsanspruch führen kann.
Das sagt das Gericht
Das Gericht entschied den Rechtsstreit zugunsten des Arbeitgebers. Dieser sei kein Diensteanbieter im Sinne von § 3 Nr. 6 TKG (Telekommunikationsgesetz). Für die E-Mail-Kontrolle gelte deshalb das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Nach den zu § 32 BDSG entwickelten Grundsätzen sei eine Datenverarbeitung durch den Arbeitgeber – wozu auch das Lesen von E-Mails gehört – zulässig, wenn es tatsächliche Anhaltspunkte für ein vertragswidriges Verhalten gebe und der E-Mail-Kontrolle keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen des Beschäftigten entgegenstünden. Im Streitfall gebe es mit der versehentlich an den Arbeitgeber gelangten E-Mail einen Anhaltspunkt für weitere Pflichtverletzungen des Beschäftigten, was eine Einsichtnahme in die dienstlichen E-Mails rechtfertige. Auf diese Weise könne der Verdacht erhärtet oder ausgeräumt werden. Dies sei auch verhältnismäßig, weil sowohl der Beschäftigte als auch ein Betriebsratsmitglied dabei anwesend sein könnten. ArbG Weiden, Urteil vom 17.05.2017, Az.: 3 Ga 6/17
Das bedeutet für Sie als Betriebsrat
Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats stand der E-Mail-Kontrolle durch den Arbeitgeber übrigens nicht entgegen. Die hierfür in Betracht kommende Vorschrift des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG („Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen“) kam nicht zur Anwendung, weil es im Eingangsfall bereits am kollektiven Bezug fehlte, denn die übrige Belegschaft wurde durch die Kontrolle des E-Mail-Accounts des Sachbearbeiters nicht tangiert, sodass es sich damit um eine mitbestimmungsfreie Individualmaßnahme handelte.
Arbeitgeber darf stichprobenartig E-Mails kontrollieren
Gestattet der Arbeitgeber seinen Beschäftigten das Surfen im Internet und die Nutzung des E-Mail-Accounts auch für private Zwecke, stellt sich die Frage, ob er dadurch ein „Diensteanbieter“ im Sinne von § 3 Nr. 6 TKG geworden ist. Folgt man der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung, ist das nicht der Fall (z. B. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.01.2016, Az.: 5 Sa 657/15). Der Arbeitgeber darf deshalb – weil das Fernmeldegeheimnis keine Anwendung findet – Protokolldaten über die Internetnutzung stichprobenartig und bei einem konkreten Missbrauchsverdacht personenbezogen auswerten – ohne Einwilligung des Beschäftigten.