Verhandlungsstrategien des Betriebsrats
Haben Sie nach Verhandlungen mit dem Arbeitgeber öfters das Gefühl, dass eine Einigung möglich gewesen wäre, aber „irgendwie“ nicht zustande gekommen ist? Dann liegt es häufig daran, dass beide Seiten nicht bemerken, dass ein positives Verhandlungsergebnis näher liegt, als die Beteiligten denken. Um dies zu ändern, schaffen Sie von Anfang an eine positive Verhandlungsperspektive und suchen zielstrebig den Weg zur Einigung.
Geschäftsführung Betriebsrat. Es wurde viel diskutiert, die Beteiligten hatten das Gefühl, dass alle eigentlich guten Willens waren – und dann hat man doch keine Einigung beim Arbeitgebergespräch erzielt und die angestrebte Betriebsvereinbarung ist erst einmal in weite Ferne gerückt. Verhandlungsexperten verweisen immer wieder darauf, dass bei einer neu angesetzten Verhandlungsrunde beide Seiten wieder viel weiter auseinanderliegen als bei der vorherigen. Nicht umsonst dauert die letzte Tarifverhandlung zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebervertretern oft bis mitten in die Nacht.
Perspektive abfragen
Wenn es zu Beginn eines Arbeitgebergesprächs realistisch ist, stellen Sie mit einer einfachen Frage eine mögliche Einigung in den Raum: „Wie weit, denken Sie, werden wir heute mit dem Thema kommen?“ Stellen Sie sich auf ein „Ich weiß nicht“ ein, das immer dann kommt, wenn die Arbeitgeberseite weitgehend unvorbereitet ist. Ihre Entgegnung sollte dann in einer möglichst präzisen Darstellung der Knackpunkte liegen, die den direkten Weg zu einer Einigung zeigen: „Ich glaube, wir sind schon auf einem guten Weg. Wenn wir uns über die Schichtzulagen und den flexibilisierten Arbeitsbeginn in der Produktion einigen, sollten wir es heute schaffen können.“
Hinweis: Suchen Sie immer wieder neue Ansatzpunkte
Wichtig ist bei Verhandlungen, dass es bei jedem Streitpunkt nicht nur ein Entweder-oder, sondern auch ein Sowohl-als-auch bzw. ein Ganz-etwas-anderes gibt. Beharren Sie deshalb nicht auf festgefahrenen Standpunkten, sondern suchen Sie immer wieder neue Lösungsmöglichkeiten, die eine Einigung erleichtern.
Gräben überspringen
Der Betriebsrat will einen Überstundenzuschlag, der Arbeitgeber ein Arbeitszeitkonto mit Freizeitausgleich
- eine Einigung scheint nicht möglich. Überwinden Sie diesen Graben, indem Sie neue Perspektiven einbringen:
- „Ich habe gestern mit dem Abteilungsleiter der Fertigung gesprochen. Er meinte …“
- „Die Arbeitnehmer, mit denen wir gesprochen haben, möchten am Ende des Monats lieber mehr in der Lohntüte haben.“
- „Die meisten Unternehmen, die ein Arbeitszeitkonto eingeführt haben, z. B. die Müller AG, haben dennoch Überstunden- und Sonderschichtzuschläge bezahlt.“
Folgegespräche gut vorbereiten
Sollten Sie kurz vor Ende der Verhandlungszeit feststellen, dass Sie keine Einigung erzielen werden, sorgen Sie schon jetzt für das Folgegespräch vor: Fassen Sie zusammen, wie der Stand der Verhandlung ist, und fragen Sie die Arbeitgeberseite, ob das so korrekt beschrieben ist. Sie haben damit eine Einigung bei der Beschreibung der Verhandlungssituation. Im Folgegespräch beginnen Sie mit folgendem Stand der Dinge getrennt: …“
Unterschiede feststellen
Wenn es in den Verhandlungen nicht vorangeht, geschieht dies häufig, weil über die eigentlichen Streitthemen nicht gesprochen wird. Meist passiert dies aus einem diffusen Gefühl heraus, dass die jeweils andere Seite das strittige Thema unter den Tisch fallen lassen wird. Sprechen Sie deshalb auf konstruktive Weise solche Themen an:
- „Bei welchen Punkten haben wir denn jetzt schon eine Einigung erzielt?“
- „Wo genau sind bei den anderen Aspekten die Unterschiede?“
- „Welche Unterschiede lassen sich am einfachsten überbrücken?“
Wenn Sie den Eindruck haben, dass auch die Arbeitgeberseite die Verhandlung gern positiv abschließen würde, unterbreiten Sie Angebote: „Wäre es für Sie darstellbar, wenn …?“
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Interview mit dem Betriebsrats-Berater Thomas Steins von CAIDAO über seine Erfahrungen in Verhandlungen von Betriebsräten
Was sind Ihrer Erfahrung nach die wichtigsten Voraussetzungen, um erfolgreich zu verhandeln?
Grundlegend ist eine gewissenhafte Vorbereitung. Dazu gehört neben der Klärung der Rollen innerhalb des Verhandlungsteams und der internen Festlegung von Verhandlungszielen auch eine niet- und nagelfeste Argumentation auf der Inhaltsebene. Es ist wichtig, sich zum jeweiligen Regelungsthema schlau zu machen und beispielsweise auch als Betriebsrat ein betriebswirtschaftliches Alternativgutachten zu beauftragen. So kann man klare Forderungen stellen und konstruktive Lösungsvorschläge unterbreiten.
Gibt es typische Fehler des Betriebsrats beim Verhandeln?
Häufig treten Betriebsräte nicht geschlossen auf, weil sie sich nicht ausgiebig genug über Verhandlungsziele ausgetauscht haben. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich, in der Verhandlungsdelegation ein Zeichen zu verabreden für den Fall, dass ein Teilnehmer eine Auszeit für eine interne Klärung braucht. Generell sollten Verhandlungen nicht ohne Blöcke für die interne Vor- und Nachbesprechung terminiert werden.
Wie findet der Betriebsrat heraus, inwieweit mir die Gegenseite entgegenkommen kann und wie kompromissbereit sie ist?
Zentral ist es, mit jemandem zu verhandeln, der auch entscheiden kann. Außerdem geht es darum, die gewählte Verhandlungsstrategie zu erkennen: Herrscht im Betrieb eine Kultur der Angst vor? Oder sind allen Beteiligten ein wertschätzender Umgang und eine solide Sozialpartnerschaft ein Anliegen? Dann ist es für Betriebsräte möglich, nicht nur eine Verhinderungsstrategie oder eine Strategie des kritischen Begleitens zu fahren, sondern sogar ein „Co-Management“ oder eine offensive Gestaltungsstrategie zu wählen, wobei der Betriebsrat als proaktiver Akteur und Kommunikator handelt.
Was kann der Betriebsrat tun, wenn die Verhandlungen in eine Sackgasse geraten sind? Was sind die kritischen Momente?
Verhandlungen stocken meist dann, wenn sich Arbeitgeberseite und Betriebsrat mit ihren Positionen unversöhnlich gegenüberstehen. Hier ist es wichtig, die Interessen hinter den Positionen zu verstehen, indem man die Frage nach dem „Warum?“ klärt. Häufig hilft es, auf einem Flipchart eine Liste der Interessen und Zielsetzungen zu erstellen und darüber zu sprechen. Verhandlungen kommen auch dann ins Stocken, wenn einer Seite Informationen fehlen oder neu aufgekommene Lösungswege im Gremium geprüft werden müssen. Lösungen sollten nicht durch Druck zustande kommen. Daher ist die Entwicklung objektiver Kriterien für eine Bewertung eine gute Möglichkeit, zähe Verhandlungen wieder in Schwung zu bringen. Wenn ein Arbeitgeber allerdings die harte Konkurrenzstrategie fährt, weil es ihm nur um seinen Vorteil geht, kommen Betriebsräte und wir als Berater mit Sachargumenten für eine sozial und ökonomisch nachhaltigere Alternativplanung nicht weiter. Dann ist die Courage des Betriebsrats gefragt, die Verhandlungen bereits in einem frühen Stadium für gescheitert zu erklären. Das ist auch gegenüber der Belegschaft wichtig, damit der Betriebsrat am Ende nicht als Blockierer dasteht.
Wie geht der Betriebsrat konstruktiv damit um, wenn der Arbeitgeber unsachlich wird oder Drohungen einsetzt?
Störungen auf der Beziehungsebene sprechen Sie am besten immer direkt an. Die genannten Verhaltensweisen kommen meist zum Einsatz, wenn der Arbeitgeberseite die Sachargumente ausgehen. Dann ist es wichtig, sich nicht provozieren zu lassen. Ein Lächeln oder der Hinweis auf mögliche rechtliche Folgen können zur Deeskalation beitragen. Solche Reaktionen können im Vorfeld in Einzelcoachings und Rollenspielen eingeübt werden.
Die Verhandlungen sind abgeschlossen, eine Lösung ist gefunden. Doch der Arbeitgeber setzt diese nicht in die Tat um. Was ist für den Betriebsrat zu tun?
Sinnvoll ist es, ein Projektcontrolling zu vereinbaren, mit dem der Betriebsrat die Umsetzung der Maßnahmen nachvollziehen und auswerten kann. Natürlich können auch paritätische Kommissionen gebildet werden, die sich bei Verstößen zusammensetzen und eine Klärung herbeiführen. Als letzte Eskalationsmöglichkeit gibt es die Einigungsstelle und die Arbeitsgerichte. Für einen juristischen Erfolg bedarf es jedoch entsprechender Regelungen in der Betriebsvereinbarung oder im Interessenausgleich zur Sanktionierung von Verstößen. Dies gilt es bereits in der Verhandlungsphase als Bestandteil zu verankern.