16.05.2019

Vergütung von Betriebsräten bei angenommenem Karrieresprung

Freigestellte Betriebsratsmitglieder haben Anspruch auf Weiterzahlung ihres Gehalts einschließlich aller Zulagen, die der Arbeitgeber auch pauschaliert zahlen kann. Im Falle eines hypothetischen Karrieresprungs orientiert sich die Vergütungshöhe laut dem BAG an der hypothetisch bekleideten Position.

Betriebsrat Gehalt

Worum geht es?

Geschäftsführung Betriebsrat. Ein Arbeitnehmer ist seit 1988 bei der Betreibergesellschaft des Flughafens Frankfurt am Main beschäftigt. Er ist seit 2002 Mitglied des Betriebsrats und seit 2006 von der Arbeitsleistung freigestellt. Vor der Freistellung war er als „Ramp-Agent“ im Schichtdienst tätig und erhielt monatlich eine Schichtzulage und eine „pauschal variable Zulage“ für die Arbeit zu ungünstigen Zeiten. Diese Zulagen wurden auch während der Freistellung zunächst weiter gezahlt. 2011 wurde er höher eingruppiert, weil er sich ohne sein Betriebsratsamt beruflich auf eine Stelle als „Aufgabenleiter Betrieb und Verfahren“ entwickelt hätte. Bis einschließlich Oktober 2014 zahlte der Arbeitgeber monatlich die pauschal variable Zulage und die Schichtzulage an das Betriebsratsmitglied aus. Ab dem 01.11.2014 stellt er die Zahlungen ein, weil bei der Tätigkeit eines Aufgabenleiters weder Zeitzuschläge noch die Schichtzulage anfielen, sodass die Zahlung dieser Zuschläge eine unzulässige Begünstigung nach § 78 Satz 2 BetrVG darstelle. Das Betriebsratsmitglied klagte in der Folge auf Zahlung der Zuschläge. Es meinte, es habe einen Anspruch auf Zahlung der Zuschläge, weil es bis zu seiner Freistellung im Schichtdienst gearbeitet habe.

Das sagt das Gericht

Das Gericht wies die Klage ab. Zwar hätten freigestellte Betriebsräte gemäß dem Lohnausfallprinzip grundsätzlich Anspruch auf die Zahlung von Zulagen, die sie vor der Freistellung erhalten haben. Im Streitfall habe sich die Situation jedoch so dargestellt, dass das Betriebsratsmitglied beruflich zum Aufgabenleiter aufgestiegen wäre, wenn es weiter gearbeitet hätte. Für die Berechnung des Gehalts sei dann die neue Tätigkeit als Aufgabenleiter maßgeblich. Da die Aufgabenleiter im Unternehmen des Arbeitgebers aber weder im Schichtdienst arbeiteten noch Tätigkeiten zu ungünstigen Zeiten ausübten, habe das Betriebsratsmitglied keinen Anspruch auf Zahlung entsprechender Zulagen. BAG, Urteil vom 29.08.2018, Az.: 7 AZR 206/17

Praxistipp: Vergleichsgruppe zur Beginn der Freistellung definieren

Wie sich ein freigestelltes Betriebsratsmitglied ohne die Freistellung beruflich weiterentwickelt hätte, ist in der Regel schwer zu beurteilen. Deshalb sollte bereits zu Beginn der Amtszeit schriftlich festgehalten (und regelmäßig aktualisiert) werden, mit welcher Gruppe von Beschäftigten bzw. mit welchen einzelnen Beschäftigten das Betriebsratsmitglied vergleichbar ist.

Das bedeutet für Sie als Betriebsrat

Betriebsratsmitglieder dürfen während der Ausübung ihres Amtes nicht benachteiligt oder begünstigt werden. Das gilt insbesondere in Sachen Bezahlung und berufliche Aufstiegschancen. Hierfür sorgt insbesondere das Lohnausfallprinzip, wonach Betriebsratsmitglieder nach ihrer Wahl in das Gremium Anspruch auf denselben Lohn haben wie vor der Amtsübernahme. Mit anderen Worten werden Betriebsratsmitglieder während der Betriebsratstätigkeit so bezahlt, als würden sie ihren bisherigen Tätigkeiten weiter nachgehen. Zum Lohn zählen neben dem Grundlohn auch alle Zulagen (z. B. für Mehr-, Nacht-, Schicht-, Akkord- und Sonntagsarbeit). Wenn ein freigestelltes Betriebsratsmitglied, das aufgrund seines früheren Jobs während der Freistellung Zulagen erhielt, ohne das Betriebsratsamt einen Karrieresprung hingelegt und einen besser bezahlten Job ergattert hätte (der keine Zulagen vorsieht), hat es nach einer Höhergruppierung keinen Anspruch mehr auf Weiterzahlung der Zulagen.

Hinweis: pauschale Zulagen sind in Ordnung

Vertraglich vereinbarte pauschalisierende Zulagen – beispielsweise zur Abgeltung von Schichtdiensten, Arbeiten an ungünstigen Zeiten oder Überstunden – stellen keine unzulässige Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern im Sinne des § 78 Satz 2 BetrVG dar, sofern sie sich am Umfang der üblicherweise erbrachten zuschlagspflichtigen Tätigkeiten vergleichbarer Arbeitnehmer orientieren.

Autor*in: Daniel Roth (ist Chefredakteur des Beratungsbriefs Urteils-Ticker Betriebsrat.)