22.07.2019

Tipps und Tricks für den Betriebsrat: Personal aufstocken

Kennen Sie das auch? Ihre Kolleginnen und Kollegen ächzen unter der Last von Überstunden und Arbeitsverdichtung, aber der Chef will von einer Personalaufstockung einfach nichts wissen?

Tipps und Tricks für den Betriebsrat

Geschäftsführung Betriebsrat. Das Problem dürften viele Betriebsräte kennen. Und nach einem Blick in die letzten Betriebsratsseminarunterlagen und in den „Fitting“ stellt man entnervt fest: der Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht, um eine Personalaufstockung zu erzwingen. Verflixt – wird da mancher denken und auf eine in diesem Punkt längst überfällige Novellierung des BetrVG warten. Das dürfte in etwa so aussichtsreicht sein, wie darauf zu warten, dass der Papst eine Nonne heiratet. Also müssen hier „kreative“ Lösungen her:

Nutzen Sie als Betriebsrat Koppelungsgeschäfte

Ein guter Weg sind hier Koppelungsgeschäfte. Ein Koppelungsgeschäft funktioniert nach dem Muster: „Gibst Du mir was, geb ich Dir was.“ Wenn also das nächste Mal der Arbeitgeber etwas vom Betriebsrat will, könnte der Betriebsrat seine Zustimmung dazu von einer Personalaufstockung abhängig machen. Beispiel: Der Chef beantragt wieder einmal Überstunden oder zusätzliche Wochenend-Schichten. Der Betriebsrat könnte nun seine Zustimmung davon abhängig machen, dass die Arbeitgeberseite das Personal aufstockt.
Einzelheiten zu Koppelungsgeschäften lesen Sie im kostenlosen Download Koppelungsgeschäfte.

Dämmen Sie als Betriebsrat Überstunden ein

Ein weiterer erfolgversprechender Weg eine Personalaufstockung zu erreichen, geht dahin, dass man dem Arbeitgeber das Personal zunächst verknappt. Klingt paradox, funktioniert aber erfahrungsgemäß sehr gut. Beispiel: Im Betrieb ist die Unart eingerissen, dass Überstunden und Mehrarbeit am Betriebsrat vorbei einfach „gemacht“ werden. Schließlich leisten das die Mitarbeiter ja „freiwillig“, erklärt der Arbeitgeber gerne mal seinem staunenden Betriebsrat.

Genau hier kann der Betriebsrat ansetzen und dem Arbeitgeber die mitbestimmungswidrige Entgegennahme der „freiwillig“ geleisteten Überstunden arbeitsgerichtlich untersagen  lassen. Für den Arbeitsrichter ist es nämlich vollkommen egal, ob Arbeitnehmer Überstunden „freiwillig“ leisten oder nicht. Mitbestimmungspflichtig ist es so oder so (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). Der Betriebsrat hat grundsätzlich vor Ableistung der Überstunde mitzubestimmen.

Ist dies nicht der Fall, verstößt der Arbeitgeber gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG: Entweder er hat die Überstunden mitbestimmungswidrig angeordnet, oder er hat sie mitbestimmungswidrig „geschehen“ lassen, ohne zur Wahrung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats dagegen eingeschritten zu sein.

Beides wird im Ergebnis dazu führen, dass das Arbeitsgericht den Arbeitgeber dazu verpflichtet, § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ohne Wenn und Aber einzuhalten. Entweder indem er die mitbestimmungswidrige Anordnung von Überstunden und Mehrarbeit unterlässt oder indem er durch Ausübung seines Weisungsrechts dafür sorgt, dass ihm auch keine mitbestimmungswidrigen Überstunden von seinen Mitarbeitern „aufgedrängt“ werden.

Spätestens jetzt hat der Arbeitgeber ein Problem: Ohne Überstunden und Mehrarbeit ist die Arbeit im Betrieb einfach nicht zu schaffen und wenn nun der Betriebsrat auch noch bei den Überstunden meistens „nein“ sagt, dann wird dem Arbeitgeber kaum eine andere Wahl bleiben, als das Personal aufzustocken.

Sichern Sie sich den Rückhalt der Kollegen

Der Betriebsrat sollte bei einem Vorgehen nach diesem Lösungsvorschlag allerdings nicht versäumen, die Belegschaft mitzunehmen: Machen Sie in Rundschreiben, Aushängen, Betriebsversammlungen oder Infoständen in der Mittagspause vor dem Kantineneingang deutlich, warum Sie sich gegen die Überstunden wenden: Dass es nämlich um die Gesundheit der Kolleginnen und Kollegen geht. Denn permanente Überlastung ist auf Dauer Gift für Körper und Geist.

Autor*in: Marc Hessling (Herausgeber der Fachinformation Kommentierte Betriebsvereinbarungen – Ihr Rüstzeug als Betriebsrat)