Social Media: Kündigung nach Posts zulässig?
Social Media und Arbeitsrecht – das ist mittlerweile ein Dauerbrenner. Umso mehr Brisanz bekommt diese Diskussion im Moment noch durch die aufgeheizte Stimmung in der Corona-Pandemie. Kritisch wird es für den Arbeitnehmer, wenn dieser sich in einer Form über den Arbeitgeber oder seine Arbeit äußert, die das Arbeitsverhältnis stören könnte.
Arbeitsrecht. Insbesondere beleidigende Inhalte muss der Chef nicht tolerieren. Ebenso kann es arbeitsrechtliche Konsequenzen haben, wenn sich aus den Postings auf das Arbeitsverhalten schließen lässt.
Mehr Freiheiten außerhalb der Arbeitszeit
Außerhalb der Arbeitszeit kann der Arbeitgeber einen lebhaften Gebrauch von Twitter, Facebook oder anderen Diensten nicht einschränken, untersagen oder sanktionieren. Allerdings gilt dies unter Umständen nicht, wenn durch das Verhalten in der Freizeit das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird. Insbesondere kann es für Arbeitnehmer problematisch werden, wenn im privaten Video/Posting dennoch die Verbindung zum Arbeitgeber hergestellt werden kann und dadurch sein Ruf geschädigt wird bzw. er dies zumindest befürchtet. Hier ist jedoch eine klare juristische Einschätzung nicht generell möglich – in jedem Fall dürfte es für Arbeitgeber eher schwer sein, eine Kündigung zu begründen. Realistischer erscheint die Zulässigkeit einer Abmahnung. Allerdings ist jeder Fall anders gelagert und muss gesondert bewertet werden. Einfacher dürfte die Beurteilung sein, wenn ein Posting während der Arbeitszeit in den Räumen des Arbeitgebers aufgenommen und veröffentlicht wird. Genannt sei hier das Video einer Beschäftigten in der Uniklinik München, die sich über kostenpflichtige Coronatests für Arbeitnehmer beschwerte und deren Video von der „Querdenker“-Szene geteilt wurde. Hier überlegt der Arbeitgeber, wegen des Vorfalls zu kündigen.
„Corona-Scherz“ nach Feierabend
Grundsätzlich gilt, dass der Arbeitgeber nur das Verhalten des Beschäftigten im Betrieb sanktionieren kann. Was der Arbeitnehmer in seiner Freizeit tut, geht den Chef nur in Ausnahmefällen etwas an – etwa dann, wenn sich das Verhalten des Beschäftigten auch auf den Arbeitsalltag auswirkt. Das ArbG Osnabrück (Urteil vom 08.07.2020, Az.: 2 Ca 143/20) hatte sich mit einem solchen Fall zu beschäftigen: Hier kündigte ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer, nachdem dieser auf WhatsApp Bilder verschickt hatte, auf denen er sich mit mehreren Freunden zeigte und sich über die damals noch bestehenden Lockdown-Maßnahmen lustig machte. Laut eigenen Aussagen wollte sich der Beschäftigte nur einen Scherz erlauben. Der Arbeitgeber sorgte sich vor allem um die in seinem Betrieb beschäftigten Personen und führte an, diese schützen zu wollen. Für ihn sei das Arbeitsverhältnis nicht mehr zumutbar. Die Kündigungsschutzklage endete in einem Vergleich, sodass nicht mehr durch das Gericht entschieden werden musste, ob eine solche Kündigung rechtens war. Allerdings wäre hier wohl nur eine Abmahnung angemessen gewesen.
Besuch einer Anti-Corona-Demo in der Freizeit
Auch der Besuch einer Anti-Corona-Demonstration in der Freizeit kann unter Umständen für Beschäftigte negative Folgen haben. Das gilt zumindest dann, wenn die Verbindung zum Arbeitgeber hergestellt werden kann und der Beschäftigte laut seinem Arbeitgeber „wiederholt auf Social-Media-Kanälen seine leugnerische Haltung zur Pandemie oder zum Virus an sich geäußert und bei dieser Großdemonstration auch praktiziert, indem er vorsätzlich gegen die bekannten Schutzregeln verstieß“. In diesem Fall ging es um einen Profi-Basketballspieler in Deutschland. Nach der Teilnahme kündigte ihm sein Verein fristlos und begründete dies aber eben auch mit den Social-Media-Äußerungen. Ob diese Kündigung rechtmäßig gewesen wäre, wurde aber wie im Fall des WhatsApp-Fotos nie geklärt: Vor dem Arbeitsgericht Bonn schlossen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Vergleich. Ob eine Abmahnung oder sogar eine (ordentliche) Kündigung rechtmäßig gewesen wäre, könnte nur beurteilt werden, wenn wirklich alle Fakten ermittelt worden wären. Allerdings lässt sich sagen, dass es in diesem konkreten Fall sicher von Bedeutung gewesen wäre, dass der Beschäftigte etwa beim Training andere Mitspieler hätte gefährden können, genauso wie die Tatsache, dass der Sportler als Person des öffentlichen Lebens und Repräsentant eines renommierten Vereins wahrgenommen wird.
Zweistufige Prüfung der Gerichte
Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers können nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Aber nur, weil sich ein Arbeitgeber beleidigt fühlt, muss noch keine Beleidigung im juristischen Sinne vorliege. Nicht jede Verunglimpfung zieht gleich auch eine wirksame verhaltensbedingte Kündigung nach sich. Grundsätzlich erfolgt eine Prüfung, ob die Kündigung zulässig ist, zweistufig. Zunächst muss ein Grund vorliegen, der an sich geeignet ist, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Auf der weiteren Stufe kommt es darauf an, den Einzelfall in all seinen Facetten umfassend zu prüfen. In der Regel werten Gerichte Verunglimpfungen oder Beleidigungen dann auch als zulässigen Entlassungsgrund, aber es gibt in einigen Fällen durchaus Ausnahmen und „mildernde Umstände“.
Übersicht: Facebook-Urteile
- Das Arbeitsgericht Duisburg hatte über eine Entlassung zu entscheiden, nachdem ein Beschäftigter seine Arbeitskollegen als „Speckrollen“ und „Klugscheißer“ bezeichnet hatte. Dabei hielten die Richter die Kündigung nur deshalb für unwirksam, weil der Gekündigte zuvor von seinen Kollegen denunziert worden war. Deshalb hätte der Arbeitgeber vorher eine Abmahnung aussprechen müssen. Die beleidigenden Äußerungen an sich würden aber eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (ArbG Duisburg, Urteil vom 26.09.2012, Az.: 5 Ca 949/12).
- Das Arbeitsgericht Hagen befasste sich mit Beleidigungen des Chefs und der anschließenden Kündigung. Hier hatte ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber als „Drecksau“, „Scheißhaufen“, „Wixxer“ und „faules Schwein“ bezeichnet. Die Richter hielten – fast erstaunlicherweise – eine fristlose Kündigung für nicht gerechtfertigt, unter anderem auch im Hinblick auf die lange Beschäftigungsdauer und das Alter des Arbeitnehmers. Eine fristgerechte Kündigung aber sei wirksam – vor allem wegen der „quasi betriebsöffentlichen Textnachrichten“, der „äußerst groben“ Beleidigung und Bedrohung des unmittelbaren Chefs („Diesen kleinen scheisshaufen mache ich kaputt“). „Die Kraftausdrücke und Schmähungen sind in ihrer Derbheit kaum noch steigerungsfähig“, so das Arbeitsgericht.
- Nicht ganz so fatale Folgen haben kritische Äußerungen von Arbeitnehmern, die nicht die Schwelle zur Beleidung überschreiten: Ein Altenpfleger und eine Familienpflegerin waren in der Probezeit entlassen worden, nachdem sie sich arbeitsunfähig gemeldet hatten. Auf Facebook tauschten sie sich anschließend darüber aus: „Quizfrage: was passiert beim (…), wenn man nicht der meinung des egozentrischen chef ist und dann auch noch die frechheit besitzt dazu zu stehen?“ „Man wird gekündigt, per telefon. armseliger Saftladen und arme pfanne von chef. Hat noch nicht mal den Arsch in der Hose selbst anzurufen.“ „Nun wird er eben den sturm ernten. Man verarscht mich nicht und die pfeife schon gar nicht.“ „Ich liebe meinen Job auch total, hat aber nix mit diesem Drecksladen zu tun. Den Job kannst du überall ausüben. Aber dieser laden wird es nich bereuen das mit uns abgezogen zu haben auf diese Art und Weise)“. Der ambulante Pflegedienst zog vor Gericht, damit es die Gekündigten unterlassen, die Ereignisse in dieser herabwürdigenden Form zu kommentieren. Doch das Arbeitsgericht Bochum sah das anders: Der Eintrag sei vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt und „noch zulässig“. Die Äußerungen in einem privaten Internet-Gespräch seien nur für einen überschaubaren Kreis von Facebook-Freunden, also nicht öffentlich zugänglich gewesen, heißt es im Urteil. Die beiden hätten darauf vertrauen können, dass sie nicht nach außen gelangen. „Insbesondere dann, wenn die Äußerungen im Zusammenhang mit einer Entlassung und Lohnrückständen stehen, ist es dem Arbeitnehmer zu verzeihen, wenn er emotional reagiert und die Wortwahl drastisch ausfällt.“ Das Arbeitsgericht Bochum lehnte einen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers ab (ArbG Bochum, Urteil vom 09.12.2012, Az.: 3 Ca 1203/11).
- Bei Azubis müssen vor einer Kündigung unter Umständen mildere Mittel wie eine Abmahnung oder ein Personalgespräch in Erwägung gezogen werden. Dies urteilte das Arbeitsgericht Bochum in einem Fall, wo ein Azubi unter der Rubrik Arbeitgeber „menschenschinder & ausbeuter Leibeigener – Bochum daemliche scheisse fuer mindestlohn – 20 % erledigen“ geschrieben hatte. Die Richter hielten die daraufhin fristlos ausgesprochene Kündigung für unwirksam (ArbG Bochum, Urteil vom 29.03.2012, Az.: 3 Ca 1283/11). Doch in der nächsten Instanz gab das LAG Hamm dem Arbeitgeber recht: Nach Auffassung der Richter ist die fristlose Kündigung des Ausbildungsverhältnisses wirksam. Das LAG sah diese Äußerungen – ebenso wie das Arbeitsgericht – als Beleidigung des Ausbilders an. Der Auszubildende habe nicht annehmen dürfen, dass diese Äußerungen keine Auswirkungen auf den Bestand des Ausbildungsverhältnisses haben würden. Die Äußerung sei einer Vielzahl von Personen zugänglich gewesen. Auch die Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses stünden der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung nicht entgegen, da der Kläger bei Zugang der Kündigung bereits 26 Jahre alt war. (LAG Hamm, Urteil vom 10.10.2012, Az.: 3 Sa 644/12).