Schweigen ist golden – vor allem für den Betriebsrat
Sie als Betriebsrat sind wie ein Arzt oder Rechtsanwalt: jemand, dem man vertraut. Das dürfen Sie nie aufs Spiel setzen – sonst waren Sie es die längste Zeit. Erste Regel dafür: nichts ausplaudern!
Vertrauen zu Ihnen als Betriebsrat
Geschäftsführung Betriebsrat. Betriebsratsarbeit ist vor allem Vertrauensarbeit. Ihre Kollegen müssen sich darauf verlassen können, dass Sie das, was sie Ihnen mitteilen, nicht anderen gegenüber breittreten. Als Betriebsrat mit entsprechendem Vertrauensbonus erfahren Sie naturgemäß viel über sehr persönliche Dinge und Situationen Ihrer Kollegen.
Als Betriebsrat sind Sie die gewählte Interessenvertretung Ihrer Belegschaft. Deshalb gilt Ihre erste Verpflichtung den. Es versteht sich also von selbst, dass Sie persönliche Informationen vertraulich behandeln müssen. Egal, ob Krankheit, Sucht, private Probleme, eine Kündigungsandrohung – alles, was Sie von oder über Kollegen erfahren und worüber Sie in Sitzungen beraten, gehört nicht an die Betriebsöffentlichkeit, von der allgemeinen Öffentlichkeit ganz zu schweigen.
Zu persönlichen Geheimnissen von Kollegen und Stellenbewerbern, über die Sie als Betriebsrat Stillschweigen bewahren müssen, gehören beispielsweise:
- Vorstrafen,
- Angaben zu Vermögensverhältnissen,
- schlechte Beurteilungen,
- Kündigungen vorheriger Arbeitgeber,
- alle aus Bewerbungsunterlagen oder Personalakte ersichtlichen Informationen.
Kampf gegen Industriespionage
Nur 34 Prozent der Unternehmen hatten 2017 Firmen- oder Betriebsgeheimnisse eindeutig als solche gekennzeichnet oder klassifiziert – vier Prozentpunkte weniger als noch zwei Jahre zuvor, wie eine Untersuchung ergab:
Wichtig für Ihren Arbeitgeber: er muss sicher sein können, dass Sie bestimmte Informationen, die er mit Ihnen als Betriebsrat teilt, nicht an Dritte, egal ob im oder außerhalb des Unternehmens, weitergeben. Leider ist das allzu oft nicht der Fall. Unternehmen werden ausspioniert vorzugsweise über geschwätzige Mitarbeiter und Mitglieder von Betriebsräten. Das gelingt laut einer Untersuchung des Bundeskriminalamtes oft bereits durch eine einfache legale Gesprächsabschöpfung, bei der Ausforscher betriebsinterne Informationen unbedachten Mitarbeitern entlocken. Sie erfinden beispielsweise falsche Tatsachen und nutzen Eigenschaften wie Hilfsbereitschaft, Angst, Respekt oder Vertrauen der Mitarbeiter des auszuspähenden Unternehmens aus, um unberechtigt an unternehmensinterne Informationen zu gelangen. Fehlende Sensibilisierung der Mitarbeiter für die Gefahren eines unbewussten Informationsabflusses sowie fehlende firmeninterne Sanktionierung im Falle absichtlicher Weitergabe von geheimem Know-how erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen ausgeforscht wird. Sie sollten als Betriebsrat ruhig des Öfteren beispielsweise mit einem Rundschreiben bei einem aktuellen Anlass Ihre Kollegen an die Schweigepflicht erinnern.
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
Betriebsgeheimnisse liegen in der Regel auf technischem Gebiet. Hierunter können z. B. fallen:
- Herstellungsverfahren
- Konstruktionszeichnungen
- Unterlagen über neue technische Verfahren
- Modelle
- Versuchsprotokolle
- chemische Formeln
- Rezepturen etc.
Geschäftsgeheimnisse betreffen Tatsachen und Erkenntnisse von wirtschaftlicher oder kaufmännischer Bedeutung. Das können z. B. sein:
- Kalkulationsunterlagen
- Kundenlisten und -karteien
- Planungen
- Bezugsquellen
- Liquidität des Unternehmens
- getätigte oder beabsichtigte Vertragsabschlüsse
Schweigepflicht für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
Die Schweigepflicht des Betriebsrats regelt § 79 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Danach sind Sie als Betriebsratsmitglied verpflichtet, Ihnen bekannte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht zu offenbaren oder zu verwerten, soweit Ihr Arbeitgeber diese Informationen ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet hat. Nach dieser Vorschrift kann Ihr Arbeitgeber sogar Schadensersatzansprüche gegen Sie geltend machen. Haben Sie vorsätzlich Ihre Schweigepflicht als Betriebsrat verletzt, ist dies gemäß § 120 BetrVG strafbar. Allerdings würde die Staatsanwaltschaft in diesen Fällen nur auf Antrag Ihres Arbeitgebers, nicht aber von sich aus tätig.
Sanktionen bei Verletzung der Schweigepflicht
Was passiert, wenn Sie als Betriebsrat Ihre Schweigepflicht verletzen? Zunächst hat Ihr Arbeitgeber Anspruch auf Unterlassung. Diesen kann er gerichtlich durchsetzen. Haben Sie Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse offenbart, darf Ihr Arbeitgeber Sie außerdem von geheimhaltungsbedürftigen Informationen ausschließen. Und zwar solange, bis Sie ihm eindeutig erklären, die Verschwiegenheitspflicht künftig zu beachten. Haben Sie sie gar grob verletzt, können Sie aus dem Betriebsrat ausgeschlossen oder Ihnen außerordentlich gekündigt werden. Letzteres geht aber nur, wenn Sie mit Ihrer Schweigepflicht zugleich arbeitsvertragliche Pflichten verletzt haben, so dass eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar wäre.
Schweigepflicht unter Betriebsräten
Die Verschwiegenheitspflicht innerhalb des Betriebsrats kommt insgesamt nur selten zum Tragen, vor allem wenn es um Infos geht, die Sie von der Geschäftsleitung erhalten haben. Die meisten Ihnen bekannten Tatsachen können – und müssen! – Sie ja der Belegschaft ohne Bedenken mitteilen. Je mehr Fakten Sie kennen, desto besser können Sie Ihre Aufgabe den Kollegen gegenüber erfüllen. Was aber, wenn diese Informationen gar nicht so geheim sind, wie getan wird? Manches pfeifen schon die Spatzen von den Dächern, ist unter vielen Arbeitnehmern schon bekannt. Dann stellt diese Information kein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis mehr dar und Sie als Betriebsrat können sie auch weiterverbreiten, ohne irgendwelche Folgen daraus befürchten zu müssen.
Angebliche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
Ähnliches gilt für die angeblichen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die meist keine sind. Sie zitieren zwar Patente, Kundenlisten, Kalkulationsunterlagen, Konstruktionszeichnungen, Rezepturen, wichtigen Verträge, Daten zur Auftragslage oder Liquidität sowie Umsatzzahlen, aber das in so allgemeiner Form, dass eine weitere Kommunikation kaum Schaden anrichten kann. Wer aber bestimmt, ob es nun ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis war? Das kann Ihr Arbeitgeber nicht willkürlich festlegen. Er muss nachweisen:
- ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung,
- die objektive Geheimhaltungsbedürftigkeit der Informationen,
- dass er die Informationen zuvor ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet hat; „vertraulich“ reicht da nicht aus.
Im Gremium gibt es keinen Maulkorb
Auf jeden Fall kann ein betroffenes Mitglied jederzeit Rücksprache mit den anderen Mitgliedern des Gremiums halten. Diesen gegenüber gilt die Pflicht zur Vertraulichkeit niemals. Die Schweigepflicht geht damit auf alle Mitglieder über. Vertraulichkeit bleibt gleichwohl eine Gratwanderung für jedes Betriebsratsmitglied. Deswegen:
- Entscheiden Sie auch nach Dringlichkeit, ob Sie eine Information an die Belegschaft weitergeben. Z. B. bei geplanter Stilllegung von Betriebsteilen die betroffenen Arbeitnehmer schnell informieren!
- Könnten dem Betriebsrat oder Arbeitnehmern Nachteile aus einer Geheimhaltung erwachsen? Wenn eher unwahrscheinlich, kann Vertraulichkeit vertretbar sein.
- Ist Vertraulichkeit im Sinne der Sache, z.B. in einer Verhandlung?
- Wird eventuell durch die vertrauliche Behandlung das Vertrauen anderer Betriebsratsmitglieder in Frage gestellt, weil sie erst später über einen wichtigen Tatbestand informiert werden?
Inhalte und Ablauf von Betriebsratssitzungen
Behandeln Sie Inhalte und Ablauf von Betriebsratssitzungen vertraulich? Manche ja, manche nein. Seltene echte Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und vertrauliche personelle Angelegenheiten müssen Sie vertraulich behandeln. Sonst gibt es keine Pflicht dazu bei Inhalten: Sie werden oft sogar Ihren Kollegen in der Belegschaft über die Sitzungen berichten, allein schon um deren Interesse am Betriebsrat zu erhalten. Wenn Sie das tun, dann aber bitte um Gottes Willen keine personenbezogenen Daten nennen – auch nicht anonymisiert; das lässt sich ohnehin meistens zurückverfolgen! Auch bei Angelegenheiten mit Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit des Betriebsrats: Stillschweigen! Hier kann man sich darauf einigen, beispielsweise Vorgehensweisen, Verhandlungsstrategien, Kompromisslinien nicht im Vorfeld von Betriebsvereinbarungsverhandlungen bekannt zu machen.
Das bleibt unter uns!
Was aber, wenn ein Arbeitgebervertreter von Ihnen als Betriebsratsmitglied verlangt: „Das bleibt aber jetzt unter uns!“ Beziehen Sie klar Stellung! Die Themen werden auch in der Betriebsratssitzung diskutiert. Andere Mitglieder erfahren also sowieso auch davon im Betriebsrat – und sonst niemand.