Sachgrundlose Befristungen mit schwerwiegenden Auswirkungen
Das Bundesverfassungsgericht hat am 6. Juni 2018 zu sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen einen Beschluss gefasst. Schon vorher legten die beiden die Bundesregierung tragenden Bundestagsfraktionen im Koalitionsvertrag fest, solchen Befristungen einen Riegel vorzuschieben. Einem Medienbericht zufolge werden aber sogar beim Bund selbst weiterhin Tausende Mitarbeiter ohne konkreten Grund befristet beschäftigt. Ein Großteil von ihnen ist beim BAMF tätig. Dort wirkt sich nun das Verbot der sachgrundlosen Befristung über zwei Jahre hinaus besonders hart aus.
Leitsätze des Gerichts
Zuerst möchten wir den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (1 BvL 7/14 und 1 BvR 1375/14) vom 6.6.2018 in seinen Leitsätzen für unsere Leser veröffentlichen. Sie lauten:
- Die gesetzliche Beschränkung befristeter Beschäftigungsformen und die Sicherung der unbefristeten Dauerbeschäftigung als Regelbeschäftigungsform trägt der sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden Pflicht des Staates zum Schutz der strukturell unterlegenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und dem Sozialstaatsprinzip der Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG Rechnung.
- Die mit einer Beschränkung der sachgrundlosen Befristung auf die erstmalige Beschäftigung bei dem jeweiligen Arbeitgeber einhergehende Beeinträchtigung der individuellen Berufsfreiheit ist insoweit gerechtfertigt, als es ihrer für den Schutz vor der Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung einer strukturellen Unterlegenheit und zur Sicherung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses als Regelfall bedarf.
- Richterliche Rechtsfortbildung darf den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht übergehen und durch ein eigenes Regelungsmodell ersetzen.
Schwerwiegende Auswirkungen auf die Bundesregierung
Die Bundesregierung beschäftigt nach eigenen Angaben derzeit etwa 7900 Mitarbeiter mit befristeten Arbeitsverträgen, ohne dabei einen konkreten Sachgrund festgelegt zu haben. Damit nutzt sie das Instrument der sachgrundlosen Befristung bei mehr als der Hälfte aller ihrer Befristungsfälle. So berichteten mehrere Zeitungen unter Berufung auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Frage des FDP-Abgeordneten Otto Fricke.
Allein im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums waren Ende Januar 4541 von insgesamt 5595 befristet beschäftigten Mitarbeitern ohne sachlichen Grund befristet tätig. Das sind mehr als 80 Prozent. Laut Koalitionsvertrag der Bundestagsfraktionen von Union und SPD sollen aber künftig in Betrieben mit mehr als 75 Beschäftigten nur noch höchstens 2,5 Prozent der Mitarbeiter ohne Sachgrund befristet beschäftigt werden können. Anspruch und Wirklichkeit klaffen damit weit auseinander.
Was ist möglich?
Aktuell ist die Befristung eines Arbeitsvertrags ohne „sachlichen Grund“ für eine Dauer von zwei Jahren zulässig. Innerhalb dieses Zeitraums kann ein befristeter Arbeitsvertrag höchstens dreimal verlängert werden. Tarifverträge können Abweichungen vorsehen.
Der erworbene Fachverstand wird nun dringend benötigt
Vor kurzem wies die „Bild“-Zeitung auf ein Schreiben der BAMF-Präsidentin Cordt vom 22. Mai 2018 hin, wonach der Behörde 1937 unbefristete Stellen zur Verfügung stünden. Weitere rd. 3200 Mitarbeiter arbeiteten in einem – sachgrundlos – befristeten Arbeitsverhältnis. Diese Stellen zu entfristen, sei aufgrund der Haushaltsvorgaben leider nicht möglich gewesen. Der Personalbedarf im BAMF könne aber allein durch die „Dauerstellen“ nicht gedeckt werden. Die befristeten Posten müssten wegen der auslaufenden Zweijahresfrist neu besetzt werden. Es komme daher zu der bedauerlichen Situation, erfahrene Mitarbeitende nicht weiterbeschäftigen zu können, obwohl in ihren Tätigkeitsfeldern gegenwärtig dringender Bedarf bestehe. Nun würden neue befristete Arbeitsmöglichkeiten ausgeschrieben.