11.01.2018

Ruhezeit innerhalb eines Siebentageszeitraums

Der EuGH hat entschieden, dass die wöchentliche Ruhezeit für Arbeitnehmer nicht zwingend an dem auf sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen folgenden Tag gewährt werden muss und dass daher ein Arbeitnehmer unter Umständen bis zu zwölf Tage am Stück arbeiten kann. Das wäre zulässig, wenn der erste Ruhetag zu Beginn der ersten Arbeitswoche genommen wird und der nächste am Ende der zweiten Arbeitswoche (EuGH vom 9.11.2017 – C-306/16).

Ruhezeit

Ein Beispiel aus der Praxis

In einer Presseerklärung vom 9.11.2017 (Nr. 115/2017) teilte der Europäische Gerichtshof mit, dass die wöchentliche Ruhezeit für Arbeitnehmer nicht notwendigerweise an dem auf sechs aufeinanderfolgende Arbeitstage folgenden Tag gewährt werden muss, sondern an einem beliebigen Tag innerhalb jedes Siebentageszeitraums gewährt werden darf.

Im konkreten Fall hatte der Beschäftigte in einem Casino in Portugal gearbeitet. Das Casino ist mit Ausnahme des 24. Dezember täglich vom Nachmittag bis zum folgenden Morgen geöffnet. Während der Jahre 2008 und 2009 arbeitete der Arbeitnehmer manchmal an sieben aufeinanderfolgenden Tagen. Ab 2010 änderte das Casino die Organisation der Arbeitszeiten, sodass die Beschäftigten an nicht mehr als sechs aufeinanderfolgenden Tagen arbeiteten. Nach der Beendigung seines Arbeitsvertrags im März 2014 erhob der Beschäftigte Klage gegen seinen Arbeitgeber, um im Wesentlichen feststellen zu lassen, dass die Gesellschaft ihm die Pflichtruhetage, auf die er nach seiner Auffassung Anspruch hatte, nicht gewährt habe. Er forderte insoweit Entschädigungszahlungen entsprechend der Vergütung der gearbeiteten Überstunden.

Nach der Arbeitszeitrichtlinie hat jeder Arbeitnehmer pro Siebentageszeitraum Anspruch auf eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden zuzüglich der täglichen Ruhezeit von elf Stunden. Das Tribunal da Relação do Porto (Berufungsgericht Porto) hat Zweifel in Bezug auf die Auslegung der Richtlinie und möchte vom EuGH wissen, ob die kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden, auf die ein Arbeitnehmer Anspruch hat, spätestens an dem Tag gewährt werden muss, der auf einen Zeitraum von sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen folgt.

Entscheidung des EuGH

In seinem jetzigen Urteil erklärt der Gerichtshof, dass das Unionsrecht nicht verlangt, dass die wöchentliche Mindestruhezeit spätestens an dem Tag gewährt wird, der auf einen Zeitraum von sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen folgt, sondern nur, dass sie innerhalb jedes Siebentageszeitraums gewährt wird.

Begründung

Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass die Wendung „pro Siebentageszeitraum“ keinerlei Verweisung auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten enthält und somit ein autonomer Begriff des Unionsrechts ist, der einheitlich ausgelegt werden muss. Dann nimmt der Gerichtshof eine Analyse von Wortlaut, Zusammenhang und Ziele in der Richtlinie vor. Zum Wortlaut führt er aus, dass sich aus dem Text der Richtlinie selbst ergibt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, zu gewährleisten, dass jedem Arbeitnehmer während eines Siebentageszeitraums eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden (zuzüglich der täglichen Ruhezeit von elf Stunden) zur Verfügung steht, dass aber darin nicht festgelegt wird, zu welchem Zeitpunkt diese Mindestruhezeit zu gewähren ist.

Was den Zusammenhang betrifft, in dem die Wendung „pro Siebentageszeitraum“ verwendet werde, sei festzustellen, dass dieser Zeitraum als Bezugszeitraum angesehen werden könne, d.h. als ein fester Zeitraum, innerhalb dessen eine bestimmte Anzahl aufeinanderfolgender Ruhestunden zu gewähren sei, unabhängig von dem Zeitpunkt, zu dem diese Ruhestunden gewährt werden.

Ermessensspielraum für Arbeitnehmer

Im Hinblick auf das Ziel der Richtlinie schließlich erinnert der Gerichtshof daran, dass sie den Zweck verfolgt, die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer wirksam zu schützen. Jedem Arbeitnehmer müssen also angemessene Ruhezeiten zur Verfügung stehen. Allerdings lässt die Richtlinie für ihre Umsetzung eine gewisse Flexibilität zu und räume somit den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Festsetzung des Zeitpunkts, zu dem diese Mindestruhezeit zu gewähren sei, ein Ermessen ein. Diese Auslegung könne auch dem Arbeitnehmer zugutekommen, da sie es erlaube, ihm am Ende eines und am Anfang des darauf folgenden Bezugszeitraums mehrere aufeinanderfolgende Ruhetage zu gewähren.

Schließlich stelle die Richtlinie nur Mindestnormen für den Schutz des Arbeitnehmers im Rahmen der Arbeitszeitgestaltung auf. Die Mitgliedstaaten dürften also für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anwenden oder erlassen oder die Anwendung von für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigeren Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern fördern oder gestatten.

Autor*in: Werner Plaggemeier (langjähriger Herausgeber der Onlinedatenbank „Personalratspraxis“)