Religionszugehörigkeit muss eine wesentliche Stellenanforderung auch im Kircharbeitsrecht sein
Eine konfessionslose Frau, deren Bewerbung für eine Stelle bei einem Werk der Evangelischen Kirche aufgrund der Religion abgelehnt wurde, hat einen Anspruch auf Entschädigung wegen Benachteiligung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Das entschied das Bundesarbeitsgericht am 25.10.2018 – 8 AZR 501/14. Sowohl der EuGH, der sich zuvor mit der Angelegenheit befasste, als auch das BAG halten es für rechtens, dass eine Religionszugehörigkeit nur zur Bedingung von Einstellungen gemacht werden könne, wenn das für die konkrete Tätigkeit objektiv geboten sei.
Streitpunkt: Geforderte Religionszugehörigkeit
Die Parteien stritten über die Zahlung einer Entschädigung wegen einer Benachteiligung im Sinne des AGG (Religionszugehörigkeit). Ein Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland schrieb am 25.11.2012 eine auf zwei Jahre befristete Stelle eines Referenten/einer Referentin (60 %) aus. Gegenstand der Tätigkeit sollten schwerpunktmäßig die Erarbeitung des Parallelberichts zum deutschen Staatenbericht zur Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention durch Deutschland, Stellungnahmen, Fachbeiträge und die projektbezogene Vertretung der Diakonie Deutschland gegenüber der Politik, der Öffentlichkeit und Menschrechtsorganisationen sowie die Mitarbeit in Gremien sein. Der Parallelbericht sollte in Beratung mit Menschenrechtsorganisationen und weiteren Interessenträgern erstellt werden. In der Stellenausschreibung heißt es ferner:
„Die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag setzen wir voraus. Bitte geben Sie Ihre Konfession im Lebenslauf an.“
Konfessionslose Bewerberin fühlte sich benachteiligt
Die konfessionslose Klägerin bewarb sich mit Schreiben vom 29.11.2012 auf die Stelle. Sie wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Der Beklagte besetzte die Stelle mit einem evangelischen Bewerber. Die Klägerin verlangte mit ihrer Klage die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von mindestens 9.788,65 Euro. Sie war der Ansicht, der Beklagte habe sie entgegen den Vorgaben des AGG wegen der Religion benachteiligt. Sie habe die Stelle wegen ihrer Konfessionslosigkeit nicht erhalten. Der Beklagte stellte eine Benachteiligung der Klägerin wegen der Religion in Abrede; jedenfalls sei die Benachteiligung nach § 9 Abs. 1 AGG gerechtfertigt.
Das Arbeitsgericht hatte der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 1.957,73 Euro zugesprochen. Das Landesarbeitsgericht hatte die Klage insgesamt abgewiesen.
Das BAG hat der Revision der Klägerin teilweise stattgegeben. Der Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 3.915,46 Euro zu zahlen.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts
Nach Auffassung des BAG hat der Beklagte die Klägerin wegen der Religion benachteiligt. Diese Benachteiligung sei nicht nach § 9 Abs. 1 AGG ausnahmsweise gerechtfertigt gewesen. Eine Rechtfertigung der Benachteiligung nach § 9 Abs. 1 Alternative 1 AGG scheide aus. § 9 Abs. 1 Alternative 1 AGG sei einer unionsrechtskonformen Auslegung im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG nicht zugänglich und müsse deshalb unangewendet bleiben. Die Voraussetzungen für eine Rechtfertigung nach § 9 Abs. 1 Alternative 2 AGG lägen nicht vor. Nach § 9 Abs. 1 Alternative 2 AGG – in unionsrechtskonformer Auslegung – sei eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion nur zulässig, wenn die Religion nach der Art der Tätigkeiten oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Religionsgemeinschaft bzw. Einrichtung darstelle.
Berufliche Anforderung verlangt nicht die Religionszugehörigkeit
Vorliegend bestünden erhebliche Zweifel an der Wesentlichkeit der beruflichen Anforderung. Jedenfalls sei die berufliche Anforderung nicht gerechtfertigt, weil im konkreten Fall keine wahrscheinliche und erhebliche Gefahr bestanden habe, dass das Ethos des Beklagten beeinträchtigt würde. Dies folge im Wesentlichen aus dem Umstand, dass der jeweilige Stelleninhaber/die jeweilige Stelleninhaberin – wie auch aus der Stellenausschreibung ersichtlich – in einen internen Meinungsbildungsprozess beim Beklagten eingebunden gewesen sei und deshalb in Fragen, die das Ethos des Beklagten betrafen, nicht unabhängig habe handeln können. Der Höhe nach sei die Entschädigung auf zwei Bruttomonatsverdienste festzusetzen gewesen.