21.06.2017

Rechte durchsetzen: Selbsthilfe für Betriebsräte

Was tun, wenn sich der Arbeitgeber einfach über die Rechte von Betriebsrat und Arbeitnehmern hinwegsetzt? Eine Möglichkeit ist natürlich der Gang vor Gericht. Allerdings dauert es mitunter Jahre, bis hier Entscheidungen fallen. In der Zwischenzeit haben Arbeitgeber oft schon Tatsachen geschaffen. Doch es gibt auch andere Formen der Gegenwehr.

Rechte durchsetzen

Das Problem vieler Betriebsräte: Sie wissen, dass sie im Recht sind. Ungewiss ist aber, ob sie sich vor Gericht durchsetzen können. Weil zudem jedes Gerichtsverfahren für einen Betriebsrat sehr zeitaufwändig ist, gilt es andere Formen des Widerstandes zu finden.

Dort sein, wo die Probleme sind

Wenn Arbeitgeber Veränderungen gegen den Willen des Betriebsrats vornehmen wollen, heißt es Präsenz zeigen. Entweder persönlich, etwa indem der Betriebsrat in betroffenen Abteilungen Versammlungen abhält, Arbeitnehmer befragt und an Informationsständen Auskunft gibt. Möglich ist aber auch mediale Präsenz: Durch Aushänge, E-Mail-Rundschreiben und Flugblätter bleibt das Thema auf der Tagesordnung und der Betriebsrat verhindert, dass der Arbeitgeber einfach weitermachen kann. Halten Sie das Thema auch in der Kommunikation mit dem Arbeitgeber immer aktuell:

Kommen Sie bei allen Gelegenheiten darauf zu sprechen, unter anderem in den Arbeitgebergesprächen. Ob das im Einzelnen Erfolg bringt, ist nicht entscheidend. Hauptsache der Arbeitgeber bemerkt, dass er den Betriebsrat nicht übergehen kann. Und wirken die Maßnahmen in der aktuellen Situation nicht, wird es vielleicht beim nächsten Mal das Vorgehen des Arbeitgebers beeinflussen.

Inhaltliche Präsenz zeigen

Schalten Sie sich auch in die Meinungsbildung auf der Arbeitgeberseite ein. Denn nur selten sehen sich Betriebsräte einem Bollwerk mit einer festgefügten Meinung gegenüber, wie dies früher oft der Fall war. Heute ist die Leitung eines Unternehmens mehr denn je ein Mannschaftsspiel mit mehreren Geschäftsführern, Leitern wichtiger Unternehmensbereiche, operativ tätigen Gesellschaftern und auch externen Beratern. In diesem „Spiel“ kann der Betriebsrat eine wichtige Rolle einnehmen, sofern er sich in die Materie eingearbeitet hat. Er kann selbstständig Lösungen entwickeln, haltlose Argumente entkräften und gezielt jene Meinungen unterstützen, die auch die Interessen der Arbeitnehmer und des Betriebsrats berücksichtigen.

Da dies eine zeitaufwändige Aufgabe ist, einigen Sie sich innerhalb des Betriebsrats besser auf Schwerpunkte:

  • Bei welchen Themen lohnt sich inhaltliche Präsenz (Einarbeitung in die Materie, Beteiligung an der Meinungsbildung auf Arbeitgeberseite)?
  • Welches Betriebsratsmitglied arbeitet sich in die Themen ein und welche Unterstützung benötigt es dazu (z.B. Wirtschaftsausschuss, externe Berater, Freistellung von anderen Aufgaben)?

Mobilisierung der Arbeitnehmer

Auch die Mobilisierung der Arbeitnehmer wird durch einen präsenten Betriebsrat erleichtert. Dieser erklärt beispielsweise Arbeitnehmern, was im Betrieb geschieht und welche negativen Folgen das für sie hat. Transportieren Sie das Thema deshalb auch über die Betriebsversammlung.

Und wenn der Betriebsrat in die Abteilungen geht, Arbeitnehmer anspricht und Informationen weitergibt, werden diese sich auseinandersetzen und sich eine Meinung bilden. Da ist ein „Nein“ zur Haltung des Betriebsrats allemal besser als „egal“.

Verhalten öffentlich machen

Wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat herabsetzt oder ignoriert und seine Rolle als Betriebspartei missachtet, wird dieses inakzeptable Verhalten oft verschwiegen. Der Grund: die Betriebsratsmitglieder fürchten Schaden für ihr Ansehen bei den Arbeitnehmern, wenn diese wissen, wie der Abeitgeber mit ihnen umspringt. Davon wiederum profitiert der Arbeitgeber, denn der Betriebsrat schwächt sich mit diesem Verhalten selbst. Stattdessen gilt gegenüber einem Arbeitgeber mit destruktiven Verhaltensweisen das Motto „Je mehr Öffentlichkeit, desto besser“. Benutzen Sie diese aber nicht als Waffe, sondern als unterstützendes Mittel, um wieder zu einer konstruktiven Arbeitsatmosphäre zu gelangen. Kündigen Sie dem Arbeitgeber im ersten Schritt an, dass der Betriebsrat sein Verhalten nicht mehr hinnehmen wird. Damit diese Aussage mehr Gewicht erhält, bietet sich dafür ein Brief an, beispielsweise mit der Formulierung:

„Der Betriebsrat ist nicht mehr gewillt, mit Ihnen auf diese destruktive Weise zusammenzuarbeiten. Wir haben deshalb beschlossen, bei jeder nur denkbaren Möglichkeit Hilfe von außen anzunehmen. Unser Ziel ist es, zu einer konstruktiven Zusammenarbeit zurückzukehren“.

Hinweis

Widerstand funktioniert am besten persönlich. Gehen Sie deshalb in die Betriebsteile, in denen die Probleme bestehen und sprechen Sie mit beteiligten Arbeitnehmern und Führungskräften. Aus den gewonnenen Informationen aus erster Hand erstellen Sie eine Entscheidungsvorlage, die Sie zum Beispiel im Arbeitgebergespräch vortragen.

Den Worten Taten folgen lassen

Der Arbeitgeber wird nicht viel auf diese Ankündigung geben, lassen Sie deshalb Taten folgen:

  • Informieren Sie die Gesellschafter immer wieder über das Verhalten der Arbeitgebervertreter und begründen Sie sachlich, warum es dem Betrieb schadet.
  • Setzen Sie die Arbeitnehmer nach jedem Arbeitgebergespräch oder Vorfall in einer Rundmail detailliert über das Verhalten der Arbeitgebervertreter in Kenntnis.
  • Schreiben Sie Briefe an Betriebsräte und Geschäftsleitungen anderer Unternehmen, mit denen Ihres in Verbindung steht (z.B. mit Lieferanten oder Kundenunternehmen). Schildern Sie Vorkommnisse und fragen Sie um Rat, wie Sie vorgehen können.
  • Natürlich sind auch Gewerkschaften und Pressevertreter nützliche Ansprechpartner, um Öffentlichkeit zu schaffen.

Der Effekt wird sich schnell einstellen, denn die Arbeitgebervertreter werden von allen Seiten befragt: „Warum verhält sich die Geschäftsführung so“ und „Kann man das nicht anders lösen?“ Das bringt die Gegenseite zumindest unter Druck.

Wertschätzend und konstruktiv kommunizieren

Natürlich sollte der Betriebsrat die Machthebel, die ihm das Mitbestimmungsrecht gibt, auch nutzen. Hier ist es aber wichtig, mit dem eigenen Verhalten ein Vorbild abzugeben.

  • Zunächst geht es immer darum, die Gegenseite wertzuschätzen: „Wir erkennen an, dass die Geschäftsführung langfristig die Wettbewerbsfähigkeit des Betriebs sichern will.“
  • Dann werten Sie das Verhalten der Gegenseite: „Wir missbilligen aber, dass die Rechte des Betriebsrats und die Interessen der Arbeitnehmer keine Berücksichtigung finden.“
  • Beschreiben Sie die gewünschte Verhaltensänderung: „Wir möchten erreichen, dass die Arbeitgeberseite konstruktiv mit dem Betriebsrat verhandelt.“
  • Erläutern Sie dann die Maßnahmen, mit denen Sie dies erreichen wollen: „Wir werden der Betriebsvereinbarung zu den neuen Schichtdiensten nicht zustimmen, um den Arbeitgeber zum Einlenken zu bringen.“
  • So ist es in den Augen der Betriebsöffentlichkeit positiv unterlegt, dass Sie Ihre Machtmittel nutzen.

Hinweis

Betriebsräte haben oft Hemmungen, Streitthemen öffentlich zu machen. Sie glauben, es schadet dem Verhandlungsklima, wenn Informationen nach außen dringen. Doch ändern sie mit der prinzipiellen Öffentlichkeit von Verhandlungen und Argumenten nur die Rahmenbedingungen der Konflikte zu Gunsten des Betriebsrats. Daran wird sich die Arbeitgeberseite in der Regel schnell gewöhnen.

Alternativen aufzeigen

Neben dem Widerstand ist es immer auch wichtig, der eigenen Position Ausdruck zu verleihen. So darf der Betriebsrat nicht dabei stehen bleiben, betriebsbedingte Kündigungen oder die Schließung von Betriebsteilen verhindern zu wollen. Damit würden Sie es der Arbeitgeberseite leicht machen, die eigene Position als „alternativlos“ und die des Betriebsrats als „weltfremd“ darzustellen. Deshalb gilt es, mögliche Alternativen konstruktiv darzustellen.

Wie könnte es denn ohne Kündigungen und Schließungen funktionieren? Der Betriebsrat bringt in die Diskussion – unter Umständen unter Mithilfe von externen Beratern – eigene Konzepte ein und setzt die Arbeitgeberseite auch mit Hilfe der gewonnen Öffentlichkeit unter Druck. Der Arbeitgeber muss sich nun rechtfertigen und mit Sachaussagen überzeugen. Das ist oft der erste Schritt zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung.

Persönlich Widerstand leisten

Zeigen Sie Ihren Widerstand auch im direkten Kontakt mit den Arbeitgebervertretern. Hier treffen Sie nicht selten auf selbstbewusste „Alphatiere“, mit denen der Umgang nicht leicht ist. Doch das lässt sich üben:

  • Lernen Sie, sich in Gruppen von Arbeitgebervertretern selbstbewusst alleine zu bewegen. Zeigen Sie Präsenz und geben Sie sich freundlich und offen – anstatt sich z.B. hinter Ihrem Smartphone zu verstecken. Indem Sie Gesprächsbereitschaft signalisieren, zeigen Sie Stärke.
  • Halten Sie nicht mit Ihrem Wissen hinter dem Berg. Unterbrechen Sie durchaus einmal den Vortrag eines Arbeitgebervertreters mit der Frage „Stimmt das denn so?“ und bringen Sie Ihre Informationen vor. Das mag nicht immer höflich erscheinen, wird Ihnen aber den nötigen Respekt verschaffen.
  • Ergreifen Sie das Wort, wenn Sie etwas zu sagen haben. Sind die Betriebsratsmitglieder in der Unterzahl, melden Sie sich umso öfter.
  • Zeigen Sie in den Diskussionen, dass Sie auch in Arbeitgeberkreisen vernetzt sind, z.B. durch Formulierungen wie „Das hat der Personalleiter in unserem gestrigen Treffen bestätigt“.
  • Wenn es Ihnen an Wissen über ein Thema fehlt, fragen Sie die Verhandlungspartner so lange, bis Sie den Sachverhalt verstanden haben. Auch das ist ein Mittel, sich Präsenz zu verschaffen.

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Autor*in: Martin Buttenmüller (ist Journalist und Chefredakteur des Fachmagazins Betriebsrat INTERN.)