Protokollnotiz zu Betriebsvereinbarung kann Anspruch begründen
Protokollnotizen zu einer Betriebsvereinbarung können eine eigenständige Anspruchsgrundlage darstellen. Das geht aus einer Entscheidung des ArbG Paderborn hervor. Im Klartext bedeutet das Urteil, dass sich Arbeitnehmer auf den Inhalt einer Protokollnotiz berufen und diesen einklagen können.
Worum geht es?
Mitbestimmung. In einem Unternehmen unterzeichneten Betriebsrat und Arbeitgeber am 20.03.2017 eine „Protokollnotiz der Betriebsvereinbarung über das variable erfolgsabhängige Einkommen (BaG) vom 04.03.2016“, die u. a. wie folgt lautet:
- Für die Mitarbeiter im Geltungsbereich dieser BV wird für den Zeitraum 01.01. bis 31.03.2017 eine Zielerreichung der BaG-Ziele von 100 % festgelegt. Die Auszahlung (ggf. zeitanteilig gerechnet) für diesen Zeitraum erfolgt mit der Endabrechnung im März 2017.
- Sofern die Zielvorgaben für das Jahr 2017 nicht bis jeweils Mitte des bzw. der Folgequartale vergeben worden sind, wird für die jeweilige Organisationseinheit jeweils ebenfalls eine Zielerreichung der BaG-Ziele von 100 % festgelegt.
Ein Arbeitnehmer erhielt für das erste und zweite Quartal 2017 einen anteiligen BaG-Betrag in Höhe von insgesamt 3.150 €. Mit E-Mail vom 11.08.2017 teilte der Arbeitgeber den Beschäftigten Modifikationen der Zielvorgaben für das dritte Quartal 2017 mit. Eine vorherige Beratung mit dem Betriebsrat hatte nicht stattgefunden. Für das vierte Quartal 2017 erfolgten keine weiteren Zielvorgaben seitens des Arbeitgebers und auch keine Beratungen mit dem Betriebsrat. Weitere BaG-Teilzahlungen für das dritte und vierte Quartal 2017 erhielt der Arbeitnehmer nicht. Deshalb zog er vor Gericht und klagte auf Zahlung weiterer BaG-Teilbeträge für das dritte und vierte Quartal 2017 auf der Grundlage einer angenommenen Zielerreichung von 100 %. Anspruchsgrundlage sei Ziffer 2 der Protokollnotiz vom 20.03.2017 in Verbindung mit der Betriebsvereinbarung vom 04.03.2016.
Das sagt das Gericht
Das Gericht gab der Zahlungsklage statt und sprach dem Arbeitnehmer eine Zahlung in Höhe von 1.575 € zu. Ziffer 2 der Protokollnotiz habe den Rechtscharakter einer Betriebsvereinbarung und stelle dabei grundsätzlich eine eigenständige Anspruchsgrundlage dar. Auch die Anspruchsvoraussetzungen seien erfüllt, weil für das dritte Quartal keine Vergabe bzw. eine nicht ordnungsgemäße Vergabe der Zielvorgaben bis Mitte des dritten Quartals stattgefunden habe. ArbG Paderborn, Urteil vom 31.10.2018, Az.: 4 Ca 858/18 (nicht rechtskräftig)
Das bedeutet für Sie als Betriebsrat
In der betrieblichen Praxis dienen Protokollnotizen zu Betriebsvereinbarungen vor allem der Klarstellung. Die Betriebsparteien nutzen Protokollnotizen z. B. um Ziele zu formulieren, unbestimmte Rechtsbegriffe näher zu erläutern oder gemeinsame Verpflichtungen festzulegen. Darüber hinaus kann eine Protokollnotiz aber eben auch eine durchsetzbare Anspruchsgrundlage darstellen. Protokollnotizen können also unterschiedliche Bedeutungen haben. Sie können
- eine eigenständige normative (normsetzende) Ergänzung der Betriebsvereinbarung sein,
- eine Änderung der Betriebsvereinbarung sein,
- die Bedeutung einer authentischen Interpretation der Betriebsvereinbarung haben oder
- einen Hinweis auf die Motive der Betriebsparteien darstellen.
Wie es sich im Einzelfall verhält, ist erforderlichenfalls durch Auslegung der Protokollnotiz und der von ihr betroffenen Betriebsvereinbarung zu ermitteln (BAG, Urteil vom 09.12.1997, Az.: 1 AZR 330/97). Da für die Auslegung von Protokollnotizen die für Tarifverträge maßgeblichen Auslegungskriterien und damit die Auslegungskriterien von Gesetzen gelten, unterliegt die Auslegung als Rechtsfrage der Beurteilung durch das Gericht.
Hinweis
Das letzte Wort ist im Eingangsfall noch nicht gesprochen, denn beim LAG Hamm ist unter dem Aktenzeichen 4 Sa 1156/18 ein Berufungsverfahren anhängig. Sobald eine Entscheidung gefallen ist, erfahren Sie es hier.