Profitabler Aufhebungsvertrag ist keine Begünstigung für Betriebsrat
Handelt es sich um eine verbotene Begünstigung, wenn ein Arbeitgeber seinem Betriebsratsvorsitzenden das Ausscheiden aus dem Betrieb mit einer sechsstelligen Abfindung und einer über zweijährigen bezahlten Freistellung versüßt? Das BAG hat die Frage mit einem klaren „Nein“ beantwortet.
Worum geht es?
Geschäftsführung Betriebsrat. Ein Beschäftigter war seit 1983 in einer Gießerei angestellt. Seit 2006 bekleidete er das Amt des Betriebsratsvorsitzenden. 2013 kündigte ihm der Arbeitgeber wegen einer schwerwiegenden Pflichtverletzung fristlos. Der Beschäftigte bestritt den Vorwurf. Der Betriebsrat verweigerte der Kündigung seine Zustimmung. Daraufhin beantragte der Arbeitgeber die Ersetzung der Zustimmung beim Arbeitsgericht. Im Juli 2013 schlossen die Parteien außergerichtlich einen Aufhebungsvertrag. Darin wurde u. a. vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2015 endet, der Arbeitnehmer bis dahin bezahlt von der Arbeit freigestellt wird und eine Abfindung in Höhe von 120.000 € erhält. Kurz darauf trat der Beschäftigte vereinbarungsgemäß von seinem Betriebsratsamt zurück. In der Folge reute ihn offenbar sein damaliger Entschluss so sehr, dass er auf Weiterbeschäftigung klagte. Er behauptete, dass sein Arbeitsverhältnis weiter bestehe. Der Aufhebungsvertrag sei nichtig, weil er als Betriebsratsmitglied in unzulässiger Weise begünstigt worden sei im Sinne des § 78 Satz 2 BetrVG. Der Arbeitgeber habe die Abfindung in dieser Höhe nur gezahlt, weil er ein Mitglied des Betriebsrats gewesen sei.
Das sagt das Gericht
Die Erfurter Bundesrichter waren anderer Meinung. Zwar dürften Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit im Betriebsrat weder begünstigt noch benachteiligt werden. Eine solche Begünstigung liege aber regelmäßig nicht vor, wenn ein Betriebsratsmitglied einen Aufhebungsvertrag mit dem Arbeitgeber abschließe. Die günstigere Verhandlungsposition, die ein Betriebsratsmitglied in einem solchen Fall im Gegensatz zu einem Arbeitnehmer ohne Betriebsratsamt habe, sei im für Betriebsräte geltenden Sonderkündigungsschutz begründet. Wenn deshalb der Arbeitgeber beabsichtige, das Arbeitsverhältnis mit einem Betriebsratsmitglied verhaltensbedingt zu kündigen, könne auch eine höhere Abfindungssumme gerechtfertigt sein. BAG, Urteil vom 21.03.2018, Az.: 7 AZR 590/16
Das bedeutet für Sie als Betriebsrat
Betriebsratsmitglieder dürfen gemäß § 78 Satz 2 BetrVG wegen ihres Amtes weder benachteiligt noch begünstigt werden. In der betrieblichen Praxis sind es oftmals hohe Lohnzahlungen an Betriebsratsmitglieder, die ein „Gschmäckle“ hinterlassen und deshalb in der Diskussion stehen, eine unzulässige Betriebsratsbegünstigung zu sein. Geht es hingegen um das Aushandeln der Konditionen eines Aufhebungsvertrages, dürfen Betriebsratsmitglieder von ihrer aufgrund des besonderen Kündigungsschutzes komfortablen Verhandlungsposition profitieren. Ein gut dotierter Aufhebungsvertrag kann deshalb keine Begünstigung sein.
So stellt der Gesetzgeber die Autonomie von Betriebsräten sicher
Der Gesetzgeber gewährleistet die Unabhängigkeit von Betriebsratsmitgliedern vor allem durch folgende Benachteiligungs- und Begünstigungsverbote:
- Betriebsratsmitglieder dürfen wegen ihres Amtes nicht benachteiligt werden, § 78 Satz 2 BetrVG
- Betriebsratsmitglieder dürfen wegen ihres Amtes nicht bevorzugt werden, § 78 Satz 2 BetrVG
- Betriebsratsmitglieder dürfen bei der Vergütung nicht benachteiligt werden, § 37 Abs. 4 BetrVG
- Betriebsratsmitglieder dürfen nach dem Ausscheiden aus dem Amt bei der beruflichen Entwicklung nicht benachteiligt werden, § 37 Abs. 5 BetrVG
- Betriebsratsmitglieder sind ordentlich unkündbar, d. h. ihnen kann nur außerordentlich aus wichtigem Grund nach § 626 Abs. 1 BGB gekündigt werden
Übersicht: Verbotene Begünstigungen nach § 78 Satz 2 BetrVG
- zusätzliche Abfindung neben der Sozialplanabfindung
- sachlich unbegründete tarifliche Höhergruppierung
- Versetzung an einen bevorzugten Arbeitsplatz
- Gewährung zusätzlichen Urlaubs
- Zahlung überhöhter Entschädigungen für Auslagen oder Reisekosten
- unentgeltliche Ferienreisen
- unentgeltliche Bordellbesuche
- Gewährung besonderer Zuwendungen