Pauschalabgeltung von Überstunden per Betriebsvereinbarung unwirksam
Überstunden dürfen pauschal abgegolten werden, sofern die entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag eingrenzt, wie viele der Überstunden nicht gesondert vergütet werden. Welche Spielregeln für eine Pauschalabgeltung in Betriebsvereinbarungen gelten, hat jüngst das BAG entschieden.
Worum geht es?
Mitbestimmung. Ein Gewerkschaftssekretär war laut Arbeitsvertrag verpflichtet, wöchentlich 35 Stunden zu arbeiten. Mit seiner Arbeitgeberin hatte er sich auf Vertrauensarbeitszeit geeinigt. Auf sein Arbeitsverhältnis fanden die in einer Gesamtbetriebsvereinbarung geregelten „Allgemeinen Arbeitsbedingungen für die ver.di-Beschäftigten“ (AAB) Anwendung Darin hieß es u. a.: „Gewerkschaftssekretäre, die regelmäßig Mehrarbeit leisten, erhalten als Ausgleich neun freie Arbeitstage im Kalenderjahr.“ Eine darüber hinausgehende Überstundenvergütung war nicht vorgesehen. In den Arbeitsverträgen der anderen Beschäftigten gab es eine Überstundenregelung, wonach für jede geleistete Überstunde Anspruch auf einen Freizeitausgleich von einer Stunde und achtzehn Minuten (= 30 % Überstundenzuschlag) oder auf eine entsprechende Überstundenvergütung besteht. Der Gewerkschaftssekretär forderte von der Arbeitgeberin die Zahlung von rund 9.300 € für 250 Überstunden. Die Arbeitgeberin verweigerte die Zahlung mit dem Argument, dass sämtliche Überstunden gemäß der Regelung in der Betriebsvereinbarung durch die neun Ausgleichtage abgegolten seien.
Das sagt das Gericht
Das BAG war anderer Meinung. Eine Pauschalvergütung für Überstunden von Gewerkschaftssekretären sei unwirksam. Die entsprechende Klausel in den AAB verstoße gegen das Gebot der Normenklarheit. Für Beschäftigte sei nicht klar ersichtlich, wann regelmäßige Mehrarbeit vorliege und wann nicht. Die Regelung entspreche zudem nicht den Anforderungen des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Eine wie auch immer geartete „Regelmäßigkeit“ von Überstunden sei kein taugliches Kriterium zur Differenzierung dafür, ob die Vergütung von Überstunden pauschal oder aber genau nach den tatsächlich geleisteten Überstunden gezahlt werde. Der Gewerkschaftssekretär habe dem Grundsatz nach einen Anspruch auf Vergütung der Mehrarbeitsstunden zuzüglich des in den AAB für alle anderen Beschäftigten vorgesehenen Zuschlags in Höhe von 30 Prozent. Da anhand der bisher getroffenen Feststellungen über die Höhe der Überstundenvergütung nicht entschieden werden könne, sei das Verfahren an die Vorinstanz zurückzuverweisen, die nun die tatsächliche Anzahl der Überstunden feststellen müsse. BAG, Urteil vom 26.06.2019, Az.: 5 AZR 452/18
Das bedeutet für Sie als Betriebsrat
Merken Sie sich im Zusammenhang mit der Vergütung von Überstunden Folgendes: Eine pauschale Regelung zur Abgeltung von Überstunden in einer Betriebsvereinbarung muss hinreichend klar bestimmt sein und den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz beachten.
Hinweis: Als Betriebsrat gegen Willkür vorgehen
Der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet die Betriebsparteien, darüber zu wachen, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz eingehalten wird und nicht einzelne Beschäftigten oder Beschäftigtengruppen willkürlich benachteiligt werden.
Vertrauensarbeitszeit schließt Überstundenabgeltung nicht aus
Mit diesem Urteil bringt das BAG Bewegung in die Debatte um die Vergütung von Überstunden bei Vertrauensarbeitszeit. Denn die Entscheidung deutet darauf hin, dass die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit allein nicht dazu führt, dass bereits dem Grunde nach kein Anspruch auf Vergütung bzw. Ausgleich etwaiger Überstunden besteht. Anderenfalls hätten die Erfurter Bundesrichter angesichts der vereinbarten Vertrauensarbeitszeit keine grundsätzliche Vergütungspflicht für Überstunden angenommen.