24.11.2016

Entsendung ins Ausland: Sie als Betriebsrat helfen, Fallstricke zu vermeiden

Gerade in exportorientierten Betrieben erhalten Arbeitnehmer häufiger das Angebot, für eine bestimmte Zeit im Ausland zu arbeiten. Das scheint auf den ersten Blick verlockend, es winken zusätzliche Geld- und Sachleistungen und Berufserfahrungen, die der Karriere nützen können. Doch in der konkreten Ausgestaltung der Entsendung liegen einige Fallstricke verborgen.

Entsendung Ausland

Mitbestimmung. Eine Entsendung bedeutet, dass ein Arbeitnehmer vom inländischen an einen ausländischen Arbeitsort wechselt. Entsprechend liegt eine Entsendung immer dann vor, wenn der Mitarbeiter vom Arbeitgeber die Weisung erhält, im Ausland eine Beschäftigung für ihn auszuüben. Auch dann, wenn ein Arbeitnehmer im Inland extra für eine Tätigkeit im Ausland angeworben, also neu eingestellt wird, gilt dies als Entsendung.

Was ist eine Entsendung genau?

In jedem Fall muss eine Entsendung zeitlich begrenzt sein, entweder durch die Art der Beschäftigung (Abwicklung eines Projekts) oder durch eine – vor der Entsendung genau festgelegte – schriftliche Vereinbarung. Wie lange eine Entsendung dauern darf, ist im Einzelfall zu prüfen, der Zeitraum muss „überschaubar“ sein. Wenn eine Beschäftigung im Ausland den Aufenthalt vor Ort nicht erfordert, ist es in der Regel keine Entsendung.

Darf der Arbeitgeber einfach entsenden?

Der Arbeitgeber darf eine Entsendung nur dann anordnen, wenn im Arbeitsvertrag diese Möglichkeit vorgesehen ist oder wenn es sich vom Charakter eher um eine kurze Dienstreise handelt. In allen anderen Fällen muss er mit dem betroffenen Arbeitnehmer eine einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrages vornehmen. Kommen häufiger Entsendungen vor, sollte der Betriebsrat dazu Betriebsvereinbarungen anstreben. Da die Bedingungen und Rechtsvorschriften in jedem Land anders sind, kann eine solche Betriebsvereinbarung jeweils nur für ein bestimmtes Land oder eine Ländergruppe gelten.

Ist das BetrVG anwendbar?

Grundsätzlich ist das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) für jeden Arbeitnehmer eines Betriebes gültig, unabhängig vom jeweiligen Beschäftigungsort. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Beschäftigte in die Betriebsorganisation eingegliedert ist und das arbeitsrechtliche Weisungsrecht vom Betrieb aus ausgeübt wird. Indikator dafür ist die Frage, wo die direkten Führungskräfte ansässig sind und wo die betreuende Personalabteilung ihren Sitz hat. Ist dies am Heimatort, bleibt das BetrVG anwendbar und der Betriebsrat zuständig. Wird der Arbeitnehmer aber in den ausländischen Betrieb mit eigenen Vorgesetzten und eigener Personalabteilung eingegliedert und ist die Rückkehr nicht fest vereinbart, ist das BetrVG nicht anwendbar und der Betriebsrat damit nicht zuständig. Gibt es im Ausland keinen festen Arbeitsort (z. B. bei Arbeitnehmern im Außendienst oder Monteuren) und wird das Weisungsrecht vom Heimatbetrieb ausgeübt, bleibt ebenfalls das BetrVG wirksam.

Betriebsrat bestimmt oft mit

Wenn das BetrVG anwendbar ist, bestimmt der Betriebsrat mit (§ 99 BetrVG). Beträgt die Entsendungsdauer jedoch weniger als einen Monat und ist die Reisetätigkeit vertraglich geschuldet, besteht keine Mitbestimmung bei der Entsendung. Allerdings gibt es eine Hintertür für Betriebsräte, die dennoch eine Mitbestimmung ermöglicht: Das sind die Zulagen, die entsandten Arbeitnehmern meist gewährt werden. Diese Gewährung ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Eine Mitbestimmungspflicht liegt auf jeden Fall dann vor, wenn die Entsendung länger als einen Monat dauert, da es sich dabei dann rechtlich um eine Versetzung handelt (§§ 99, 95 Absatz 3 BetrVG).

Verträge können nicht alles regeln

Arbeitnehmer und Arbeitgeber können bestimmte Bedingungen frei aushandeln, jedoch sind dem Grenzen gesetzt. So darf die Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes nicht vertraglich geregelt werden, das ist unzulässig. Vielmehr muss die Geltung nach den oben dargestellten Kriterien ermittelt werden. Vertraglich kann ansonsten geregelt werden, ob das heimatliche oder das ausländische Arbeitsrecht angewendet werden soll. Arbeitnehmer wählen hier oft weniger aus Wissen als aus Instinkt heraus das deutsche Arbeitsrecht und sind dann häufig überrascht, dass es „zwingende Vorschriften“ gibt, die trotz dieser Vereinbarung dem Recht am ausländischen Arbeitsort den Vorrang geben:

– Dazu gehören öffentlich-rechtliche Vorschriften, die am ausländischen Arbeitsort gelten, z. B. die Arbeitserlaubnis, die gesetzlichen Arbeitszeiten sowie die Regelungen zu Nacht-und Sonntagsarbeit.

– Bei anderen Rechten kommt das Vorzugsprinzip zur Anwendung: So wird beim Mutterschutz und beim Kündigungsschutz die jeweils günstigere Regel angewandt, unabhängig davon, was vertraglich vereinbart wurde.

– Rund um die Kündigung gibt es ebenfalls zahlreiche zwingende Vorschriften, z. B. der besondere Kündigungsschutz für Betriebsräte, Schwerbehinderte und werdende Mütter, für die das ausländische Landesrecht gilt.

Wird kein besonderer Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossen, richtet sich das anwendbare Recht in allen Fällen, die nicht zwingend dem örtlichen Recht unterliegen, nach dem gewöhnlichen, in der Regel inländischen Arbeitsort (Art. 30 EGBGB).

 

Autor*in: Martin Buttenmüller (ist Journalist und Chefredakteur des Fachmagazins Betriebsrat INTERN.)