13.04.2022

Der Betriebsrat gegen Mobbing: Wehret den Anfängen

Psychoterror am Arbeitsplatz – das erleben leider viel zu viele Menschen in deutschen Betrieben am eigenen Leib. Dabei gehen Themen wie Mobbing alle etwas an. In erster Linie ist natürlich die Geschäftsleitung gefragt, etwas dagegen zu tun. Doch auch Sie als Betriebsrat spielen eine wichtige Rolle, wenn es um den Schutz der betroffenen Kollegen geht.

Mobbing

Mitbestimmung. Mobbing hat viele perfide Gesichter: Plötzlich wird man nicht zum Meeting geladen, das Feierabendbier findet ohne einen statt, Kollegen schauen weg, wenn man sie auf dem Flur trifft. Oft ist das auch ein schwer konkret greifbares Verhalten. Deshalb ist es zunächst hilfreich, sich damit zu beschäftigen, was eigentlich genau unter Mobbing zu verstehen ist. Hierzu gibt es mehrere klare Aspekte, die vorliegen müssen, damit man von Mobbing sprechen kann (s. Übersicht).

Nur informierte Betriebsräte können aktiv werden

Ganz wichtig ist es, erst einmal von dem Problem zu erfahren: Nur wenn der Betriebsrat vom Mobbing weiß, kann er sich einsetzen. Entscheidend dafür ist ein intensiver Kontakt zu den Arbeitnehmern. Je mehr Sie als Betriebsrat für die Kollegen präsent sind, sei es durch Abteilungs- bzw. Betriebsrundgänge oder durch informelle Gespräche bei jeder Gelegenheit, umso mehr werden Sie mitbekommen, was die Arbeitnehmer beschäftigt. Umgekehrt steigert diese Präsenz das Vertrauen der Kollegen in Sie und Ihre Arbeit. Im besten Fall wendet sich ein Mobbing-Betroffener daher an Sie, wenn sein Leidensdruck groß genug ist – auch wenn das wahrscheinlich eine Weile dauern wird. Wenn es soweit ist, sollte der Betriebsrat dem Opfer mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Übersicht: So wird Mobbing definiert

  1. Der Beschäftigte wird von Kollegen oder Vorgesetzten angefeindet, schikaniert oder diskriminiert.
  2. Es gibt eine klare Täter-Opfer-Beziehung: Das Opfer ist machtlos, entweder weil es sich um anonyme Anschuldigungen handelt oder weil es viele Kollegen und/oder Vorgesetzte gegen sich hat.
  3. Die Mobbing-Handlungen (wie Nicht-Grüßen, fehlende Arbeitsaufträge, Beleidigungen, um nur wenige zu nennen) geschehen systematisch und über einen längeren Zeitraum hinweg.
  4. Für diese Handlungen darf es keinen nachvollziehbaren Grund geben. Geht es „nur“ um sachliche Kritik an der Arbeitsweise oder dem Arbeitsstil, handelt es sich nicht um Mobbing.

Versuchen Sie, die Fakten zu klären

Der Betriebsrat sollte sofort eingreifen, wenn bekannt wird, dass es im Hause Mobbing-Fälle gibt bzw. geben könnte. Allerdings sind Gerüchte oder pauschale Anschuldigungen natürlich stets mit Vorsicht zu genießen. Als Betriebsratsmitglied tun Sie daher zunächst gut daran, die Fakten zu klären – das kann durchaus schon eine echte Herausforderung sein. Denn entweder man trifft auf eine Mauer des Schweigens oder auf Betroffene, die jeweils komplett unterschiedliche Sichtweisen haben können. Persönliche Gespräche mit allen Beteiligten sind daher unerlässlich, um den Sachverhalt zutreffend zu bewerten.

Praxistipp: Als Betriebsrat externen Sachverstand hinzuziehen

Gemobbte Kollegen sind einem enormen Druck ausgesetzt: Sie sind sehr belastet, haben aber nicht selten auch noch Schuld- oder Schamgefühle. Deshalb sind sie auf eine kompetente Beratung angewiesen. Diese kann der Betriebsrat in den meisten Fällen nur zum Teil leisten. Es dürfte in aller Regel sinnvoll sein, auch externen Sachverstand in Anspruch zu nehmen.

Raten Sie Betroffenen zum Führen eines Mobbing-Tagebuchs

Liegt ein Mobbing-Fall vor, besteht die große Schwierigkeit darin, die von der Rechtsprechung geforderten Kriterien für tatsächliches Mobbing zu beweisen. Hat man schriftliche Unterlagen, welche die Vorwürfe belegen oder sogar Zeugen aus dem Kollegenkreis, so ist dies natürlich der Idealfall. Leider sieht es in der Regel anders aus, wodurch Mobbing nur in wenigen Fällen rechtlich nachweisbar ist. Daher ist es für alle Betroffenen ratsam, ein sogenanntes „Mobbing-Tagebuch“ zu führen. Darin sollten alle Vorfälle bzw. sollte allgemein das Verhalten des betrieblichen Umfelds so gut wie möglich dokumentiert werden. Ein gut geführtes Tagebuch kann zum entscheidenden Vorteil in einem arbeitsrechtlichen Prozess führen. Mobbing ist per Definition nicht eine einzelne Handlung, sondern eine Vielzahl von Vorfällen. Niemand kann sich nach längerer Zeit noch an alle relevanten Einzelheiten erinnern. Es besteht zudem die Gefahr, dass sich die Erinnerung im Laufe der Zeit verfälscht. Wenn ein Tagebuch „schlüssig“ erscheint, wird es vor Gericht meistens auch als solches anerkannt.

Autor*in: Silke Rohde (ist Rechtsanwältin & Journalistin sowie Chefredakteurin des Fachmagazins Betriebsrat KOMPAKT.)