15.06.2022

Mitbestimmung bei Personalplanung nur im Falle einer Überlastungsgefahr

Um eine gesundheitsgefährdende Überlastung des Personals zu verhindern, fordern Betriebsräte die Einführung von mitbestimmten Mindestpersonalquoten. Laut dem BAG kommt hier ein Mitbestimmungsrecht jedoch nur in Betracht, wenn eine Gefährdungsbeurteilung eine Überlastungsgefahr festgestellt hat.

Betriebsrat bei der Personalplanung

Worum geht es?

In einem Klinikum existierte eine Betriebsvereinbarung „Arbeitsschutz“ zum Thema Gefährdungsbeurteilungen und daraus abzuleitenden Maßnahmen. Die Betriebsparteien liegen seit Jahren im Clinch über die Frage, ob der Arbeitgeber mehr Personal einsetzen muss, weil der nach Meinung des Betriebsrats zu geringe Personalansatz zu einer gesundheitsgefährdenden Überlastung der Beschäftigten führt. Externe Gutachter hatten die Belastung der Beschäftigten durch Befragungen untersucht. Die Ergebnisse der Begutachtungen sowie die daraus abzuleitenden Maßnahmen wurden von einer Einigungsstelle diskutiert und verhandelt. Der Betriebsrat wollte eine Mindestpersonalquote pro Patientenbett festlegen. Der Arbeitgeber lehnte dies ab. Die Einigungsstelle legte schließlich eine Mindestpersonalquote fest. Gegen diese Entscheidung klagte der Arbeitgeber. Er argumentierte, dass seines Erachtens ein Eingriff in seine Privatautonomie als Unternehmer vorliege, wenn dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Personalplanung zugesprochen würde.

Das sagt das Gericht

Das BAG gab dem Arbeitgeber Recht und erklärte den Spruch der Einigungsstelle für unwirksam. Es fehle an einem Mitbestimmungsrecht. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei vom Arbeitgeber zu treffenden Schutzmaßnahmen greife erst, wenn eine konkrete Gefährdung der Beschäftigten nach Art und Umfang zwischen den Betriebsparteien feststehe oder im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung festgestellt worden sei. Eine solche Gefährdungsbeurteilung existiere hier nicht. Die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung sei nicht Sache der Betriebsparteien oder der Einigungsstelle, sondern des Arbeitgebers. Ohne das Vorliegen einer konkreten Gefährdung, festgestellt durch eine Gefährdungsbeurteilung, könne die Einigungsstelle lediglich eine Regelung über das Verfahren zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen vereinbaren, nicht aber konkrete Maßnahmen wie das Festlegen eines Personalschlüssels. BAG, Urteil vom 17.12.2021, Az.: 1 ABR 25/20

Das bedeutet für Sie als Betriebsrat

Merken Sie sich Folgendes: Im Arbeits- und Gesundheitsschutz verfügt der Betriebsrat auf der Grundlage des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG lediglich über ein abgestuftes Mitbestimmungsrecht. Denn das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet in § 3 ArbSchG ausschließlich den Arbeitgeber zur Ergreifung von Schutzmaßnahmen in seinem Betrieb. Auch die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung ist gemäß § 5 ArbSchG zuvorderst die Aufgabe des Arbeitgebers. Die Ausgestaltung des Verfahrens zur Gefährdungsbeurteilung unterliegt hingegen der Mitbestimmung des Betriebsrats. Kann der festgestellten Gefährdung mittels unterschiedlicher Schutzmaßnahmen begegnet werden, besteht zudem ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hinsichtlich der Entscheidung, welche der potenziellen Maßnahmen ergriffen werden sollen.

So ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausgestaltet

Immer dann, wenn in Gesetzen, Rechtsverordnungen oder Unfallverhütungsvorschriften Arbeitsschutzregelungen in Form von allgemein gehaltenen „Rahmenregelungen“ vorkommen, greift der Mitbestimmungstatbestand in § 87 Abs. 1 Nr. 7 Betr.-VG. Dies bedeutet im Klartext, dass der Betriebsrat mitbestimmt, wenn und soweit die Arbeitsschutzvorschriften dem Arbeitgeber einen gewissen Gestaltungsspielraum einräumen, um eine Angelegenheit auf diese oder auf jene Weise zu regeln.

Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht demnach, wenn die Vorschriften so konkret ausgestaltet sind, dass ein „Rahmen“, d. h. ein Regelungsspielraum, nicht mehr verbleibt. In diesem Fall muss der Arbeitgeber eine ganz konkrete Maßnahme oder Regelung „so und nicht anders“ treffen. Die Aufgabe des Betriebsrats besteht dann darin, darüber zu wachen, dass der Arbeitgeber die Vorschrift so wie vorgeschrieben auch tatsächlich durchführt.

Autor*in: Daniel Roth (ist Chefredakteur des Beratungsbriefs Urteils-Ticker Betriebsrat.)