Mitarbeitergespräche: So bestimmt der Betriebsrat mit
Wenn ein Gespräch mit dem Chef ansteht, sei es lange geplant oder komme es spontan, ist dies für die meisten Beschäftigten eher beunruhigend – zumindest in der Regel. Sicherheit geben kann in solchen (schwierigen) Fällen ein Mitglied des Betriebsrats, das beim Treffen mit anwesend ist.
Mitbestimmung. Grundsätzlich ist ein Gespräch zwischen einer Führungskraft und einzelnen oder mehreren Mitarbeitern zunächst einmal nicht mitbestimmungspflichtig, d. h., der Betriebsrat kann keinen Einfluss nehmen. Von dieser Regel gibt es aber durchaus Ausnahmen: Zum einen ist der Betriebsrat aktiv eingebunden, wenn er zu einem Erörterungs-, Anhörungs- oder Beratungsgespräch im Sinne der §§ 81 Abs. 3 bzw. 82 Abs. 2 BetrVG auf Bitten des Betroffenen hinzugezogen wird. Zum anderen kann das Gremium dann Mitbestimmungsrechte geltend machen, wenn das Mitarbeitergespräch offiziell zur „Führung“ des Beschäftigten dient, z. B. bei einem Jahresgespräch oder einem Treffen zur Festlegung von Zielvereinbarungen.
Erkennen lässt sich der Einsatz als Führungsinstrument u. a. auch daran, welchem Zweck es dient und ob es im Hinblick auf einzelne Elemente, Vorgehensweisen, den Einsatz von unterstützenden Bögen oder sonstiger Hilfsmittel in einer für den gesamten Betrieb bzw. die gesamte Abteilung ganz bestimmten formellen und inhaltlichen Abläufen unterliegt. Ist das der Fall, können Sie als Betriebsrat oft mitbestimmen.
Personalfragebögen können Mitbestimmungsrecht auslösen
Nach § 94 Abs. 1 BetrVG sind Personalfragebögen mitbestimmungspflichtig, soweit sie im Rahmen eines Mitarbeitergesprächs zum Einsatz kommen. Dabei ist dieser Begriff großzügig zu verstehen. Er beinhaltet nicht nur klassische Fragebögen, wie etwa bei Einstellungsgesprächen, sondern kann darüber hinaus auch auf andere Tools anwendbar sein, wie z. B. bei der Durchführung von Interviews oder der Verwendung von standardisierten Bewertungsbögen und Fragen („Checklisten“), die zur Bewertung von Arbeitnehmern oder ihrer Qualifikationen angewandt werden und nicht von den Betroffenen selbst unmittelbar ausgefüllt bzw. beantwortet werden müssen.
Übersicht: Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG
- Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG haben Sie über „Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb“ mitzubestimmen. Es muss anhand des konkreten Gesprächsvorschlags des Arbeitgebers geprüft werden, ob diese Norm greift. Sie ist nach Meinung des BAG nicht anwendbar, wenn es bei dem Instrument um Maßnahmen und Regelungen geht, die unmittelbar die zu bewältigenden Aufgaben der Mitarbeiter betreffen. Dann nämlich handelt es sich „bloß“ um eine mitbestimmungsfreie Angelegenheit zur Konkretisierung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts. Etwas anderes kann aber dann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber mit dem Mitarbeitergespräch mehr kooperationsbezogene Ziele wie die „Verbesserung der Zusammenarbeit“ oder Ähnliches verfolgt bzw. wenn Gegenstand des Gesprächs vor allem Verhaltensaspekte seitens der Mitarbeiter sein sollen.
- Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten und die Leistung der Beschäftigten zu überwachen. Da Mitarbeitergespräche oft mit personenbezogenen Beurteilungsdaten in Verbindung stehen, ist der Bezug zu dieser Norm unter (diesen) Umständen gegeben. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber personenbezogene Beurteilungen aus einem Gesprächsbogen oder Beurteilungsformular in ein EDV-System einspeisen will.
- Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG haben Sie mitzubestimmen, wenn Mitarbeitergespräche in irgendeiner Form auch eine Entlohnungskomponente enthalten. Dies kann z. B. schon der Fall sein, wenn als ein Bestandteil eines Gesprächs über Entgelt oder in summarischer Form über eine eventuelle Leistungszulage gesprochen wird. Der Bezug ist erst recht dann gegeben, wenn aus einem Beurteilungsschema, das im Rahmen eines Mitarbeitergesprächs erörtert oder ausgefüllt wird, nach einer feststehenden Berechnungsformel eine Leistungszulage ermittelt wird.
Bei Beurteilungsgrundsätzen entscheidet der Betriebsrat mit
Eine der wichtigsten Vorschriften im Hinblick auf Mitarbeitergespräche ist § 94 Abs. 2 BetrVG. Danach bedarf die „Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze“ der Zustimmung des Betriebsrats. Kommt darüber eine Einigung mit dem Arbeitgeber nicht zustande, entscheidet die Einigungsstelle.
Das BetrVG verlangt die Zustimmung des Betriebsrats zu den Beurteilungsgrundsätzen. Achtung: Schweigen ist dabei nicht dasselbe wie Zustimmung. Der Arbeitgeber muss daher Ihre ausdrückliche Zustimmung zur Einführung, Anwendung und Änderung von Mitarbeitergesprächen mit allgemeinen Beurteilungsgrundsätzen einholen. Ansonsten sind alle Beurteilungen auf der Basis eines Verfahrens, dem der Betriebsrat nicht ausdrücklich zugestimmt hat, rechtlich gesehen unwirksam. Jeder Betroffene hat dann Anspruch auf Entfernung aller entsprechenden Dokumente aus der Personalakte.
Informieren Sie die Beteiligten über deren Rechte
Auch die Mitarbeiter selber haben zwei wichtige Grundrechte bei ihren Gesprächen:
- Diskriminierungsverbot: Gemäß § 75 Abs. 1 BetrVG haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden und dass insbesondere niemand wegen ethnischer Herkunft, Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft, politischer oder gewerkschaftlicher Betätigung oder Einstellung, wegen des Geschlechts oder wegen der Überschreitung bestimmter Altersstufen benachteiligt wird.
- Entfaltung der Persönlichkeit: Nach § 75 Abs. 2 BetrVG haben Betriebsrat und Arbeitgeber die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern.
Übersicht: Mitbestimmung bei Beurteilungsgrundsätzen
Nach § 94 Abs. 2 BetrVG haben Sie unter anderem mitzubestimmen über:
- das grundsätzliche Verfahren bzw. die Konzeption (einschließlich des Beurteilungsbogens),
- die einzelnen Beurteilungskriterien inklusive eventueller Gewichtungen sowie ihre Definitionen,
- die Beurteilungs- und Bewertungsmethoden und -maßstäbe (z. B. Verwendung von Skalen, Festlegung der Skalenlänge),
- Verfahrensfragen (z. B. Festlegung von Beurteilern und zu Beurteilenden, zeitlicher Abstand der Beurteilungen, andere Beurteilungsanlässe),
- Fragen der Durchführung und Gestaltung des Beurteilungs- bzw. Mitarbeitergesprächs,
- Fragen der Auswertung der Beurteilung,
- die Aufbewahrung der Bögen und sonstigen Gesprächsunterlagen (z. B. Dauer der Ablage in der Personalakte),
- Rechte der betroffenen Mitarbeiter (z. B. Einspruchs- und Beschwerdemöglichkeiten),
- Konfliktlösungsmechanismen.
Mitarbeiter haben Recht auf Erörterung ihrer Leistung
Gemäß § 82 Abs. 2 BetrVG haben die Mitarbeiter ein Recht auf Erörterung der Leistung sowie beruflicher Entwicklungsmöglichkeiten im Betrieb. Demnach kann der Beschäftigte während der Arbeitszeit die Durchführung von Gesprächen über seine Leistung (Zielerreichung) bzw. seine generelle Beurteilung durch den Arbeitgeber verlangen. Die zuständige Stelle (in der Regel der Vorgesetzte) ist nach entsprechender Aufforderung durch den Mitarbeiter verpflichtet, den Stand bzw. die Einschätzung der Leistungen, die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten sowie die Berechnung und Zusammensetzung des Entgelts (z. B. nach Maßgabe der Zielerreichung) mit ihm zu erörtern. Dabei kann der Beschäftigte ein Mitglied des Betriebsrats nach seiner Wahl hinzuziehen. Ein Urteil des BAG (vom 28.03.1979, Az.: 5 AZR 80/77) bekräftigt dies: So müssen dem Mitarbeiter insbesondere bei schlechten Einschätzungen stichhaltige Gründe (d. h., unter Angabe von Tatsachen) mitgeteilt werden, die eine solche Bewertung rechtfertigen. Das Mitarbeitergespräch soll eben nicht dem Zufall und der Willfährigkeit des Vorgesetzten überlassen bleiben, sondern nach einem bestimmten Konzept gestaltet sein.