Mindestlohnanhebung hat keine Auswirkungen auf andere Löhne
Eine Anhebung des Mindestlohnes rechtfertigt laut einem Beschluss des BAG nicht die Forderung des Betriebsrats, dass auch die höheren Grundlöhne steigen. Die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohnes führe nicht zu einem Anspruch auf Änderung mitbestimmter Entlohnungsgrundsätze in einer Betriebsvereinbarung.
Worum geht es?
Arbeitsrecht. Ein nicht tarifgebundener Betreiber von Einrichtungen für psychisch Kranke hatte sich 2018 mit dem Betriebsrat auf Entlohnungsgrundsätze für die Beschäftigten geeinigt. Die Betriebsparteien erarbeiteten eine Vergütungstabelle, die in 13 Entgeltgruppen sowie nach sechs Stufen pro Gruppe den Grundlohn aufführte und die entsprechenden Lohnabstände festlegte. Als der gesetzliche Mindestlohn 2019 angehoben wurde, kam es zum Streit zwischen den Betriebsparteien. Der Arbeitgeber erhöhte bei den unteren Einkommen den Stundenlohn von 8,48 € auf den neuen Mindestlohn von 9,19 €. Der Betriebsrat verwies auf sein Mitbestimmungsrecht und forderte, dass gleichzeitig auch die darüber liegenden Löhne und Gehälter entsprechend steigen müssten. Nach den vereinbarten Entlohnungsgrundsätzen solle der Lohnabstand zwischen den unterschiedlichen Einkommensstufen gewahrt bleiben. Die Stundenlöhne der besser bezahlten Beschäftigten müssten daher prozentual erhöht werden.
Das sagt das Gericht
Die Erfurter Bundesrichter waren anderer Meinung und wiesen die Klage des Betriebsrats ab. Der Mindestlohnanspruch sei ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch trete. Deshalb könne der Betriebsrat auch nicht im Rahmen seines Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verlangen, dass die vereinbarten Entlohnungsgrundsätze geändert würden. Allein die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohnes bedinge keine Änderung mitbestimmter Entlohnungsgrundsätze. Wegen der Erhöhung des Mindestlohnes könne der Betriebsrat daher nicht auch eine dynamische Anpassung der vereinbarten darüber liegenden Entgelte verlangen. BAG, Beschluss vom 27.04.2021, Az.: 1 ABR 21/20
Das bedeutet für Sie als Betriebsrat
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der betrieblichen Lohngestaltung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bezweckt nach Auffassung des BAG eine gleichberechtigte Teilhabe der Beschäftigten an Entscheidungen des Arbeitgebers, die ihre Vergütung betreffen. Fehlt es an einer solchen Entscheidung – wie z. B. im Falle einer Lohnerhöhung im Zuge der Anhebung des gesetzlichen Mindestlohnes – besteht kein Raum für ein Mitspracherecht des Betriebsrats.
So ist das Mitbestimmungsrecht bei der betrieblichen Lohngestaltung ausgeprägt
Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bezieht sich auf die Gestaltung des Lohnes. Damit ist die Festlegung der Grundsätze des Lohnsystems (z. B. Zeitlohn, Leistungslohn) sowie abstrakter Kriterien gemeint, nach denen ermittelt wird, in welcher Höhe den einzelnen Beschäftigten Arbeitsentgelt zusteht. Die praktische Bedeutung dieses Beteiligungsrechts hängt in erster Linie davon ab, ob der Arbeitgeber tarifgebunden ist oder nicht. Besteht keine Tarifbindung, ist das Mitbestimmungsrecht von Relevanz, ist der Arbeitgeber tarifgebunden, ist die Bedeutung eher gering. Das Mitspracherecht des Betriebsrats besteht gemäß dem Gesetzeswortlaut insbesondere bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen sowie bei der Einführung, Anwendung und Änderung neuer Entlohnungsmethoden.
Hinweis: Höhe des Mindestlohns
Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland beträgt seit dem 01.07.2021 9,60 €. Bis zum 01.07.2022 wird er schrittweise auf 10,45 € erhöht.