17.08.2021

Keine Mitbestimmung des Betriebsrats bei Fürsorgegesprächen

Will ein Arbeitgeber mit einzelnen Beschäftigten „Fürsorgegespräche“ wegen ihres Krankenstandes führen, muss er den Betriebsrat nicht um Zustimmung bitten, wenn es sich um nicht formalisierte Gespräche handelt, die das Ziel verfolgen, die Krankheitsursachen und die damit zusammenhängenden Arbeitsbedingungen zu klären.

Krankenrückkehr

Worum geht es?

In einem ambulanten Nierenzentrum nahm eine neue Verwaltungsleitung ihre Tätigkeit auf. Eine ihrer ersten Maßnahmen bestand darin, den Krankenstand der 45 Beschäftigten zu überprüfen. Gemäß den Abwesenheitsübersichten für das Jahr 2018 fehlten insgesamt sieben Beschäftigte mehr als 100 Tage krankheitsbedingt, weitere vier Beschäftigte mehr als 50 Tage und weitere vier Beschäftigte mehr als 30 Tage. Insgesamt sechs Beschäftigte waren an keinem Tag arbeitsunfähig erkrankt. Der Arbeitgeber führte im ersten Quartal des Jahres 2019 mit mindestens sechs Beschäftigten „Fürsorgegespräche“. Dabei sollten mögliche Zusammenhänge zwischen den Krankheitsursachen und den Arbeitsbedingungen eruiert werden.

Zwei Beschäftigte hüllten sich in Schweigen und teilten dem Arbeitgeber ihre Erkrankungen nicht mit. Mit den anderen wurde u. a. über organisatorische Veränderungen zur Reduzierung der Fehlzeiten gesprochen. Damit war der Betriebsrat nicht einverstanden und klagte auf Unterlassung der Fürsorgegespräche. Er meinte, dass formalisierte Gespräche, in denen nach Fehl- und Krankheitstagen gefragt werde, mitbestimmungspflichtig seien gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.

Das sagt das Gericht

Das Gericht wies den Unterlassungsantrag des Betriebsrats ab. Zwar unterlägen formalisierte Krankengespräche der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (vgl. Checkliste). Nicht der Mitbestimmung unterfiele hingegen das fallweise Gespräch mit einem oder mehreren Beschäftigten in unstrukturierter Form über krankheitsbedingte Ausfallzeiten und eventuelle Einflüsse der Arbeit hierauf. Genau um solche Gespräche habe es sich hier gehandelt. Eine Regel, wonach die Beschäftigten für ein Fürsorgegespräch ausgesucht wurden, habe nicht existiert. Von den am Standort infrage kommenden 39 Beschäftigten mit Fehlzeiten seien nur sechs für ein Fürsorgegespräch ausgewählt worden. Auch seien nicht diejenigen mit dem höchsten Krankenstand ausgesucht worden. Die Gespräche hätten auf das Arbeitsverhalten der Beschäftigten abgezielt. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG scheide somit aus. LAG Nürnberg, Beschluss vom 02.03.2021, Az.: 7 TaBV 5/20

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Der Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, wenn der Arbeitgeber mit einzelnen Beschäftigten „Fürsorgegespräche“, besser bekannt unter der Bezeichnung „Krankenrückkehrgespräche“, mit dem Ziel führt, Krankheitsursachen und damit zusammenhängende Arbeitsbedingungen zu klären und die Auswahl der Beschäftigten für diese Gespräche keinen abstrakten Kriterien folgt.

Autor*in: Daniel Roth (ist Chefredakteur des Beratungsbriefs Urteils-Ticker Betriebsrat.)