Kein Ersatzmitglied geladen: Beschluss unwirksam
„Schwänzt“ ein Betriebsratsmitglied eine Betriebsratssitzung mit dem Argument, es habe viel zu tun und sei deshalb unabkömmlich, muss ihm der Betriebsratsvorsitzende Glauben schenken und ein Ersatzmitglied laden – außer, er hat konkrete Anhaltspunkte dafür, dass das Betriebsratsmitglied schwindelt.
Worum geht es?
Geschäftsführung Betriebsrat. In einem Produktionsbetrieb mit rund 350 Beschäftigten existiert ein neunköpfiger Betriebsrat. Der Vorsitzende nahm im Mai 2017 an einer Schulung teil. Die Schulungsteilnahme war im Rahmen einer Betriebsratssitzung bei sieben anwesenden Betriebsratsmitgliedern beschlossen worden. Die zwei fehlenden Arbeitnehmervertreter hatten sich zuvor telefonisch abgemeldet. Als Grund für ihre Abwesenheit nannten beide ein erhöhtes Arbeitsaufkommen. Aus der Sicht des Betriebsratsvorsitzenden führte dies nicht zu einer zeitweiligen Verhinderung im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, sodass er darauf verzichtete, Ersatzmitglieder zu laden. Der Arbeitgeber meinte, der Seminarteilnahme des Betriebsratsvorsitzenden habe kein ordnungsgemäßer Beschluss zugrunde gelegen, weil für die beiden verhinderten Betriebsratsmitglieder keine Ersatzmitglieder geladen worden seien. Aufgrund des unwirksamen Beschlusses sei er nicht verpflichtet, die Seminarkosten zu übernehmen. Der Betriebsrat behauptete, der Beschluss sei wirksam zustande gekommen, sodass der Arbeitgeber das Gremium von den Seminarkosten freistellen müsse.
Das sagt das Gericht
Das Gericht gab dem Arbeitgeber Recht. Befinde sich ein Betriebsratsmitglied in einem Interessenkonflikt zwischen Amts- und Arbeitspflicht und entscheide sich für die Arbeit, habe der Betriebsratsvorsitzende regelmäßig davon auszugehen, dass ein Verhinderungsfall gegeben sei. Nur wenn der Betriebsratsvorsitzende Anhaltspunkte für eine pflichtwidrige Entscheidung des Betriebsratsmitgliedes habe, sei er dazu veranlasst, den angegebenen Hinderungsgrund nachzuprüfen und ggf. auf die Ladung eines Ersatzmitgliedes zu verzichten. Hier wäre es also Aufgabe des Betriebsratsvorsitzenden gewesen, vorzutragen, welche konkreten Anhaltspunkte ihm für ein pflichtwidriges Verhalten der beiden Betriebsratsmitglieder vorlagen, die ihn dazu veranlasst haben, keine Ersatzmitglieder zu laden. LAG Hamm, Beschluss vom 08.12.2017, Az.: 13 TaBV 72/17
Das bedeutet für Sie als Betriebsrat
Die Beschlussfassung gehört zum Einmaleins der Betriebsratsarbeit. Dennoch kommt es in der betrieblichen Praxis immer wieder zu Fehlern im Verfahren, die zur Unwirksamkeit des gefassten Beschlusses führen. Eine wesentliche Voraussetzung für das Zustandekommen eines ordnungsgemäßen Beschlusses ist die Ladung aller Betriebsratsmitglieder einschließlich etwaiger Ersatzmitglieder nach Maßgabe des § 25 Abs. 1 BetrVG. Wird für ein zeitweilig verhindertes Mitglied ein vorhandenes Ersatzmitglied nicht geladen, ist der Betriebsrat an einer wirksamen Beschlussfassung gehindert.
Beispiel: Verweigerung eines Betriebsratsmitglieds
Ein Betriebsratsmitglied kündigt an, nicht zur nächsten Betriebsratssitzung zu kommen, weil es „die Faxen dicke“ habe. In diesem Fall ist das Betriebsratsmitglied nicht im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG „verhindert“, sodass der Betriebsratsvorsitzende kein Ersatzmitglied laden muss bzw. darf.
Verhinderte Betriebsratsmitglieder müssen ihr Fernbleiben erklären
Kann ein Mitglied des Betriebsrats nicht an einer Betriebsratssitzung teilnehmen, muss es sein Fernbleiben dem Betriebsratsvorsitzenden unverzüglich mitteilen und dies begründen. Der Betriebsratsvorsitzende hat dann zu prüfen, ob es sich um einen Fall von Verhinderung handelt oder ob ein anderer Grund für die Nichtteilnahme vorliegt. Um willkürlich herbeigeführte Vertretungen auszuschließen, ist das Ersatzmitglied nur bei Vorliegen einer Verhinderung einzuladen. Liegt kein echter Verhinderungsfall vor, darf der Betriebsratsvorsitzende kein Ersatzmitglied laden. Auch für ein unentschuldigt fehlendes Betriebsratsmitglied darf kein Ersatzmitglied geladen werden.