01.07.2020

Insolvenz: Mitbestimmung des Betriebsrats bleibt erhalten

Wenn ein Unternehmen zahlungsunfähig wird, ist das eine Ausnahmesituation für alle Beteiligten: Der Insolvenzverwalter übernimmt das Ruder und kann viele weitreichende Entscheidungen treffen. Doch die gute Nachricht dabei ist: Ihre Mitbestimmungsrechte als Betriebsrat bleiben auch während des Insolvenzverfahrens bestehen.

Betriebsat Insolvenz

Für den Betriebsrat ist Information über Insolvenz alles

Mitbestimmung. Die Basis jeder erfolgreichen Mitbestimmung bleibt auch im Insolvenzverfahren die Information des Betriebsrats: Sobald Sie erste Anzeichen einer finanziellen Notlage des Arbeitgebers erkennen, ist es ratsam, sich umfassende Informationen über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens zu verschaffen. Je besser der Betriebsrat informiert ist, desto zielführender kann er die Arbeitnehmer beraten. Für die Beschäftigten ist mit der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit eine große Unsicherheit verbunden. Deshalb ist es hilfreich, wenn Sie die Kollegen zudem regelmäßig über den aktuellen Stand der Lage informieren, zum Beispiel durch

  • regelmäßige Betriebs- und Abteilungsversammlungen,
  • Informationsblätter über Fortgang des Insolvenzverfahrens, geplante Betriebsänderungen, Einsparungen etc.,
  • Musterschreiben für finanzielle Forderungen, Anträge auf Insolvenzgeld etc. und
  • eine Betriebsversammlung mit einem Mitarbeiter der Agentur für Arbeit, der die Belegschaft über Antragstellung auf Arbeitslosengeld, die Bezugsdauer, die Höhe der Leistungen etc. aufklärt, wenn eine Betriebsstilllegung bzw. Entlassungen drohen.

Hinweis: Vermeiden Sie Namenslisten bei Kündigungen

Werden die Beschäftigten, denen gekündigt werden soll, namentlich im Interessenausgleich genannt, wird in einem Kündigungsschutzprozess zu ihren Lasten die Beweislast umgekehrt (siehe § 125 InsO). Denn in diesem Fall wird gesetzlich vermutet, dass der Kündigung dringende betriebliche Erfordernisse zugrunde liegen. Die betroffenen Arbeitnehmer müssen dann beweisen, dass dem nicht so ist. Dieser Gegenbeweis ist für einen Arbeitnehmer aber schwer zu führen, weil er die einschlägigen Informationen, die der Kündigung zugrunde liegen, in der Regel nicht hat.

Setzen Sie als Betriebsrat auf Betriebsvereinbarungen

Es ist unbedingt ratsam, mit dem Arbeitgeber vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Betriebsvereinbarung mit dem Inhalt abzuschließen, dass im Insolvenzfall zunächst die Forderungen abgegolten werden, die im Insolvenzverfahren sonst nur nachrangig beglichen werden: Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Gratifikationen etc. Ansonsten haben die Beschäftigten bei der Verteilung der Insolvenzmasse oft das Nachsehen. Nachdem der Insolvenzantrag gestellt wurde, sollte der Betriebsrat außerdem mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter in Verhandlungen treten. Vielleicht gelingt es, auch mit ihm eine Betriebsvereinbarung zu schließen, um Verfalls- und Ausschlussfristen auszuhebeln. So können die Kollegen ihre noch offenen Forderungen aus der Zeit vor der Zahlungsunfähigkeit ohne Zeitdruck geltend machen.

Praxistipp: Interessenausgleich und Sozialplan abschließen

Außerdem kann der Betriebsrat versuchen, entweder mit dem Arbeitgeber oder später mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter eine Betriebsvereinbarung über den Abschluss eines Interessenausgleichs oder eines Sozialplans abzuschließen. Diese müssen dann umgesetzt werden, sollte es zu Kündigungen von Arbeitnehmern kommen.

Ein Interessenausgleich ist nicht so stark wie ein Sozialplan

Steht eine Betriebsänderung an, sollten Sie versuchen, über einen Interessenausgleich mit dem Arbeitgeber bzw. Insolvenzverwalter Einigkeit darüber zu erzielen, ob und wie die Änderung durchgeführt werden soll. In Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten muss die Geschäftsführung mit dem Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen und wesentliche Nachteile für die Arbeitnehmer beraten (§ 111 BetrVG). Ein solcher Interessenausgleich kann allerdings, anders als ein Sozialplan, nicht von Ihnen erzwungen werden. Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass der Ausgleich nicht nur nach den Vorschriften des BetrVG geschlossen werden kann, sondern die Insolvenzordnung(InsO) einige dieser Bestimmungen verdrängt.

Insolvenz kann Sozialplan negativ beeinflussen

Um die wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen, die die Arbeitnehmer durch eine Betriebsänderung bzw. -schließung erleiden, ist es möglich, mit dem Insolvenzverwalter einen Sozialplan abzuschließen. Achtung: Das finanzielle Volumen für die Abfindungsregelungen im Sozialplan wird durch § 123 InsO begrenzt. Gemäß § 123 Abs. 1 InsO kann maximal ein Gesamtbetrag von 2,5 Monatsverdiensten der von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer als sogenanntes Sozialplanvolumen zur Verfügung gestellt werden. Auch § 123 Abs. 2 InsO schränkt den Spielraum weiter ein: Danach darf für den Sozialplan nicht mehr als ein Drittel der Masse verwendet werden, die für die Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stünde.

Autor*in: Silke Rohde (ist Rechtsanwältin & Journalistin sowie Chefredakteurin des Fachmagazins Betriebsrat KOMPAKT.)