Hoher Fachkräftebedarf im öffentlichen Dienst
Im öffentlichen Dienst werden zwar wieder Stellen geschaffen, trotzdem herrscht weiterhin Personalmangel. Nach Auffassung der Hans-Böckler-Stiftung müssen in den kommenden Jahren mindestens 110.000 neue Fachkräfte eingestellt werden – zusätzlich zu den rund 115.000 Stellen, die jedes Jahr aus Altersgründen neu besetzt werden müssen. Nur so könne der Staat seine Aufgaben angemessen erfüllen. Das ergab eine von der Stiftung erstellte Analyse.
Ursache für die Entwicklung soll der restriktive Kurs der öffentlichen Haushaltspolitik sein, der für ein Sinken der Zahl der sogenannten Vollzeitbeschäftigungsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst von 2002 bis 2008 um 8,5 Prozent verantwortlich sei. Zwar sei das Personal seither jährlich wieder leicht aufgestockt worden. Doch die Folgen hätten noch nicht überwunden werden können. Der Zuwachs der Beschäftigung sei deutlich hinter dem Anstieg in der Gesamtwirtschaft, der Entwicklung im privaten Dienstleistungsbereich und oftmals auch hinter den gewachsenen Anforderungen zurückgeblieben.
Auf Bundesebene ist der personelle Aderlass besonders drastisch ausgefallen: Dort gab es 2005 noch insgesamt 531.000 Stellen, 2015 waren es nur noch 468.000 – ein Rückgang um 11,9 Prozent. Verantwortlich für diese Entwicklung waren nach der Analyse in erster Linie die Verkleinerung der Bundeswehr und Änderungen bei der Bahn.
Besonders groß sei der Personalbedarf etwa bei Polizei und Kinderbetreuung. Auch in der Finanzverwaltung sowie an Schulen und Hochschulen müssen der Studie des Finanzexperten Dieter Vesper zufolge Lücken geschlossen werden.
Es würde laut den Berechnungen der Analyse zunächst eine Milliarde Euro pro Jahr kosten, um über einen Zeitraum von sechs Jahren jeweils 20.000 neue Stellen zu schaffen. Die Finanzierung wäre Vesper zufolge angesichts aktueller Etatüberschüsse machbar.
Wo ist die Personalnot im öffentlichen Dienst am größten?
Frühkindliche Bildung: In den Kitas seien die Personalschlüssel trotz der Verbesserungen der vergangenen Jahre zum Teil weit von kindgerechten und pädagogisch sinnvollen Relationen entfernt. Wenn man Zahlen der Bertelsmann-Stiftung zugrunde legt, fehlen den öffentlichen Trägern 38.000 Erzieherinnen. Die Zuwanderung dürfte Vesper zufolge zusätzliche Ressourcen in Höhe von langfristig etwa 3.500 Vollzeitkräften erfordern. Insgesamt seien also rund 42.000 zusätzliche Vollzeitstellen nötig.
Schulen: Der Gutachter geht davon aus, dass es etwa 10.000 zusätzlicher Lehrer bedarf. Die aktuellen Prognosen der Kultusminister zum künftigen Lehrerbedarf hält Vesper nämlich für problematisch, weil sie von sinkenden Schülerzahlen ausgehen. Angesichts der Flüchtlingszuwanderung erscheine das zweifelhaft.
Hochschulen: Da auch in den kommenden Jahren mit steigenden Studentenzahlen zu rechnen ist, kommen Schätzungen auf einen Einstellungsbedarf von jährlich 500 bis 1.000 Professoren bis zum Jahr 2025.
Polizei: Kaum verändert hat sich seit 2005 die Personalsituation im Polizeidienst, hier kommen nahezu unverändert 3,16 Vollzeitäquivalente auf 1.000 Einwohner. Allerdings gelte es zu berücksichtigen, dass die Anzahl der Großeinsätze bei Demonstrationen oder Sportveranstaltungen zugenommen hat, so Vesper. Alles in allem fordert die Studie für diesen Bereich 15.000 zusätzliche Vollzeitstellen.
Finanzämter: Bei der Finanzverwaltung beklagten selbst die Rechnungshöfe der Länder einen eklatanten Personalmangel, so der Gutachter – wobei die Mehreinnahmen durch zusätzliches Personal die Kosten um ein Vielfaches übersteigen würden. Laut dem Rechnungshof in Bayern, wo die Ausstattung etwa dem Bundesdurchschnitt entspricht, wären dort rund 5.000 zusätzliche Vollzeitkräfte nötig. Hochgerechnet auf alle Bundesländer ergäbe sich ein Mehrbedarf von nahezu 35.000 Kräften.