26.06.2019

Gesamte Arbeitszeit muss systematisch erfasst werden

Der EU-Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 14.5.2019 (C-55/18) festgestellt, dass ohne ein System, mit dem die tägliche Arbeitszeit eines jeden Arbeitnehmers gemessen werden kann, weder die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden und ihre zeitliche Verteilung noch die Zahl der Überstunden objektiv und verlässlich ermittelt werden kann, sodass es für die Arbeitnehmer äußerst schwierig oder gar praktisch unmöglich ist, ihre Rechte durchzusetzen.

Arbeitszeit

Ohne System ist eine Durchsetzung der Rechte schwierig

In der Presseerklärung des EuGH heißt es zu dem Urteil weiter: Um die praktische Wirksamkeit der von der Arbeitszeitrichtlinie und der Charta verliehenen Rechte zu gewährleisten, müssen die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber daher verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann. Es obliegt den Mitgliedstaaten, die konkreten Modalitäten zur Umsetzung eines solchen Systems, insbesondere der von ihm anzunehmenden Form, zu bestimmen und dabei gegebenenfalls den Besonderheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereichs oder Eigenheiten, sogar der Größe, bestimmter Unternehmen Rechnung zu tragen.

Problematisch sind Homeoffice und mobile Arbeit

Nach dem für Deutschland geltenden Arbeitszeitgesetz ist gemäß § 16 Abs. 2 der Arbeitgeber verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 Satz 1 hinausgehende Arbeitszeit (über acht Stunden) der Arbeitnehmer aufzuzeichnen und ein Verzeichnis der Arbeitnehmer zu führen, die in eine Verlängerung der Arbeitszeit gemäß § 7 Abs. 7 eingewilligt haben. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist nun aber die gesamte Arbeitszeit vollständig zu dokumentieren. Bereits bestehende Zeiterfassungssysteme müssen gegebenenfalls geändert werden. Bei flexiblen Arbeitszeitmodellen, bei Homeoffice und auch bei mobiler Arbeit wird diese Vorstellung des EuGH aber zu technischen Schwierigkeiten bei der Arbeitszeiterfassung führen.

Die Rechtsprechung des EuGH unterscheidet nicht zwischen Beamtinnen und Beamten und anderen Beschäftigten, seine Rechtsprechung gilt für alle abhängig Beschäftigten gleichermaßen.

Der Personalrat sollte sich mit dem Thema auseinandersetzen

Das System sollte für die Dienststelle und die Beschäftigten gleichermaßen zugänglich sein, um ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis sicherzustellen. Dazu gehört, die Arbeitszeitbuchungen, die Zeitsalden sowie ggf. Buchungen auf die und von den jeweiligen Arbeitszeitkonten einsehen zu können. Klassische stationäre Zeiterfassungsterminals erfassen nur „Kommen“ – „Gehen“ – „Dienstgang“. Zeitgemäße Geräte erfassen aber auch Daten von Dienstreisen, Arbeitszeiten im Hotel oder Homeoffice, Fahrzeiten als Fahrer oder Mitfahrer und vieles mehr.

Welches Zeiterfassungsgerät ist das Richtige?

Zeiterfassung wird über verschiedene Erfassungsgeräte angeboten (PC, Smartphone, Terminal). Das Leistungsspektrum reicht von der simplen Stoppuhr für Arbeitszeiten, deren Stundensummen manuell übertragen werden müssen, bis zu komplexen Lösungen, die auch Urlaubs- und Fehlzeitenverwaltung, Stundenzettel, die automatische Berechnung von Überstundenzuschlägen, Zeit- und Erschwerniszulagen, Reisekosten sowie die Buchung von Arbeitszeitkonten und den Export zur Lohnsoftware anbieten. Werden die Zeitstempel auf den Endgeräten gespeichert oder live auf die Server übertragen? Wie funktioniert die Zeiterfassung im Funkloch? Werden die Zeiten mit der Uhr des Endgeräts erfasst und auf dem Gerät zwischengespeichert und können sie deshalb durch den Nutzer manipuliert werden?

Die wahre Eignung einer Zeiterfassung zeigt sich häufig erst im Regelbetrieb. Erkundigen Sie sich deshalb bei anderen Personal- oder Betriebsräten.

Autor*in: Werner Plaggemeier (langjähriger Herausgeber der Onlinedatenbank „Personalratspraxis“)