21.02.2017

Gelber Schein ab dem 1. Tag? Nur mit Okay des Betriebsrats!

Wer länger als drei Tage arbeitsunfähig krank ist, muss dem Arbeitgeber am vierten Fehltag eine AU-Bescheinigung vorlegen. So steht es im Gesetz. Der Arbeitgeber kann aber die Vorlage des gelben Scheins bereits ab dem ersten Krankheitstag verlangen – laut BAG allerdings nur, sofern der Betriebsrat damit einverstanden ist. BAG, Beschluss vom 23.08.2016, Az.: 1 ABR 43/14

Gelber Schein

Worum geht es?

Mitbestimmung. In einem Logistikunternehmen sind in 72 Betrieben rund 15.000 Arbeitnehmer beschäftigt. Es existieren 30 lokale Betriebsräte und ein Gesamtbetriebsrat. Mit diesem vereinbarte der Arbeitgeber 2008 eine „Gesamtbetriebsvereinbarung über eine Allgemeine Arbeitsordnung“, die für alle Betriebe mit einem Betriebsrat gelten sollte. Darin heißt es u. a.: „Grundsätzlich hat jeder erkrankte Mitarbeiter für jeden vollen Arbeitstag, d. h. ab dem ersten vollen Krankheitstag, eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit … vorzulegen.“ Ein lokaler Betriebsrat meinte, für diese Regelung sei der Gesamtbetriebsrat gar nicht zuständig. Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG stehe den örtlichen Betriebsräten zu. Ein zwingendes Bedürfnis für eine betriebsübergreifende Regelung bestehe nicht. Der Arbeitgeber entgegnete, über die Festlegung des Zeitpunkts der Vorlage der AU-Bescheinigung könne er ohne Betriebsratsbeteiligung entscheiden. Ein Mitbestimmungsrecht bestehe nicht. Deshalb dürfe er sich den kollektivrechtlichen Verhandlungspartner aussuchen.

Das sagt das Gericht

Mitnichten, urteilte das BAG – und gab dem Betriebsrat Recht. Eine Regelung über Nachweispflichten bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit unterliege der Mitbestimmung, für deren Ausübung der Betriebsrat zuständig sei. Eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats bestehe nicht. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG habe der Betriebsrat mitzubestimmen bei Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Verlange der Arbeitgeber von seinen Beschäftigten in einer bestimmten Form und innerhalb einer bestimmten Frist den Nachweis jeglicher Arbeitsunfähigkeit, so betreffe dieses regelhafte Verlangen grundsätzlich das betriebliche Ordnungsverhalten. BAG, Beschluss vom 23.08.2016, Az.: 1 ABR 43/14

Das bedeutet für Sie als Betriebsrat

Beachten Sie Folgendes: Verlangt Ihr Arbeitgeber von einem einzelnen Beschäftigten, im Krankheitsfall die AU-Bescheinigung früher als vom Gesetzgeber vorgesehen vorzulegen, so haben Sie im Gremium auf diese Entscheidung keinen Einfluss. Stellt Ihr Arbeitgeber hingegen wie im Streitfall geschehen eine Regelung auf, die für alle Kolleginnen und Kollegen gelten soll (kollektiver Sachverhalt), so benötigt er hierfür Ihre Zustimmung.

Gesamtbetriebsrat ist örtlichen Betriebsräten nicht übergeordnet

Eines gleich vorweg: Der Gesamtbetriebsrat steht nicht über den lokalen Betriebsräten. Die Ausübung der Mitbestimmungsrechte obliegt vielmehr grundsätzlich dem von den Beschäftigten unmittelbar gewählten Betriebsrat. Der Gesamtbetriebsrat ist gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur für solche Angelegenheiten zuständig, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und für die ein zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung besteht (z. B. unternehmensweit geltende betriebliche Altersversorgung). Darüber hinaus ist der Gesamtbetriebsrat zuständig, wenn ihm ein lokaler Betriebsrat eine Aufgabe überträgt gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG.

Autor*in: Redaktion Mitbestimmung