Gekündigt wegen schlechter Leistungen: das rät der Betriebsrat
Die Arbeitgeber nennen Sie „Low Performer“ und möchten sie lieber heute als morgen loswerden: Arbeitnehmer, die weniger als der Durchschnitt der Kollegen leisten und häufiger Fehler machen, sind vor allem den direkten Führungskräften ein Dorn im Auge. Schließlich gilt es, Ziele zu erreichen und möglichst zu übertreffen. Doch die Betroffenen sind gut durch das Arbeitsrecht und die Gerichte geschützt.
Wenn Arbeitnehmer wegen angeblicher Minderleistungen unter Druck geraten und zum Betriebsrat in die Sprechstunde kommen, haben sie meist ein Schreiben dabei: Häufig ist das eine Ermahnung, in manchen Fällen auch schon eine Abmahnung oder gar die Kündigung. Meist sind die Betroffenen dann sehr verstört und verzweifelt. Ein Stück weit können Sie die Kollegen beruhigen: Das Arbeitsrecht kennt einen starken Kündigungsschutz, die Arbeitsgerichte sind tendenziell eher auf Seiten der Arbeitnehmer. Das Credo der meisten Richter: Einem Unternehmen ist es zumutbar, auch für jene zu sorgen, die nicht zu den leistungsfähigsten gehören.
Was sind „Low Performer“?
Für sogenannte „Low Performer“ oder „Minderleister“, wie Arbeitgeber sie abwertend nennen, gibt es keine gesetzliche Definition. Der erste Schutzwall für den Arbeitnehmer ist also die berechtigte Frage seitens des Betriebsrats, was damit konkret gemeint ist, wenn der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer diese Kategorie zuweist. Der Arbeitgeber ist dazu gezwungen, Indizien zu nennen – und zwar nachweisbar, da sonst keine gerichtliche Verwertbarkeit gegeben ist. Das könnten zum Beispiel viele dokumentierte Fehler sein oder langsames beziehungsweise unmotiviertes Arbeiten. Das Arbeitsrecht gibt dem Arbeitnehmer zunächst nur eine bestimmte Arbeitsleistung vor, aber keinen bestimmten Arbeitserfolg. Die Arbeitsgerichte haben allerdings mit ihrer Rechtsprechung die „Angemessenheit“ definiert:
- Der Arbeitnehmer muss seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpfen.
- Er muss seine geistigen und körperlichen Kräfte anspannen.
- Dies alles in angemessenem Ausmaß, damit auf Dauer die Gesundheit nicht gefährdet ist.
Wer muss die Minderleistung nachweisen?
Salopp formuliert bedeutet das: Der Arbeitnehmer muss so viel und so gut arbeiten wie er kann. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Damit der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer kündigen kann, muss er ihm also nachweisen können, dass er weniger bzw. weniger gut arbeitet, als es ihm möglich wäre. Es liegt auf der Hand, dass sich der Arbeitgeber mit diesem Nachweis schwer tun wird.
Muss man Abmahnungen und Ermahnungen hinnehmen?
Will ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer unter Druck setzen oder hat er schon vor, ihn möglichst bald zu kündigen, beginnt alles mit schriftlichen Ermahnungen: Darin wird festgestellt, dass zu wenig oder zu schlecht gearbeitet wird und der Arbeitnehmer wird aufgefordert, sein Verhalten entsprechend zu ändern. Diese Ermahnungen werden häufig unterschätzt, weil sie anders als eine Abmahnung keine zwingende Vorstufe zur Kündigung sind. Aber sie werden dennoch in die Personalakte aufgenommen und im Falle eines späteren Kündigungsschutzverfahrens den Richtern als Beleg dafür präsentiert, dass man vom Arbeitnehmer Besserung gefordert habe. Meist werden die Arbeitnehmer aufgefordert, diese Ermahnung zu unterschreiben und wollen vom Betriebsrat wissen, ob sie wirklich dazu verpflichtet sind. Die Antwort lautet: Arbeitnehmer können nicht zur Unterschrift gezwungen werden, entsprechende Drohungen des Arbeitgebers sind haltlos. Allerdings verschlechtert eine Verweigerung das Verhältnis zum Arbeitgeber. Geben Sie deshalb ggf. die Empfehlung, mit „Zur Kenntnis genommen“ zu unterschreiben. Damit bestätigt der Arbeitnehmer lediglich, dass er die Ermahnung gelesen hat – aber nicht, dass er mit dem Inhalt übereinstimmt.
Praxistipp: Ältere Arbeitnehmer haben gute Karten
Arbeitsrichter erkennen bei älteren und langjährig beschäftigten Arbeitnehmern ein besonderes Schutzinteresse an. Weisen Sie diese in der Beratung darauf hin, dass sie vor Gericht besonders gute Karten haben.
Ist eine Gegendarstellung sinnvoll?
Grundsätzlich besteht auch die Möglichkeit, eine Gegendarstellung zur Ermahnung zu schreiben. Diese muss dann mit der Ermahnung in die Personalakte aufgenommen werden. Raten Sie in der Regel davon ab: Es kann sein, dass sich der Arbeitnehmer mit seinen Aussagen in einer Weise festlegt, die ihm später schadet. Ähnlich sieht es mit Abmahnungen aus: Diese sind in der Regel die Voraussetzung für eine spätere Kündigung: Auch hier kann eine Stellungnahme, die der Personalakte hinzugefügt werden muss, ausgefertigt werden. Raten Sie dem Arbeitnehmer aber, sich von einem Anwalt beraten zu lassen, ob und mit welchen Aussagen das sinnvoll sein könnte.
Dokumentation mit Mängeln ungültig
Alleine die Dokumentation wird dem Arbeitgeber, der ja nicht täglich Einblick in die Arbeit des Arbeitnehmers hat, schwer fallen. Für den Arbeitnehmer empfiehlt es sich, in der Beratung mit seinem Anwalt nach Mängeln in der Dokumentation, aber auch nach sonstigen formalen Mängeln zu suchen. Häufig lassen sich auf diese Weise Abmahnungen zu Fall bringen.
Wann ist eine Abmahnung oder Ermahnung berechtigt?
Der Arbeitnehmer wird natürlich fragen, ob er gegen die Abmahnung vorgehen kann. Abschließend kann dies nur der Rechtsanwalt beurteilen. Aber Sie können dem Arbeitnehmer sagen, dass einzelne oder kleinere Bagatellfehler keine Abmahnung – die ja nichts weiter als eine Kündigungsandrohung ist – rechtfertigen. Vielmehr müssen die Fehler wiederholt und schwerwiegender Art sein. Die Frage, ob der Arbeitgeber eine Leistung als „Schlechtleistung“ einstufen darf, ist im Einzelfall schwierig zu beantworten: Ist der Arbeitsinhalt nach Art und Menge im Arbeitsvertrag genau beschrieben, kann der Arbeitgeber darauf hinweisen, dass diese Vorgabe dauerhaft unterschritten wird. Im anderen Fall muss der Arbeitgeber auf die Arbeitsinhalte, die er den Arbeitnehmern vorgibt, verweisen. Das allein genügt jedoch noch nicht, denn er muss auch noch auf das subjektive Leistungsvermögen des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen. Dazu muss er genau dokumentieren, wann und inwiefern zu wenig geleistet wurde und dies auch in Beziehung zu „normal leistungsfähigen“ Arbeitskollegen setzen.
Recht: Arbeitnehmer muss reagieren
Reagiert der betroffene Arbeitnehmer nicht in einem angemessenen Zeitrahmen, gilt die Abmahnung als angenommen, was sich bei einer späteren verhaltensbedingten Kündigung vor Gericht als sehr nachteilig erweisen kann.
Wann kann wegen schlechter Leistungen gekündigt werden?
Auch wenn der Weg zu einer Kündigung für Arbeitgeber mit vielen Unwägbarkeiten gepflastert ist: Ermahnungen und Abmahnungen, die in diese Richtung zielen, gilt es auf jeden Fall ernst zu nehmen. Denn grundsätzlich kann ein Arbeitgeber wegen dauerhafter Schlecht- oder Minderleistung durchaus kündigen. Richter prüfen hier stets individuell, so dass der Ausgang eines Kündigungsschutzverfahrens kaum vorherzusagen ist. Ganz grob kann man sagen, dass Richter eine Schlecht- oder Minderleistung annehmen, wenn die Leistung des gekündigten Arbeitnehmers über einen längeren Zeitraum die vergleichbarer Arbeitnehmer um ein Drittel unterschreitet (z.B. BAG, Urteil vom 11.12.2003, Az: 2 AZR 667/02). Aber je nach den individuellen Umständen können die Richter auch davon abweichen.
Gibt es Alternativen zur Kündigung?
Bei der Beratung in der Betriebsratssprechstunde wird häufig auch auf den Tisch kommen, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Alternativen zur Kündigung angeboten hat. Wie soll sich der Arbeitnehmer dazu stellen? Vor Gericht muss der Arbeitgeber darlegen, dass es keine Alternative zur Kündigung gegeben hat. Dazu gehört eine Versetzung auf eine freie Stelle, die dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gibt, nach seinen persönlichen Voraussetzungen bessere Leistungen zu bringen. Bringt der Arbeitnehmer ein solches Versetzungsangebot mit, kann man davon ausgehen, dass der Arbeitgeber seine späteren Chancen vor Gericht erhöhen will („Ich habe dem Arbeitnehmer ja eine andere Stelle angeboten, aber er hat sie abgelehnt“). Nicht auszuschließen ist allerdings auch, dass es ein wirkliches Hilfsangebot für den Arbeitnehmer ist. Raten Sie dem Arbeitnehmer deshalb, sich nicht von vornherein „stur“ zu stellen. Damit würde er sich unter Umständen eine gute Chance auf Beilegung des Konflikts mit dem Arbeitgeber und auf den langfristigen Erhalt seines Arbeitsplatzes vergeben. Diskutieren Sie mit dem Arbeitnehmer, welche Perspektiven das Angebot bietet. Will der Arbeitnehmer es ablehnen, sollte er die Ablehnung mit Hilfe seines Anwalts genau begründen, damit sie ihm in einem späteren Kündigungsschutzverfahren nicht schadet.
Abwägung der Interessen
Als letzter Schritt ist eine Abwägung der gegenläufigen Interessen vorzunehmen. Geprüft werden muss, ob das Arbeitsverhältnis so schwerwiegend gestört ist, dass die betrieblichen und wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers das Interesse des Arbeitnehmers an seinem Arbeitsplatz überwiegen.
Auflösung gegen Abfindung
Unter Umständen bringt der Arbeitnehmer auch ein Angebot des Arbeitgebers mit, den Arbeitsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Betriebsräte haben hier meist eine ablehnende Haltung, weil der Arbeitgeber damit geltendes Recht gegen Zahlung von Geld umgeht. Doch im Sinne einer guten Beratung des Arbeitnehmers sollten Sie auf seine Situation eingehen und mit ihm prüfen, welche Vor- und Nachteile eine solche Abfindung haben könnte.
- Vorteilhaft ist eine Abfindung zum Beispiel, wenn die Höhe ausreicht, um bis zur Verrentung den Lebensunterhalt zu bestreiten oder es realistische Chancen auf einen Arbeitsplatz in einem anderen Unternehmen gibt.
- Oft wird jedoch nicht gesehen, dass auch eine hohe Abfindung nicht lange reicht und die Chancen auf einen anderen Arbeitsplatz je nach Ausbildung und Gesundheitszustand des Arbeitnehmers eher gering sind.
- Wichtig ist auch für den Arbeitnehmer, eine mögliche Versteuerung der Abfindung sowie eine zeitweilige Sperre des Arbeitslosengeldes einzukalkulieren.
Eine wichtige Frage ist auch, wie lange der Arbeitnehmer dem Druck, dem er am Arbeitsplatz ausgesetzt ist, Stand halten kann. Nicht jeder hält dauerhafte Vorwürfe der Schlecht- und Minderleistung aus. Entsprechend kann eine Einigung mit dem Arbeitgeber auf Abfindung das Beste für den Arbeitnehmer sein, auch wenn dies dem Gerechtigkeits- und Rechtsempfinden des beratenden Betriebsratsmitglieds widerspricht.