22.11.2018

Führungskompetenz als Betriebsratsvorsitzender: Schwerpunkte setzen

Ein Gremium zu leiten, Aufgaben zu delegieren und ganz unterschiedliche Charaktere ins Team zu integrieren – das haben Sie als Betriebsratsvorsitzender in der Regel nicht gelernt. Doch jedes Gremium braucht Führung. Eine effektive und erfolgreiche Arbeit setzt voraus, dass die Interessenvertretung auch professionell geführt wird.

Führungskraft Betriebsrat

Im Management Ihres Betriebs geht es schon lange um Führung und darum, wie Vorgesetzten richtige Führung lernen sowie stetig verbessern können. Für Betriebsratsvorsitzende jedoch ist das häufig ein weißer Fleck. Die Arbeitsbelastung ist hoch, alles geschieht unter Zeitdruck, und in tausend Sachfragen müssen sich die Interessenvertreter einarbeiten. Wenn Sie sich Zeit für das Thema Führungskompetenz nehmen, werden Sie langfristig davon profitieren: Ein gut geführtes Gremium mit motivierten Mitgliedern kann dem Vorsitzenden viel Arbeit abnehmen und ist insgesamt erfolgreicher. Wird der Führungskompetenz hingegen nicht so viel Beachtung geschenkt, entstehen Konflikte, deren Bewältigung extrem viele Ressourcen benötigt. Außerdem werden die anfallenden Aufgaben dann nicht so effizient erledigt.

Betriebsratsvorsitzende sind Alleskönner

Neben dem rechtlichen Wissen sollte sich der Betriebsratsvorsitzende umfangreiche weitere Kenntnisse aneignen. Im Grunde braucht ein moderner Vorsitzender echte Manager-Qualitäten. Er arbeitet eng mit den anderen Gremiumsmitgliedern zusammen und muss in diesem Zusammenhang – auch wenn er kein Vorgesetzter ist – Führungsaufgaben übernehmen.

Praxistipp: Teamentwicklung ist wichtig

Ein Betriebsratsgremium ist dann am erfolgreichsten, wenn alle Mitglieder an einem Strang ziehen – im Sinne der Aufgabe. Das geht leichter, wenn sich die Interessenvertreter als Team verstehen. Dieses Verständnis muss dabei übrigens nicht vom Himmel fallen: Es kann durch eine sogenannte Teamentwicklung durchaus positiv beeinflusst werden. Dabei sollte jedes Mitglied ins Team einbezogen werden und sich dort wiederfinden.

Konflikte sind unvermeidlich

Auch unter Betriebsratsmitgliedern tauchen hin und wieder atmosphärische Störungen oder Meinungsverschiedenheiten auf. Hier kommt dem Vorsitzenden eine wichtige Rolle zu: Meist wird er es sein, der den Konflikt offen anspricht und eine Klärung als Streitschlichter oder Mediator versuchen wird. Konflikte bauen sich über Wochen oder sogar Monate auf. Und oft geht ab einem gewissen Zeitpunkt alles ganz schnell: Ein Tropfen bringt das Fass zum Überlaufen und die Auseinandersetzung eskaliert. Dann ist zunächst eine sorgfältige Analyse des Geschehens erforderlich. Nutzen Sie diesen Gratis-Download, um Konflikte besser einschätzen zu lernen.

Feedback ist wichtig

Nehmen Sie sich im Gremium hin und wieder Zeit für gegenseitige Feedbacks. Dabei sollte es auch um den Punkt „Erwartungen“ gehen: Nur wenn klar ist, was Betriebsratsvorsitzender und „normales“ Mitglied gegenseitig voneinander erwarten,  lässt sich eine gute Beziehung etablieren. Merke: Dabei ist es gar nicht so wichtig, dass alle Erwartungen erfüllt werden. Es ist allerdings absolut zentral, über diese mangelnde Erfüllung rechtzeitig offen zu sprechen, um Enttäuschungen zu vermeiden. Dann erst lassen sich entsprechende Anpassungen vornehmen.

Konfliktbewältigungsgespräche: Übung macht den Meister

Um das Führen von Konfliktbewältigungsgesprächen reißt sich in der Regel niemand. Da gibt es die Befürchtungen, in die Auseinandersetzung mit hineingezogen zu werden, einer Konfliktpartei unrecht zu tun und sehr viel Zeit investieren zu müssen. Diese Befürchtungen bestehen zu Recht. Es ist nicht angenehm, aber wie so viele Dinge im Leben ist auch das eine Frage der Übung.

Informieren Sie als Betriebsratsvorsitzender das gesamte Gremium

Um Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen, können Vorsitzende einiges tun. So lautet eine der wichtigsten Regeln: Informationen sind für alle da. In seltenen Fällen missbrauchen Vorsitzende Informationen, indem sie diese nur häppchenweise oder nur an bestimmte „Auserwählte“ weitergeben. Eine solche Zwei-Klassen-Gesellschaft kann das Klima im Betriebsrat nachhaltig vergiften. Zur Führungskompetenz des Betriebsratsvorsitzenden gehört es, solche Spielchen nicht mitzumachen, schließlich ist jedes Mitglied demokratisch legitimiert. Denn damit sind Konflikte vorprogrammiert. Das heißt:

  • Informieren Sie alle Gremiumsmitglieder gleich(-zeitig), sodass sich alle ein Bild machen können.
  • Sprechen Sie mit allen Kollegen bzw. schicken Sie Ihre E-Mails an alle.

Setzen Sie auf die Unterschiede der Betriebsrats-Mitglieder

Kein Mensch ist wie der andere: Jeder bringt unterschiedliche Stärken und Schwächen, Erfahrungen, Ausbildungen und  Geschichten mit. Das macht Diversity aus. Wer sich intensiv mit seinen Kollegen beschäftigt, wird daher einem weiteren  wichtigen Tool begegnen: der Fähigkeit, Unterschiede im Team nicht nur zu akzeptieren, sondern sogar zum Vorteil aller zu nutzen. Denn Unterschiede zu nutzen heißt,

  • die Kreativität im Team zu erhöhen,
  • die Problemlösungskompetenz zu stärken und
  • dadurch auf neue Entwicklungen in Zukunft flexibler
    reagieren zu können.

Hinweis: Nach Stärken beurteilen und einsetzen

Ein zentrales Tool für BR-Vorsitzende ist es auch, eine gute Beurteilungsfähigkeit zu haben: Gerade beim Thema Delegieren und Eigenverantwortlichkeit ist das der Erfolgsfaktor überhaupt. Hier gilt es, zu erkennen, welches Gremiumsmitglied das Potenzial zu einem „Mehr“ an Eigenverantwortlichkeit hat und wer eher mit festen Strukturen und Aufgaben „versorgt“ werden muss. Dies ist letztlich eine Erfahrungssache, die aber durchaus gezielt trainiert werden kann.

Seien Sie empathisch

Übrigens ist eine wichtige Eigenschaft in diesem Zusammenhang die Empathie, also Interesse, aufrichtige Neugierde und  Leidenschaft für Menschen. Dazu zählen Fragen wie: Wie geht es meinen Gremiumskollegen? Wie fühlen sie sich? Was  sind die (Beweg-)Gründe für ihr Handeln? Achtung: Das heißt nicht, alles abzunicken oder für alles Verständnis zu haben.  Aber die Fähigkeit zur Empathie bedeutet, sich auf sein Gegenüber ohne Vorurteile und Werturteile einzulassen. Wer sich in andere hineinversetzen kann, erkennt die Bedürfnisse des Gegenübers leichter. Wer die Bedürfnisse seiner BR- Mitglieder kennt, wird leichter erkennen, wie sie zu motivieren sind und was sie antreibt.

Autor*in: Silke Rohde (ist Rechtsanwältin & Journalistin sowie Chefredakteurin des Fachmagazins Betriebsrat KOMPAKT.)