23.08.2017

EU-Arbeitszeitrahmen überschritten: Ausgleich von Mehrarbeit

Erklären sich Feuerwehrbeamte freiwillig bereit, über die europarechtlich zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Stunden in der Woche hinaus Dienst zu leisten, können sie als Beamte von ihrem Dienstherrn Freizeitausgleich verlangen. Ist dies nicht möglich, kann bei rechtzeitiger Antragstellung ein Ausgleich in Form einer Entschädigung verlangt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat am 20.7.2017 über Ausgleichsansprüche von kommunalen Feuerwehrbeamten im Land Brandenburg für Mehrarbeit entschieden (BVerwG 2 C 31.16 und weitere).

Mehrarbeit

Anspruch auf Freizeitausgleich bei Mehrarbeit

Feuerwehrbeamte, die sich freiwillig bereit erklärt haben, über die unionsrechtlich zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Stunden in der Woche hinaus Dienst zu leisten, können hierfür von ihren Dienstherrn – in den konkreten Fällen den Städten Potsdam, Oranienburg und Cottbus – Freizeitausgleich für ihre Meehrarbeit verlangen. Kann der Dienstherr den primär auf Freizeitausgleich gerichteten Ausgleichsanspruch der Beamten nicht binnen Jahresfrist erfüllen, so besteht ab dem Folgemonat der Geltendmachung dieses Anspruchs ein Entschädigungsanspruch in Geld.

In den Jahren 2007 bis 2013 verrichteten die Beamten auf eigenen Antrag Schichtdienst mit bis zu 56 Wochenstunden. 2010 und später machten sie geltend, die Dienstzeit, die über die unionsrechtlich zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden hinausgehe, sei infolge fehlerhafter Anwendung und Umsetzung von Unionsrecht als unionsrechtswidrige Mehrarbeit finanziell abzugelten. Damit hatten sie in den Vorinstanzen überwiegend Erfolg.

Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revisionen der beklagten Städte die auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch gestützten Klagen der Feuerwehrbeamten für die Zeiträume abgewiesen, die vor der erstmaligen Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs für unionsrechtswidrige Mehrarbeit durch die Beamten lagen. Für die Zeiträume nach der Geltendmachung des Ausgleichs für die Mehrarbeit hat das Bundesverwaltungsgericht jeweils das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.

Frühere Rechtsverordnung verletzten EU-Recht

Zur Begründung hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt: Dem Grunde nach ist ein unionsrechtlicher Haftungsanspruch der Kläger gegen ihre Dienstherren zu bejahen. Die unionsrechtlich fehlerhafte Umsetzung der nach der EU-Arbeitszeitrichtlinie möglichen Ausnahmeregelung („Opt-out“) von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden (mit Einverständnis der Beamten) ist zwar vom brandenburgischen Landesgesetzgeber zu verantworten. Die Anwendung des fehlerhaften Landesrechts – hier: von Rechtsverordnungen über die Arbeitszeit von Feuerwehrbeamten aus den Jahren 2007 und 2009 – ist aber den beklagten Städten als Dienstherren der Feuerwehrbeamten anzulasten. Denn damit haben sie den Anwendungsvorrang des Unionsrechts nicht beachtet. Die Rechtsverordnungen verletzen offenkundig jedenfalls das in der EU-Arbeitszeitrichtlinie geregelte Nachteilsverbot, wonach keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten. Dieses Nachteilsverbot hat der brandenburgische Gesetzgeber erst in einer 2014 in Kraft getretenen Rechtsverordnung über die Arbeitszeit von Feuerwehrbeamten normiert.

Anspruch musste rechtzeitig beantragt werden

Erklären sich Beamte freiwillig zu Arbeitsschichten über die EU-rechtliche Grenze von 48 Wochenstunden hinaus bereit, können sie hierfür nicht rückwirkend mehr Geld verlangen. Denn auch auf der Grundlage des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs hat der Dienstherr nur die unionsrechtswidrige Mehrarbeit auszugleichen, die ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet wird. Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich – anders als beamtenrechtliche Besoldungs- oder Versorgungsansprüche – nicht unmittelbar aus Gesetz ergeben, bedürfen einer vorherigen Geltendmachung. Für Ansprüche wegen rechtswidriger Mehrarbeit gilt dies in besonderer Weise. Diese sind nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Durch den Hinweis des Beamten ist daher zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich ist und ob eine rechtswidrige Mehrarbeit – etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne – vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden kann. Ohne entsprechende Rüge muss der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die Überschreitung der aktuellen Arbeitszeitregelung beanstanden. Auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Ausgleichspflicht hat der Dienstherr ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren konfrontiert zu werden.

Finanzieller Ausgleich

Ab dem Monat nach einer berechtigten Rüge des Beamten hat der Dienstherr, kompensiert er die rechtswidrige Mehrarbeit nicht mit Freizeitausgleich, diese Mehrarbeit nach den Grundsätzen über die Mehrarbeitsvergütung auszugleichen. Der finanzielle Ausgleich erfolgt dabei nicht pauschal nach der Differenz zwischen der Höchstarbeitszeit und der genehmigten Mehrarbeit. Er richtet sich vielmehr nach den vom Beamten konkret geleisteten Dienststunden.

 

Autor*in: Werner Plaggemeier (langjähriger Herausgeber der Onlinedatenbank „Personalratspraxis“)