Einzelne Betriebsräte können Beschluss nicht überprüfen lassen
Streitigkeiten zwischen Betriebsrat und einzelnen Betriebsräten über Fragen der innerbetrieblichen Demokratie sind selten. Das BAG hatte jüngst einen solchen Fall auf dem Tisch und entschied, dass einzelne Betriebsräte nicht dazu befugt sind, klären zu lassen, ob der Sitzungsleiter das Stimmverhalten korrekt gewürdigt hat. BAG, Beschluss vom 07.06.2016, Az.: 1 ABR 30/14
Worum geht es?
Mitbestimmung. Im Daimler-Werk in Stuttgart sind rund 20.000 Beschäftigte tätig. Der Betriebsrat besteht aus 43 Mitgliedern. Das Gremium bestimmt per Mehrheitsbeschluss sogenannte Kommunikationsbeauftragte. Deren Aufgabe ist es, die Kommunikation zwischen Belegschaft und Betriebsrat zu gewährleisten und zu fördern. Bei der Abstimmung über die Bestellung der Kommunikationsbeauftragten wurde zunächst nach „Nein-Stimmen“ und dann nach „Enthaltungen“ und nicht ausdrücklich nach „Ja-Stimmen“ gefragt. Mit der angewendeten „Subtraktionsmethode“ waren fünf Betriebsratsmitglieder nicht einverstanden und zogen vor Gericht. Sie hielten die Feststellung der Stimmenmehrheit im Wege dieser Methode für unzulässig. Sie sei betriebsverfassungswidrig und mit demokratischen Grundsätzen nicht vereinbar. Erforderlich sei ein aktives Bekenntnis zur Annahme eines Antrags, da nicht auszuschließen sei, dass anwesende Betriebsräte bei der Stimmabgabe abgelenkt seien oder deren Zahl während einer Sitzung schwanke.
Das sagt das Gericht
Das BAG wies die Rechtsbeschwerde der fünf Betriebsratsmitglieder wegen fehlender Antragsbefugnis ab. Mitglieder des Betriebsrats könnten weder die Unwirksamkeit eines Beschlusses noch die Rechtswidrigkeit von Handlungen gerichtlich geltend machen, solange und soweit keine eigene betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition betroffen sei. Ein einzelnes Mitglied sei daran gehindert, die Feststellung eines Abstimmungsergebnisses durch die Sitzungsleitung überprüfen zu lassen. Zwar sei das Recht auf Stimmabgabe eine eigene Rechtsposition. Die Antragsteller hätten jedoch nicht behauptet, dass das eigene Stimmverhalten falsch festgestellt worden sei, sondern wollten vielmehr festgestellt wissen, dass der Sitzungsleiter das Verhalten anderer Betriebsratskollegen fehlerhaft als Ja-Stimme gewertet habe. Dies betreffe das Recht der anderen Betriebsratsmitglieder. BAG, Beschluss vom 07.06.2016, Az.: 1 ABR 30/14
Das bedeutet für Sie als Betriebsrat
Zu den betriebsverfassungsrechtlichen Rechtspositionen eines Betriebsratsmitgliedes gehören u. a. das Recht auf Teilnahme an den Sitzungen des Betriebsrats, das Rederecht in den Sitzungen sowie das Recht auf Stimmabgabe. Würdigt die Sitzungsleitung die Stimme eines Betriebsratsmitgliedes nicht oder unzutreffend, so ist darin ein unzulässiger Eingriff in das Recht auf Stimmabgabe zu sehen, gegen den das betroffene Betriebsratsmitglied gerichtlich vorgehen kann – vorausgesetzt, es rügt konkret die Verletzung der eigenen Rechtsposition.
Hinweis
Die Leitung der Betriebsratssitzung erfolgt durch den Betriebsratsvorsitzenden, der auch das Verfahren über die Beschlussfassung leitet und dessen Ergebnis festhält. Ein bestimmtes Abstimmungsprozedere sieht das BetrVG nicht vor. Soweit die Modalitäten des Verfahrens bei der Durchführung von Beschlussfassungen festgelegt werden können, obliegt dies dem Betriebsratsvorsitzenden.
Subtraktionsmethode zulässig
Mit der Frage der richtigen Art und Weise der Abstimmung beschäftigte sich das BAG aufgrund der fehlenden Antragsbefugnis erst gar nicht. Dazu an dieser Stelle nur so viel: Der Bundesgerichtshof hat die Subtraktionsmethode bei Abstimmungen einer Wohnungseigentümerversammlung als zulässig erachtet (BGH, Beschluss vom 19.09.2012, Az.: V ZB 37/02). Auch bei Abstimmungen nach dem Aktiengesetz (AktG) ist die Subtraktionsmethode zulässig, sofern die Gesamtzahl der Teilnehmer zuverlässig aus dem Teilnehmerverzeichnis und einer Präsenzliste entnommen werden kann.
Hinweis
Im Streitfall hatte der Betriebsrat die Präsenz namentlich festgelegt. Überträgt man die Grundsätze des BGH-Urteils und aus dem AktG auf den Fall, war die Subtraktionsmethode zulässig.