21.06.2016

Dürfen Kirchen Einstellungen von der Konfession abhängig machen?

Die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland genießen eine Sonderrolle im Arbeitsrecht, die es ihnen z. B. ermöglicht, Einstellungen von der Konfession abhängig zu machen. Das BAG hat jetzt dem EuGH die Frage vorgelegt, ob eine solche Einstellungspraxis mit EU-Recht vereinbar ist. BAG, Beschluss vom 17.03.2016, Az.: 8 AZR 501/14 (A)

Konfessionslose Bewerberin

Worum geht es?

Arbeitsrecht. Eine konfessionslose Sozialpädagogin bewarb sich beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung auf eine Stelle als Referentin. Voraussetzung für den Job war laut Ausschreibung die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder anderen christlichen Kirche „und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag“. Die Bewerberin wurde nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Sie war der Ansicht, dass ihre Konfessionslosigkeit der Grund für die Nichtberücksichtigung gewesen sei. Sie fühlte sich aus religiösen Gründen diskriminiert und erhob Klage auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von rund 10.000 €.

Das sagt das Gericht

Das LAG Berlin-Brandenburg hatte die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass es nicht zu beanstanden sei, dass das evangelische Werk für die ausgeschriebene Referententätigkeit eine Identifikation mit ihm fordere, die nach außen durch die Kirchenmitgliedschaft dokumentiert werde. Es verwies zudem auf das im Grundgesetz verankerte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, wonach sie ihr kirchliches Arbeitsrecht selbst regeln dürfen. Die Ungleichbehandlung der Bewerberin sei daher gerechtfertigt gewesen. EU-Recht stehe dem nicht entgegen. Das BAG ist sich in dieser Frage nicht so sicher und hat deshalb dem EuGH die Frage vorgelegt, unter welchen Voraussetzungen die Kirchen und ihre Einrichtungen Einstellungen auch von der Konfession eines Bewerbers abhängig machen dürfen. Daher muss nun der EuGH prüfen, ob die deutschen Vorschriften und damit auch das Vorgehen der Kirchen mit EU-Recht im Einklang stehen. BAG, Beschluss vom 17.03.2016, Az.: 8 AZR 501/14 (A)

Hinweis

Es geht hier konkret um die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG, wonach eine Ungleichbehandlung wegen der Religion keine Diskriminierung darstellt, wenn die „Religion (…) nach der Art dieser Tätigkeiten oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung (…) darstellt“.

Das bedeutet für Sie als Betriebsrat

Die christlichen Kirchen in Deutschland gelten als sogenannte Tendenzbetriebe. Das heißt in kirchlichen Einrichtungen gilt gemäß § 118 Abs. 2 BetrVG das Betriebsverfassungsgesetz nicht. Dementsprechend gibt es dort auch keine Betriebsräte. Die Kirchen haben eigene Mitarbeitervertretungen geschaffen, deren Einflussmöglichkeiten aufgrund schwacher Mitbestimmungsrechte jedoch nicht mit denen der Betriebsräte zu vergleichen sind.

Christen bevorzugt – auch in Zukunft?

Rund 1,3 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland sind in kirchlichen Einrichtungen beschäftigt, z. B. in Kindertagesstätten, Krankenhäusern oder Bildungseinrichtungen. Von den meisten dieser Jobs ist der nicht-christliche bzw. konfessionslose Teil der Bevölkerung von vornherein ausgeschlossen. Der Grund hierfür ist die Vorschrift des § 9 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz). Sie gestattet es den Religionsgemeinschaften, bei Stellenbesetzungen christliche Bewerber zu bevorzugen. Doch wie lässt sich diese Norm mit dem Grundsatz vereinbaren, dass niemand wegen seines Glaubens diskriminiert werden darf?

Hinweis

Genau diese Frage hat nun der EuGH zu beantworten. Möglicherweise ist § 9 AGG europarechtswidrig. Sollte das der Fall sein, droht ein Konflikt mit dem Bundesverfassungsgericht, das den Kirchen ein „eigenes“ Arbeitsrecht zugesteht. Mit anderen Worten steht die Sonderrolle der deutschen Kirchen auf dem Prüfstand des EuGH. Kommt es zum großen Paukenschlag? Sobald eine Entscheidung gefallen ist, erfahren Sie es hier.

Autor*in: Redaktion Mitbestimmung