Diese Corona-Urteile sollten Sie als Betriebsrat kennen
Leider wird uns die Corona-Pandemie weiter beschäftigen, insbesondere auch am Arbeitsplatz. Daher ist es sinnvoll, aktuelle Gerichtsentscheidungen im Blick zu haben, die wichtige Fragen verbindlich klären.
Nichttragen des Mund-Nasen-Schutzes kann Kündigung rechtfertigen
Der Streitfall
Die Leitung einer Logopädiepraxis wies ihre Beschäftigten an, bei der Arbeit einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Eine der angestellten Logopädinnen verweigerte das Tragen einer solchen Maske und legte ein ärztliches Attest vor, wonach ihr das Tragen einer Maske nicht zuzumuten sei. Der Arbeitgeber akzeptierte das Attest nicht und rückte von der Verpflichtung zum Tragen der Maske nicht ab. Als die Beschäftigte dieser Anweisung weiterhin nicht nachkam, kündigte ihr der Arbeitgeber wegen Arbeitsverweigerung.
Die Entscheidung
Die Kündigung war rechtmäßig, weil die Logopädin ihre Arbeit unberechtigt verweigert habe. Ihr Arbeitgeber durfte das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes anordnen. Nachdem die Beschäftigte dieser Aufforderung nicht nachkam, konnte sie vom Arbeitgeber nicht mehr eingesetzt werden. Außerdem waren die vorgelegten Atteste nicht geeignet, eine wirksame Befreiung zu begründen. Atteste, in denen lediglich festgestellt wird, dass der Antragsteller aus gesundheitlichen Gründen von der Maskenpflicht befreit sei, können nicht Grundlage einer Befreiungsentscheidung sein. Vielmehr muss aus dem Attest hervorgehen, welche konkret zu benennenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufgrund einer Maske zu erwarten sind und woraus diese im Einzelnen resultieren. Zudem muss erkennbar sein, auf welcher Grundlage der attestierende Arzt zu seiner Einschätzung gekommen ist (vgl. auch VG Würzburg, Beschluss vom 16.09.2020, Az.: W 8 E 20.1301). Wenn im Attest nur die „Unzumutbarkeit des Tragens“ erwähnt wird, ist das nicht hinreichend aussagekräftig und zur Glaubhaftmachung gesundheitlicher Gründe, die eine Befreiung von der Maskenpflicht rechtfertigen, nicht ausreichend (vgl. so auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 25.08.2020, Az.: 18 L 1608/20). Arbeitsgericht Cottbus, Urteil vom 17.06.2021, Az.: 11 Ca 10390/20
Das bedeutet für Sie als Betriebsrat
Wie schon die Verwaltungsgerichte legt auch das Arbeitsgericht Cottbus die Messlatte für die Tragfähigkeit eines ärztlichen Attests über die Befreiung von der Maskenpflicht recht hoch. Damit haben Arbeitgeber ein wichtiges Instrument an der Hand, um die übrigen Beschäftigten sowie Kunden, Patienten oder weitere Dritte wirksam vor Corona-Infektionen in ihrem Verantwortungsbereich zu schützen. Denn Arbeitgeber brauchen nach der Auffassung gleich mehrerer Gerichte keine „dubiosen“ oder zumindest nicht aussagekräftigen Befreiungsbescheinigungen zu akzeptieren. Ob ein Beschäftigter von der Maskenpflicht entbunden ist, entscheidet damit nicht der Arzt (der die Bescheinigung ausstellt), sondern der Arbeitgeber. Er hat das Recht, das Attest dahin gehend kritisch zu überprüfen. Besonders wichtig wird dies – wie im vorliegenden Fall – in einem Dienstleistungsbetrieb, in dem ein physischer Kundenkontakt besteht und die Beschäftigten nicht anderweitig eingesetzt werden dürfen.
Kein allgemeiner gesetzlicher Anspruch auf Tätigkeit im Homeoffice
Der Streitfall
Geklagt hatte ein Grafiker, der – wie fast alle seiner Kollegen auch – seit Dezember 2020 mit Erlaubnis seines Arbeitsgebers im Homeoffice gearbeitet hatte. Während der Tätigkeit zu Hause führte der Beschäftigte seine Arbeiten an dem im Eigentum seiner Ehefrau stehenden Laptop und unter Nutzung einer auf die Ehefrau zugelassenen Grafiklizenz für mehrere Arbeitsplätze aus. Diese Software war über Apple Cloud stets auf dem aktuellen Stand, wohingegen die Technik des Arbeitgebers auf dem Stand von ca. 2010 ist. Bei der Speicherung von zu Hause erbrachten Grafikleistungen des Arbeitnehmers im Büro des Arbeitgebers kommt es deshalb zu einem „downgrade“, d. h. zu einer Herabstufung. Dies kann zu einem Verlust bestimmter Eigenschaften führen.
Arbeitgeber ordnete im Februar 2021 die Rückkehr des Mitarbeiters ins betriebliche Büro an
Der Arbeitgeber ordnete gegenüber dem Kläger mit E-Mail vom 24.02.2021 die Anwesenheitspflicht im Büro zu den Bürozeiten 09:00 bis 18:00 Uhr mit entsprechender Mittagspause an. Der Arbeitnehmer wollte aber aus Angst vor Ansteckung mit dem Coronavirus nicht wieder ins Büro zurückkehren wollte. Er klagte darauf, dass ihm das Arbeiten aus dem Homeoffice gestattet wird.
Die Entscheidung
Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf eine Tätigkeit im Homeoffice. Dieser ist nicht durch den Arbeitsvertrag oder eine Betriebsvereinbarung begründet worden. Einen gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice gibt es nicht. Der Arbeitgeber konnte in diesem Fall überzeugend argumentieren, dass die technische Ausstattung am häuslichen Arbeitsplatz nicht mit der im Büro kompatibel gewesen sei und es zudem Probleme mit dem Datenschutz gab.
Arbeitnehmer kann sich nicht auf Infektionsrisiko berufen
Aber auch unabhängig davon konnte sich der Beschäftigte nicht wirksam darauf berufen, dass er aus Angst vor Ansteckung zu Hause bleiben dürfe. Er ist zwar aufgrund seines Lebensalters grundsätzlich einem erhöhten Risiko einer Infektion durch COVID-19 bzw. einem besonders schweren Verlauf dieser Erkrankung ausgesetzt, benutzte aber für seinen Arbeitsweg regelmäßig das Auto. Im Büro stand dem Arbeitnehmer ein Einzelbüro zur Verfügung, das er nach seinem Belieben lüften konnte. Hinzu kommt, dass im Büro ein Hygienekonzept galt. Unter diesen Umständen konnte der Arbeitgeber ein Ansteckungsrisiko für den Mitarbeiter und seine Angehörigen als gering einschätzen. LAG München, Urteil vom 26.08.2021, Az. 3 SaGa 13/21
Das bedeutet für Sie als Betriebsrat
Dieses Urteil ist ein weiterer Teil der scheinbar unendlichen Geschichte „(kein) Anspruch auf Homeoffice“. Arbeitsrechtlich betrachtet ist die Sache seit vielen Jahren relativ eindeutig: Einen gesetzlichen, vor Gericht notfalls einklagbaren Anspruch darauf, dass Beschäftigte zu Hause arbeiten dürfen, gibt es nicht. Das gilt selbst für den speziellen Zeitraum, in dem der Sachverhalt der vorliegenden Entscheidung liegt: Denn von Januar bis Juni 2021 waren Arbeitgeber im Rahmen der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung verpflichtet, wegen der Corona-Pandemie alle Arbeitnehmer ins Homeoffice zu schicken, falls das nur irgendwie möglich war. Ausnahmen galten nur in seltenen Fällen, z. B. bei zwingenden entgegenstehenden betrieblichen Gründen, wie etwa IT- oder auch Datenschutzproblemen. Interessant an der damals geltenden Verordnung war, dass dadurch Arbeitgeber verpflichtet wurden, entsprechend zu handeln – allerdings verlieh diese Vorschrift den Arbeitnehmern keinen durchsetzbaren Anspruch darauf, im Homeoffice tätig sein zu können. Das hatte sich der Gesetzgeber selbst in der Notlage während der Pandemie nicht getraut. Und wenn dann nicht, wann jemals überhaupt? – ist die Frage, die sich geradezu aufdrängt. Zurzeit gibt es offensichtlich keine Pläne, ein gesetzlich verbrieftes Recht für Arbeitnehmer auf Homeoffice zu verankern.
Damit bleiben nur Tarifverträge, betriebliche oder einzelvertragliche Regelungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die einen solchen Anspruch begründen könnten. Viele Arbeitgeber bieten hier auch schon recht großzügige Lösungen an, die nicht zuletzt dadurch begründet sind, dass Arbeitnehmer solche Angebote in Zeiten des Fachkräftemangels regelmäßig erwarten.
Erwartbare Entscheidung
Ganz im Zuge der herrschenden Meinung in arbeitsrechtlicher Fachliteratur und Rechtsprechung urteilt das LAG München hier auch erwartbar, dass der Anspruch auf Homeoffice selbst während der Pandemie nicht bestand, sondern der Arbeitgeber zu Recht die Rückkehr in das betriebliche Büro fordern konnte. Denn laut Auffassung des Gerichts hat sich der Arbeitgeber auf klare betriebliche Gründe – unterschiedliche technische Ausstattung zwischen häuslichem Arbeitsplatz und Büro, datenschutz- und wettbewerbsrechtliche Probleme – und Gründe im Verhalten des Beschäftigten – fehlende An- und Abmeldung der Arbeitszeiten sowie fehlende Teilnahme an virtuellen Mitarbeitermeetings – berufen, die für die Weisung ausschlaggebend waren.
Er hatte somit überzeugend argumentiert, warum das Homeoffice hier nicht weiter genutzt werden sollte. Damit handelte er innerhalb seines Ermessensspielraums im Rahmen des Direktionsrechts und seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit. Eine wichtige Erkenntnis des Urteils ist in diesem Zusammenhang, dass Arbeitgeber selbst darüber entscheiden können, welche technischen Betriebsmittel sie nutzen – im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber etwa das Recht, die – eigentlich veraltete – Technik weiter zu nutzen. Dies war auch ein legitimer Grund, um den Arbeitnehmer aus dem Homeoffice zurückzubeordern.
Praxistipp: Mitbestimmung nutzen!
Das Fehlen eines gesetzlichen Anspruchs spielt den Ball in Sachen Recht auf Homeoffice zu den Tarif- bzw. Betriebsparteien, d. h. es sind eigene Lösungen gefragt, um den Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gerecht zu werden. In jedem Fall aber dürfte sich die Zeit kaum wieder zurückdrehen lassen: Immer mehr Beschäftigte werden das Homeoffice einfordern und vielen Arbeitgebern bleibt nichts anderes übrig, diese Wünsche zu erfüllen, um die Mitarbeiter nicht zu verlieren. Betriebsräte sind daher gut beraten, die Kollegen in ihrem Wunsch nach mehr Homeoffice zu unterstützen.