18.07.2023

Das ist die Rolle des Betriebsratsvorsitzenden

Der Betriebsrat wählt den Vorsitzenden aus seiner Mitte in der konstituierenden Sitzung. Besondere Rechte hat der Vorsitzende nach dem BetrVG nicht, aber einige besondere Aufgaben. Wer zum Vorsitzenden gewählt wurde, ist deshalb nicht der Chef – aber eine gewisse leitende und integrierende Rolle kommt ihm natürlich trotzdem zu. Dabei sind einige Eigenschaften und Tools hilfreich, um im Gremium eine gute und produktive Stimmung zu erzeugen.

Betriebsratsvorsitz

In kleineren Gremien führt der Vorsitzende die laufenden Geschäfte des Betriebsrats

Eine Besonderheit gibt es in Gremien mit weniger als neun Mitgliedern: Nach § 27 Abs. 3 BetrVG können diese Betriebsräte die laufenden Geschäfte auf den Vorsitzenden übertragen. Hintergrund: In diesen Interessenvertretungen gibt es keinen Betriebsausschuss (§ 27 BetrVG). Dieser führt gemäß § 27 Abs. 2 BetrVG in größeren Räten die laufenden Geschäfte. Eine Übertragung auf den Vorsitzenden kann etwa in der Geschäftsordnung festgelegt werden. Dort sollte dann auch stehen, um welche Aufgaben es genau geht.

Viele Kenntnisse aus unterschiedlichen Bereichen sind gefragt

Neben dem rechtlichen Wissen sollte sich der Betriebsratsvorsitzende umfangreiche weitere Kenntnisse aneignen, wenn er erfolgreich und effizient arbeiten möchte. Häufig steht und fällt das ganze Gremium mit der Stärke des Vorsitzenden. Im Grunde braucht ein moderner Vorsitzender echte Managerqualitäten. Er arbeitet eng mit den anderen Gremiumsmitgliedern zusammen und muss in diesem Zusammenhang – auch wenn er kein Vorgesetzter ist – Führungsaufgaben übernehmen (siehe Übersicht unten). Der Weg zum „guten“ Vorsitzenden ist eine stetige Entwicklung. Dabei sollten sich Vorsitzende auch nicht zu sehr unter Druck setzen und sich Zeit geben.

Wenn Sie sich Zeit für das Thema Führungskompetenz nehmen, werden Sie langfristig davon profitieren: Ein gut geführtes Gremium mit motivierten Mitgliedern kann dem Vorsitzenden viel Arbeit abnehmen und ist insgesamt erfolgreicher. Wird der Führungskompetenz hingegen nicht so viel Beachtung geschenkt, entstehen Konflikte, deren Bewältigung extrem viele Ressourcen benötigt. Außerdem werden die anfallenden Aufgaben dann nicht so effizient erledigt.

Übersicht: Führungsaufgaben des Betriebsratsvorsitzenden

  • Organisation der Gremiumsarbeit, Planung der internen Arbeitsabläufe, delegieren, für zuverlässige Erledigung der anstehenden Themen sorgen (Geschäftsordnung)
  • Teamentwicklung des Gremiums/Konfliktlösung
  • Information und Kommunikation (Gremium, andere Institutionen des BetrVG, Belegschaft, Geschäftsleitung, Gewerkschaft)
  • rhetorische Fähigkeiten
  • Verhandlungssicherheit

Hilfreiche Führungstools

Ein guter BR-Vorsitzender fragt sich – gerade zu Beginn der Amtszeit – zum einen, wo er steht, aber zum anderen natürlich auch, wo er hinwill: Welche Projekte und Ziele gilt es zu verwirklichen? Diese Ist-Soll-Analyse ist ein Baustein der Fähigkeit, über sich und das Betriebsratsamt generell nachzudenken.

Dazu gehört auch das Beantworten von Fragen wie:

  • Was für ein Verständnis von meiner Rolle als BR-Vorsitzender habe ich?
  • Was ist mir persönlich wichtig?
  • Welches Bild habe ich von mir selbst als Vorsitzendem?
  • Welches Bild haben andere (Geschäftsleitung/BRKollegen/ Beschäftigte) von mir als Vorsitzendem?

Das Beschäftigen mit solchen Punkten ist zweifelsohne ein Zeichen von Stärke und Souveränität – auch und gerade dann, wenn einem selbst vielleicht einige Antworten nicht gefallen. Nur wer sich dem stellt, wird als Persönlichkeit wachsen.

Tool 1: Verbessern Sie Identifikation und Motivation

Kluge Vorsitzende wissen, dass nur das Gremium erfolgreich sein kann, das engagiert zusammenarbeitet und an einem Strang zieht. Der Weg dazu führt zunächst über Identifikation und Motivation:

Beschäftigte, die sich mit dem Betriebsrat und seinen Aufgaben identifizieren, werden auch motiviert daran arbeiten, die Ziele des Betriebsrats und damit die in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Sie setzen sich ein, um engagiert und voller Elan ihre Aufgaben umzusetzen.

Ein zentrales Tool für BR-Vorsitzende ist es auch, eine gute Beurteilungsfähigkeit zu haben: Gerade beim Thema Delegieren und Eigenverantwortlichkeit ist das der Erfolgsfaktor überhaupt. Hier gilt es, zu erkennen, welches Gremiumsmitglied das Potenzial zu einem „Mehr“ an Eigenverantwortlichkeit hat und wer eher mit festen Strukturen und Aufgaben „versorgt“ werden muss. Dies ist letztlich eine Erfahrungssache, die aber durchaus gezielt trainiert werden kann.

Tool 2: Setzen Sie auf Vielfalt im Betriebsrat

Kein Mensch ist wie der andere: Jeder bringt unterschiedliche Stärken und Schwächen, Erfahrungen, Ausbildungen und Geschichten mit. Das macht Diversity aus. Wer sich intensiv mit seinen Kollegen im Gremium beschäftigt, wird daher einem weiteren wichtigen Tool begegnen: der Fähigkeit, Unterschiede im Team nicht nur zu akzeptieren, sondern sogar zum Vorteil aller zu nutzen. Denn Unterschiede zu nutzen heißt, – die Kreativität im Team zu erhöhen, – die Problemlösungskompetenz zu stärken und – dadurch auf neue Entwicklungen in Zukunft flexibler reagieren zu können.

Tool 3: Nehmen Sie Anteil

Übrigens ist eine wichtige Eigenschaft in diesem Zusammenhang die Empathie, also Interesse, aufrichtige Neugierde und Leidenschaft für Menschen. Dazu zählen Fragen wie: Wie geht es meinen Gremiumskollegen? Wie fühlen sie sich? Was sind die (Beweg-)Gründe für ihr Handeln? Achtung: Das heißt nicht, alles abzunicken oder für alles Verständnis zu haben. Aber die Fähigkeit zur Empathie bedeutet, sich auf sein Gegenüber ohne Vorurteile und Werturteile einzulassen. Wer sich in andere hineinversetzen kann, erkennt die Bedürfnisse des Gegenübers leichter. Wer die Bedürfnisse seiner BR-Mitglieder kennt, wird leichter erkennen, wie sie zu motivieren sind und was sie antreibt.

Tool 4: Gehen Sie Konflikte im Betriebsrat gezielt an

Dass Konflikte passieren, lässt sich nicht vermeiden. Die Frage ist jedoch, wie man mit diesen Konfliktsituationen umgeht, und vor allem, welche Lehren man daraus zieht. Deshalb: Keine Angst vor Konflikten! Grundsätzlich sind sie etwas Produktives und können durchaus positive Veränderungen in Gang setzen. Hier gilt genau dasselbe wie für einzelne Personen: Starke Teams sind reflektierende Teams. Deshalb ist das Diskutieren folgender Punkte sinnvoll:

  • Was läuft gut bei uns?
  • Was können wir verbessern?
  • Was müssen wir tun, um das Gute beizubehalten bzw. weiter zu verbessern?
  • Was müssen wir tun, um das, was nicht gut läuft, abzuändern?

Nehmen Sie sich im Gremium hin und wieder Zeit für gegenseitige Feedbacks. Dabei sollte es auch um den Punkt „Erwartungen“ gehen: Nur wenn klar ist, was BR-Vorsitzender und „normales“ Mitglied gegenseitig voneinander erwarten, lässt sich eine gute Beziehung etablieren. Merke: Dabei ist es gar nicht so wichtig, dass alle Erwartungen erfüllt werden. Es ist allerdings absolut zentral, über diese mangelnde Erfüllung rechtzeitig offen zu sprechen, um Enttäuschungen zu vermeiden. Dann erst lassen sich entsprechende Anpassungen vornehmen.

Übersicht: Gesetzliche Aufgaben nach dem BetrVG

  • Der Vorsitzende vertritt den Betriebsrat gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 BetrVG im Rahmen der vom Gremium gefassten Beschlüsse. Gibt sich das Gremium beispielsweise eine Geschäftsordnung, so hat der Vorsitzende dies dem Arbeitgeber mitzuteilen. Er hat keine inhaltliche Einflussmöglichkeit. Zudem kann er nicht anstelle des Betriebsrats die diesem gesetzlich zugewiesenen Rechte, Pflichten und Aufgaben ausüben und wahrnehmen. Dies kann nur das Gremium selbst.
  • § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG berechtigt ihn dazu, Erklärungen gegenüber dem Betriebsrat entgegenzunehmen. Jede dieser Erklärungen, die gegenüber dem Vorsitzenden schriftlich oder mündlich abgegeben werden, gilt als dem Betriebsrat zugegangen. Dadurch beginnen etwa gesetzliche Fristen zu laufen. In der Regel wird es sich um Erklärungen des Arbeitgebers handeln, z. B. eine Ankündigung einer bevorstehenden Kündigung. Gibt die Geschäftsleitung die Erklärung gegenüber einem anderen Mitglied des Betriebsrats ab, wird diese erst wirksam, wenn das Mitglied den Vorsitzenden darüber informiert hat.
  • Der Vorsitzende hat die Sitzungen des Betriebsrats einzuberufen und zu leiten (§ 29 Abs. 2 Satz 1 und 2 BetrVG). Ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats oder der Arbeitgeber kann ihn dazu zwingen, eine Sitzung anzuberaumen. Dabei muss der Vorsitzende auch das Thema, dessen Beratung beantragt ist, auf die Tagesordnung setzen (§ 29 Abs. 3 BetrVG). – Der Vorsitzende hat nach § 34 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die Protokolle der Betriebsratssitzungen zu unterzeichnen.
  • Der Vorsitzende leitet die Betriebsversammlungen (§ 42 Abs. 1 Satz 1 BetrVG).
  • Der Vorsitzende nimmt an den Sitzungen und Sprechstunden der JAV teil, soweit nicht ein anderes Gremiumsmitglied damit beauftragt wird (§ 65 Abs. 2 Satz 2 und § 69 Satz 3 BetrVG).
Autor*in: Silke Rohde (ist Rechtsanwältin & Journalistin sowie Chefredakteurin des Fachmagazins Betriebsrat KOMPAKT.)