08.09.2021

Das bringt das neue Gesetz zur Betriebsrätemodernisierung

Lange war darum gestritten worden und dann drängte die Zeit, das Projekt vor dem Ende der Legislaturperiode doch noch durchzukriegen: Nun gilt das Betriebsrätemodernisierungsgesetz – ein Gesetz mit sperrigem Namen, dass die Gremiumsarbeit in die Zukunft führen soll. Das ist geglückt, aber nur zum Teil.

Betriebsrätemodernisierungsgesetz

Geschäftsführung Betriebsrat. Das Gesetz enthält einige wichtige Änderungen im Hinblick auf die Betriebsratswahlen, die bekanntlich im Frühjahr 2022 wieder anstehen. Zum einen wird das Alter für das aktive Wahlrecht zum Betriebsrat von 18 auf 16 Jahre gesenkt (§ 7 BetrVG). Dadurch kann sich die Zahl der zu wählenden Gremiumsmitglieder ändern, da die Staffelung des § 9 BetrVG auf der Zahl der wahlberechtigten Beschäftigten basiert.

Vereinfachtes Wahlverfahren wird ausgeweitet

Das in § 14a BetrVG geregelte vereinfachte Wahlverfahren kommt künftig sowohl bei den Wahlen zum Betriebsrat als auch bei der Wahl für die JAV zur Anwendung. Es ist dann in Betrieben mit 51 bis 100 wahlberechtigten Beschäftigten verpflichtend durchzuführen. Außerdem ist es nach der Neuregelung in Betrieben mit 101 bis 200 wahlberechtigten Beschäftigten möglich, sich für das vereinfachte Wahlverfahren zu entscheiden, wenn Wahlvorstand und Arbeitgeber dies vereinbaren. Das vereinfachte Wahlverfahren ist durch einige formelle Vereinfachungen und kürzere Fristen gekennzeichnet; es ist aber immer noch ein komplexes Verfahren, mit dem man sich genau beschäftigen muss. Ob die Neuregelung daher wirklich einen Fortschritt bietet, bleibt abzuwarten.

Wahlkündigungsschutz wird erweitert

In den letzten Jahren werden immer weniger Betriebsräte gegründet. Der Gesetzgeber will daher die Gründung erleichtern. Deshalb wird zum einen der Kündigungsschutz für die zur Wahlversammlung einladenden Beschäftigten auf die ersten sechs – statt bisher die ersten drei – in der Einladung aufgeführten Personen ausgeweitet (§ 15 Abs. 3a Satz 1 KSchG). Damit schützt die Neuregelung eine größere Anzahl Personen, als für das Einladungsschreiben mindestens erforderlich ist (vgl. § 17 Abs. 3 BetrVG). Zum anderen sind künftig auch solche Arbeitnehmer vor Entlassungen geschützt, die die Gründung eines Betriebsrats vorbereiten („Vorfeld-Initiatoren“). Bislang galt der Sonderkündigungsschutz in betriebsratslosen Betrieben erst ab der Einladung zur Wahlversammlung. Nun sind auch Vorfeld-Initiatoren geschützt, falls sie die Absicht zur Betriebsratsgründung notariell beglaubigt erklären und vorbereitende Handlungen unternehmen (§ 15 Abs. 3b KSchG). Betriebsbedingte Entlassungen bleiben allerdings erlaubt.

Virtuelle Betriebsratssitzung bleibt möglich

Wegen der Coronapandemie wurden Sitzungen per Video- und Telefonkonferenzen des Betriebsrats durch § 129 Abs. 1 BetrVG vorübergehend erlaubt. Diese Regelung ist zum 30.6.2021 ausgelaufen. Allerdings bleiben virtuelle Sitzungen zulässig, jedoch soll die Präsenzsitzung weiter Vorrang haben (§ 30 Abs. 1, 2 BetrVG). Nach der neuen Vorschrift ist die Teilnahme an der Sitzung mittels Video- und Telefonkonferenz nur erlaubt, wenn

  • die Voraussetzungen für eine solche Teilnahme in der Geschäftsordnung des Betriebsrats unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt sind,
  • nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats binnen einer von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Frist diesem gegenüber widerspricht und – sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.

Auch der Wahlvorstand kann virtuell tagen – im Vorfeld der Wahlen ist das eine große Erleichterung. Die Möglichkeit, virtuelle Betriebsversammlungen durchzuführen, besteht hingegen nicht mehr.

Hinweis: Vertraulichkeit sicherstellen

Als Gremium müssen Sie dafür sorgen, dass Sie durch technische (z. B. verschlüsselte Verbindung) und organisatorische Maßnahmen (z. B. Nutzung eines Dritten nicht zugänglichen Büros) die Vertraulichkeit sicherstellen. Außerdem müssen Sie alle Vorschriften des Datenschutzes befolgen.

Der Betriebsrat kann virtuell Beschlüsse fassen

Auch in virtuellen Video- oder Telefonkonferenzen können Sie wirksame Beschlüsse fassen, und zwar sowohl wenn alle Mitglieder abwesend sind als auch wenn nur einzelne Mitglieder bei der Präsenzsitzung fehlen und online bzw. per Telefon zugeschaltet sind. Die anzuwendende Vorschrift des § 33 Abs. 1 Satz 2 BetrVG bestimmt, dass Betriebsratsmitglieder, die mittels Video- und Telefonkonferenz an der Beschlussfassung teilnehmen, als anwesend gelten. Das gilt auch für den GBR und KBR sowie für die JAV. Achtung: Sitzungen der Einigungsstellen und der Wirtschaftsausschüsse per Video- und Telefonkonferenz sind seit dem 01.07.2021 nicht mehr erlaubt. Denn die entsprechende Vorschrift des § 129 Abs. 2 BetrVG ist außer Kraft.

Betriebsvereinbarungen: Elektronische Signatur kommt

Virtuelle Betriebsratssitzungen sind nur ein Schritt Richtung Zukunft: Ab jetzt ist es auch möglich, Betriebsvereinbarungen elektronisch zu unterzeichnen. Das bestimmt § 77 Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Voraussetzung ist lediglich, dass Betriebsrat und Arbeitgeber auf demselben Dokument die Signatur leisten. Beim Spruch der Einigungsstelle muss der Vorsitzende das Dokument zuerst elektronisch unterzeichnen, um es dann an Arbeitgeber und Betriebsrat weiterzuleiten (§ 76 Abs. 3 Satz 4 BetrVG).

Datenschutz: Betriebsrat keine verantwortliche Stelle

Bisher war nicht klar, ob der Betriebsrat als verantwortliche Stelle bei der Verarbeitung personenbezogener Daten galt. Mehrheitlich wurde das zwar abgelehnt und nur der Arbeitgeber als solche gesehen, doch ein Rest Unsicherheit blieb. Nun herrscht zum Glück endlich – zumindest ein Stück weit – Klarheit: Ausschließlich der Arbeitgeber gilt als der für die Verarbeitung Verantwortliche im Sinne der DSGVO und des Bundesdatenschutzgesetzes. Dies gilt auch dann, wenn der Betriebsrat solche personenbezogenen Daten in Erfüllung der in seiner Zuständigkeit liegenden Aufgaben verarbeitet. Außerdem ist nun festgelegt, dass der betriebliche Datenschutzbeauftragte auch das Gremium bezüglich der Datenverarbeitung kontrolliert. Er ist hier zur Verschwiegenheit gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet (§ 79a BetrVG).

Hinweis: Viele Fragen zum Datenschutz offen

Bezüglich der Verantwortlichkeit des Betriebsrats beim Datenschutz bleiben viele wichtige Folgefragen offen, die künftig erst in Rechtsprechung und Literatur geklärt werden dürften. So ist nicht sicher, in welchem Umfang das Gremium selbst Verantwortung für die Datenverarbeitung trägt, insbesondere auch bei Verstößen. Es ist auch nicht geklärt, ob und, wenn ja, inwieweit der Arbeitgeber als gesetzlich Verantwortlicher auf die Datenverarbeitung durch den Betriebsrat einwirken kann und es Sanktions- oder Regressmöglichkeiten des Arbeitgebers gibt.

Wie Sie als Betriebsrat beim Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) mitbestimmen

Künstliche Intelligenz wird in der Arbeitswelt immer wichtiger. Entsprechend dazu hat der Gesetzgeber den Einsatz von KI nun ausdrücklich ins BetrVG aufgenommen. Deutlich weitergehende Mitbestimmungsrechte sind damit allerdings aller Wahrscheinlichkeit nach nicht verbunden.

  • So kann das Gremium künftig bei Fragen rund um den Einsatz von KI einen Sachverständigen hinzuziehen. Seine Hinzuziehung ist immer dann erforderlich, wenn das Gremium zur Durchführung seiner Aufgaben die Einführung oder Anwendung von KI beurteilen muss (§ 80 Abs. 3 BetrVG).
  • Außerdem ist künftig klargestellt, dass die betriebliche Interessenvertretung bei der Planung von Arbeitsverfahren und -abläufen auch dann unterrichtet und beratend beteiligt werden muss, wenn der Einsatz von KI im Betrieb vorgesehen ist (§ 90 Abs. 1 Satz 3 BetrVG).
  • Das Gremium darf bei der Festlegung von Auswahlrichtlinien zur Personalauswahl auch dann mitbestimmen, wenn diese Richtlinien ausschließlich oder mit Unterstützung einer KI erstellt werden (§ 95 Abs. 2a BetrVG).

Mitbestimmung bei mobiler Arbeit ausdrücklich ins BetrVG aufgenommen

§ 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG beinhaltet künftig das Recht der Arbeitnehmervertretung, bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit mitzubestimmen, falls diese mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird (also eigentlich immer). Allerdings darf der Arbeitgeber weiterhin ohne Beteiligung des Betriebsrats darüber entscheiden, ob er diese mobile Arbeit einführt. Daher dürfte die Gesetzesänderung kein wirkliches Mehr an Mitbestimmung liefern. Denn bereits bisher waren bei mobiler Arbeit die Mitbestimmungsrechte des § 87 BetrVG anwendbar, vor allem in den Bereichen Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG), Kontrolle und Überwachung der Beschäftigten (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG).

Autor*in: Silke Rohde (ist Rechtsanwältin & Journalistin sowie Chefredakteurin des Fachmagazins Betriebsrat KOMPAKT.)