26.03.2018

Hebel für den Betriebsrat: Das Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht

Verletzt der Arbeitgeber Ihre Mitbestimmungsrechte oder verstößt er in anderer Weise gegen betriebliche oder gesetzliche Regelungen, können Sie als Betriebsrat grundsätzlich vor das Arbeitsgericht ziehen. In einigen Fällen verschließen sich Geschäftsleitungen jeder sachlichen Diskussion und können dann nur vor Gericht wieder „zur Vernunft gebracht“ werden.

Beschlussverfahren Betriebsrat

Geschäftsführung Betriebsrat. Die Arbeitsgerichte sind ein besonderer Zweig der Zivilgerichtsbarkeit. Sie sind zuständig für die Entscheidung arbeitsrechtlicher Streitigkeiten:

  • zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber
  • zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber sowie
  • zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeber bzw. Arbeitgeberverband.

Grafik: Das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren

Das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren

Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden im sogenannten Urteilsverfahren ausgetragen, das in den §§ 2, 46 ff. Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) geregelt ist. Bedeutsamer für die Betriebsräte ist das Beschlussverfahren (§§ 2a, 80 – 98 ArbGG): In ihm stehen sich Gremium und Arbeitgeber gegenüber. Hier werden alle betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten entschieden. Im Verfahren gibt es eine mündliche Verhandlung und, falls nötig, erhebt das Gericht Beweise. Die Beteiligten im Beschlussverfahren heißen übrigens Antragsteller und Antragsgegner.

Definition: Ehrenamtlicher Richter beim Arbeitsgericht

Die Kammer beim Arbeitsgericht ist mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt. Die ehrenamtlichen Richter werden je zur Hälfte von den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden vorgeschlagen.

Eingeschränkte Klagerechte des Betriebsrats

Die Klagerechte des Betriebsrats vor dem Arbeitsgericht sind eher eingeschränkt. Bei vielen Rechtsverstößen des Arbeitgebers bleibt dem Betriebsrat nur, bestimmte Aufsichtsbehörden einzuschalten. Die wenigen Möglichkeiten zur Klage ergeben sich aus:

  • § 23 Abs. 3 BetrVG (Verletzung gesetzlicher Pflichten des Arbeitgebers, z. B. Nichtbeachtung der Beteiligungsrechte des Gremiums)
  • § 101 BetrVG (Zwangsgeld)
  • § 119 BetrVG (Strafvorschriften)
  • § 121 BetrVG (Bußgeldvorschriften)

Zudem hat der Betriebsrat bei der Verletzung seiner Beteiligungsrechte einen allgemeinen Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitgeber, den er gerichtlich durchsetzen kann. Mit diesen Ansprüchen „bewaffnet“ kann der Betriebsrat seine Informations-, Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte durchsetzen. Am häufigsten sind dabei der Anspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG und der allgemeine Anspruch auf Unterlassung die richtigen Mittel.

Video: Wie leitet der Betriebsrat ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren ein?

Einleitung per Antrag des Betriebsrats

Das Beschlussverfahren wird auf Antrag einer Betriebspartei hin eingeleitet, der beim Arbeitsgericht schriftlich eingereicht oder bei der Geschäftsstelle mündlich zur Niederschrift vorgetragen werden muss (§ 81 Abs. 1 ArbGG). Unterschieden werden insbesondere

  • Leistungsanträge (z. B. Antrag auf Kostenerstattung für eine Grundlagenschulung)
  • Feststellungsanträge (z. B. Antrag auf Feststellung, ob der Betriebsrat in einem konkreten Fall ein Mitbestimmungsrecht hat oder nicht)
  • Gestaltungsanträge (z. B. Antrag auf Ersetzung der Zustimmung zu einer personellen Maßnahme, Wahlanfechtung)

In der Antragsschrift muss der Sachverhalt ausführlich geschildert werden. Nur so kann sich das Gericht ein genaues Bild vom Streitfall machen. Unzulässig ist etwa ein Antrag, der lediglich den Gesetzeswortlaut wiederholt.

Unterstützung durch Rechtsanwalt muss vom Betriebsrat beschlossen werden

Hinweis: Rechtsanwalt zur Unterstützung beauftragen

Um Fehler beim Antrag und im weiteren Verlauf des Beschlussverfahrens zu vermeiden, empfiehlt es sich für den Betriebsrat, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, der die gesetzlichen Anforderungen genau kennt und beachtet.

Will der Betriebsrat einen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten beauftragen, hat er darüber in einer Betriebsratssitzung einen Beschluss zu fassen. Ist eine solche Beschlussfassung zunächst unterblieben oder fehlerhaft erfolgt, ist der Betriebsrat in dem Beschlussverfahren nicht ordnungsgemäß vertreten. Dieser Verfahrensfehler kann durch eine nachträgliche Beschlussfassung des Betriebsrats geheilt werden. Dies muss jedoch vor der Entscheidung des Gerichts erfolgen.

Zuerst kommt meist der Gütetermin

In der Regel beginnen Arbeitsgerichtsprozesse mit einem sogenannten Gütetermin. Der Vorsitzende Richter ist dazu zwar nicht verpflichtet, wird in aller Regel aber versuchen, dabei auszuloten, ob eine Chance auf eine schnelle, gütliche Einigung zwischen den Parteien besteht. Gelingt eine Einigung, wird diese in einem gerichtlichen Vergleich festgehalten und das Beschlussverfahren ist damit beendet. Bei der Güteverhandlung sind die ehrenamtlichen Richter nicht anwesend. Sie kommen erst dann zum Einsatz, wenn sich die Parteien nicht auf eine Lösung verständigen wollen oder können und das Beschlussverfahren mit dem Kammertermin fortgesetzt wird.

Persönliches Erscheinen ist Pflicht

In der Güteverhandlung wird der Konflikt weitgehend frei und offen mit den Beteiligten besprochen (sog. Erörterung des Sach- und Streitstandes). Soweit es erforderlich ist, stellt der/die Vorsitzende klärende Fragen an die Betriebsparteien. Das Gericht ordnet in der Regel an, dass die Betriebsparteien zum Gütetermin persönlich erscheinen müssen. Dies gilt auch dann, wenn die Parteien durch Rechtsanwälte vertreten und unterstützt werden.

Besonderheiten des Gütetermins

Das Arbeitsgericht kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche an einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (sog. Güterichter) verweisen. Der Güterrichter darf bei der Streitschlichtung Techniken der Mediation einsetzen (§ 54 Abs. 6 ArbGG). Ebenso kann das Gericht den Betriebsparteien eine Mediation oder ein anderes Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorschlagen (§ 54a Abs. 1 ArbGG).

Praxistipp: Vor dem Gütetermin informieren

Prozessunerfahrene Betriebsrats-Mitglieder sollten sich von dem beauftragen Rechtsanwalt den genauen Ablauf des Gütetermins und etwaige besondere örtliche Gepflogenheiten des Gerichts erklären lassen.

Video: Wie läuft ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren ab?

Auf den gescheiterten Gütetermin folgt die Kammerverhandlung

Erscheint eine der Parteien in der Güteverhandlung nicht oder ist die Güteverhandlung erfolglos, schließt sich die weitere Verhandlung (Kammerverhandlung) sofort oder zu einem späteren Termin an (§ 80 Abs. 2 ArbGG). Während der Gütetermin bereits nach wenigen Wochen stattfindet, vergehen bis zum Kammertermin oft mehrere Monate. In Eilfällen muss der Betriebsrat deshalb zum Mittel der einstweiligen Verfügung greifen, um seine Rechte wirksam und rechtzeitig durchsetzen zu können.

Expertentipp: Beschwerde beim Landesarbeitsgericht

Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts kann Beschwerde beim Landesarbeitsgericht (§ 87 Abs. 1 ArbGG) und, sofern zugelassen, gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Rechtsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht (§ 92 Abs. 1 ArbGG) eingelegt werden.

Die Richter stimmen am Ende ab

Das Gericht soll während des gesamten Verfahrens auf eine gütliche Erledigung des Rechtsstreits hinwirken (§ 80 Abs. 2 ArbGG). Kommt kein gerichtlicher Vergleich zustande, so entscheidet das Arbeitsgericht nach freier, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnener Überzeugung durch einen schriftlichen Beschluss (§ 84 ArbGG). Die ehrenamtlichen Richter wirken bei der Entscheidungsfindung neben den Berufsrichtern gleichberechtigt mit. Sie haben nicht nur beratende Funktion. Die Kammer entscheidet durch einen Mehrheitsbeschluss. Das Abstimmungsergebnis unterliegt allerdings dem Beratungsgeheimnis. Die Parteien erfahren deshalb nicht, wer wie abgestimmt hat.

Hinweis: Kostenrisiko trägt in jedem Fall der Arbeitgeber

Der Betriebsrat hat im Vergleich zum „normalen“ Kläger vor Gericht einen wichtigen Vorteil: Selbst wenn das gerichtsgebührenfreie Beschlussverfahren mit einer Niederlage der Interessenvertretung endet, trägt der Arbeitgeber gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG die etwaig anfallenden Kosten (z. B. das Honorar eines vom Betriebsrat beauftragten Rechtsanwalts).

Autor*in: Silke Rohde (ist Rechtsanwältin & Journalistin sowie Chefredakteurin des Fachmagazins Betriebsrat KOMPAKT.)