Darf der Betriebsrat Rechtsauskünfte erteilen?
Beschäftigte dürfen sich laut einem Urteil des LAG Hamm nicht auf Rechtsauskünfte des Betriebsrats verlassen. Wer aufgrund einer Aussage des Gremiums zu spät gegen seine Kündigung klagt, habe seine Sorgfaltspflicht verletzt.
Worum geht es?
Einem Arbeitnehmer war am 28.10.2020 gekündigt worden. Seine Kündigungsschutzklage ging am 24.11.2020 und somit verspätet bei Gericht sei. Zwei Tage später beantragte er die nachträgliche Zulassung der Klage. Er argumentierte, er habe noch am Tag der Kündigung mit dem Betriebsratsvorsitzenden gesprochen. Dieser habe ihm erklärt, dass keine Betriebsratsanhörung stattgefunden habe. Er müsse sich um nichts weiter kümmern und deshalb auch keine Klage erheben. Der Betriebsrat würde die Sache klären. Der Arbeitnehmer meinte, dass er auf die Aussage des Betriebsratsvorsitzenden habe vertrauen dürfen. Die dreiwöchige Klagefrist habe er nicht gekannt. Der Arbeitgeber meinte, bei einer Falschauskunft treffe den Arbeitnehmer nur dann kein Verschulden, wenn er von der Kompetenz des um Rat Gefragten ausgehen durfte. Dies sei bei einem Betriebsrat nicht der Fall.
Das sagt das Gericht
Das Gericht lehnte die nachträgliche Zulassung der Klage ab und erklärte die Kündigung für wirksam. Der Arbeitnehmer habe sowohl nach einem objektiven als auch subjektiven Maßstab die ihm nach Lage des Falles zuzumutende Sorgfalt nicht beachtet. Er habe sich nicht auf die Auskunft des Betriebsratsvorsitzenden verlassen dürfen, weil dieser zur Erteilung einer solchen Auskunft nicht geeignet sei. Rechtsberatung in individualrechtlichen Fragen sei nicht Bestandteil des gesetzlich zugewiesenen Aufgabenkataloges für einen Betriebsrat. LAG Hamm, Urteil vom 11.01.2022, Az.: 14 Sa 938/21 (nicht rechtskräftig)
Das bedeutet für Sie als Betriebsrat
Die Information des Betriebsratsvorsitzenden gegenüber dem Arbeitnehmer war falsch. Auch im Falle einer fehlerhaften oder unterbliebenen Betriebsratsanhörung muss der betroffene Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erheben, um seinen Job zu behalten, ansonsten greift die Fiktion der Wirksamkeit der Kündigung gemäß der §§ 4 Satz 1, 7 KSchG (Kündigungsschutzgesetz). Das LAG Hamm ließ die Revision zum BAG zu, weil bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden wurde, ob der Betriebsrat eine zur Erteilung von Rechtsauskünften geeignete Stelle ist.