04.03.2024

Co-Management: Ein gangbarer Weg für Betriebsräte?

Unsere Arbeitswelt unterliegt großen Einschnitten: Die Flächentarifverträge verlieren weiter an Bedeutung und immer mehr Regelungen werden heute auf betrieblicher Ebene ausgehandelt. Das führt dazu, dass auf Ihren Schultern heute noch mehr Verantwortung lastet als früher.

Mann und Frau arbeiten zusammen

Dabei ist – gerade in größeren Unternehmen – ein Trend zum Co-Management der Arbeitnehmervertretung zu beobachten: Betriebsräte gestalten betriebliche Veränderungsprozesse aktiv und eigeninitiativ von Beginn an mit. Die Meinungen über diese konstruktive Zusammenarbeit reichen von Lobeshymnen bis hin zur kompletten Ablehnung dieses Modells. Die Wahrheit liegt jenseits der Schwarz-Weiß-Malerei wie so oft in der Mitte: Ob Betriebsräte als Co-Manager mehr bewegen können, hängt von der konkreten Situation ab.

Neues Rollenverständnis

Der moderne Typ des Arbeitnehmervertreters begnügt sich nicht damit, immer nur „dagegen“ zu sagen. Er setzt bei den Schwerpunkten seiner Arbeit mehr und mehr auf aktives Mitgestalten bis hin zum Co-Management. Hierzu muss ein erfolgreicher Betriebsrat über ein hohes Maß an Professionalität und Management-Know-how verfügen. Gleichzeitig sind aber auch persönliche Autorität, Ausstrahlung, Teamfähigkeit und Durchsetzungsvermögen gefragt. Wenn die betriebliche Zusammenarbeit mit solchen modernen Rollenverständnissen praktiziert wird, dann entstehen große Schnittmengen zwischen den Formen des grundsätzlich empfehlenswerten partizipativen Managements, das Beschäftigte und Betriebsräte mit einbezieht, und der herkömmlichen Arbeitnehmervertretung. 

Stichwort: Co-Management

Beim Co-Management übernimmt der Betriebsrat aktiv Managementaufgaben. Die frühzeitige Beteiligung des Betriebsrats an der Gestaltung betrieblicher Veränderungen und die Entwicklung eigener Initiativen im Interesse des Unternehmens und damit auch der Beschäftigten stehen im Vordergrund. Co-Manager erweitern ihren Fokus von der reinen Beschäftigten- hin zur ganzheitlichen Betriebsperspektive. Dabei weist eine vom Co-Management geprägte Interaktionsbeziehung zwischen Betriebsrat und Management besondere Kennzeichen auf: Beide übernehmen Aufgaben, die vorher nur der einen Partei zu Eigen waren. So kümmert sich der co-managende Betriebsrat genauso um die ökonomische Effizienz wie das (Personal-)Management um das soziale Wohlbefinden der Mitarbeiter. 

Profitieren Sie vom Blick über den Tellerrand

Außerdem findet eine gegenseitige Perspektivübernahme statt: Beide Seiten sehen sich als Partner und versetzen sich in die Situation, die Überlegungen und auch die Zwänge der anderen Seite hinein. Beim Co-Management gestalten Betriebsrat und Management zudem ihren ganz eigenen Rahmen des Umgangs, des Verhandlungsstils und der Konfliktlösung miteinander. Das BetrVG gibt hier lediglich einige Vorgaben, wird aber sonst nicht „bis zum letzten Buchstaben“ eingefordert. Die Arbeitsbeziehung ist geprägt von kooperativem Verhalten und konstruktiver Konfliktlösung. Beide Parteien gehen sachbezogen miteinander um; es findet eine „Entideologisierung“ des Verhältnisses statt. Durch einen auf Kooperation ausgerichteten Umgang vertieft sich die Beziehung von Betriebsrat und Personalabteilung.

Manchmal lässt sich durch Co-Management mehr erreichen

Für den Betriebsrat und die Belegschaft kann Co-Management zu einem erhöhten Niveau der Interessenerreichung und einer höheren Qualität der gemeinsam vereinbarten Regelungen führen. Als plakatives Beispiel der letzten Jahre ist hier die durch betriebliche Bündnisse für Arbeit erreichte Beschäftigungssicherung zu nennen. Der Betriebsratsvorsitzende ist als Co-Manager in die Entscheidungen eingebunden und gehört „oben“ dazu. Die Gestaltungskompetenz des Co-Managements bietet deshalb eine höhere Einflussmöglichkeit des Betriebsrats auf Managemententscheidungen.

Übersicht: Risiken des Co-Managements

  • Die klare Positionierung der Betriebsparteien geht verloren („Freund- Feind-Denken“).
  • Der Betriebsrat erleidet einen Glaubwürdigkeitsverlust, denn er könnte von der Belegschaft, deren gewählter Interessenvertreter er ja ist, als „Verräter“ betrachtet werden, weil er mit dem Arbeitgeber „gemeinsame Sache“ macht.
  • Der Betriebsrat übernimmt die undankbare Rolle eines „Legitimationsbeschaffers“ für unliebsame Maßnahmen des Arbeitgebers. So haben einige Arbeitgeber unter der Devise der „Beschäftigungssicherung“ Zugeständnisse eingefordert, die bislang als undenkbar galten, z. B. bei der Reduzierung von Lohnbestandteilen, Mehrarbeitszuschlägen oder der Flexibilisierung der Arbeitszeiten. In manchen Betrieben gibt es „immer dann die Einladung des Managements, im Wege des Co-Managements gemeinsam ins Boot zu steigen, wenn das Wasser bereits bis zum Halse steht“. 

Rollenkonflikte können leicht entstehen

Es liegt auf der Hand, dass es auch viel Kritik gibt, wenn Betriebsräte auf „Schmusekurs“ mit der Unternehmensführung gehen. Daher sind die Einschätzungen zur Angemessenheit der Rolle des Co-Managers für den Betriebsrat alles andere als einheitlich: Einerseits wird das Risiko betont, dass Betriebsräte in einen Rollenkonflikt geraten, der sie gegenüber der Belegschaft zunehmend in Legitimitätsdefizite bringt. Denn ein Betriebsrat, der in den Augen der Kollegen deren Interessen verrät, weil er mit der Geschäftsleitung „klüngelt“, verspielt alle Glaubwürdigkeit und wird schlimmstenfalls sogar als „Verräter“ wahrgenommen.

Macht darf nicht ausgenutzt werden

In spektakulärer Weise zeigte der Fall des wegen Untreue verurteilten Betriebsratsvorsitzenden von Volkswagen, Klaus Volkert, welchen Versuchungen Betriebsräte in solchen Machtpositionen ausgesetzt sind. Vor Gericht verteidigte er sich mit den Worten: „Ich und die anderen, wir waren bei VW viel mehr als Arbeitnehmervertreter. Wir haben die Aufgaben von Managern übernommen und dazu hat uns der Vorstand des Konzerns auch ermutigt. Wir brachten unsere Erfahrung als Arbeitnehmervertreter zu allen Fragen ein, die für die Zukunft von VW wichtig waren.“ 

Manchmal können Co-Manager offensiver sein als andere Kritiker

Andererseits ist es aber unzweifelhaft so, dass jenseits dieser krassen, jedoch öffentlichkeitswirksamen Fälle des Missbrauchs, ein breites Fundament gut funktionierender Kooperationen existiert. Dann kann es durchaus auch vorkommen, dass sich als Co-Manager agierende Betriebsräte sogar mehr als andere als Gegenspieler der Geschäftsführung profilieren. Unter Umständen kann ihnen das dann auch deutlich leichter gelingen. Denn schließlich argumentierten sie bislang auf Augenhöhe, so dass viel dafür spricht, dass ihre Bedenken und Forderungen von der Unternehmensführung ernst genommen werden.

Co-Manager der Automobilbranche

Die Automobilbranche ist einer der wichtigsten deutschen Wirtschaftszweige und ein Garant für Arbeitsplätze und Wohlstand. Interessanterweise hat sich gerade in dieser Sparte das Modell der konstruktiven Partnerschaft zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite besonders oft und erfolgreich durchgesetzt – wenn man von dem Super-GAU bei VW einmal absieht. Typische Co-Manager sind zum Beispiel:

  • Uwe Hück, Porsche
  • Klaus Franz, Opel
  • Erich Klemm, Daimler
  • Bernd Osterloh, Volkswagen

Das zeigt, dass diese Partnerschaft durchaus im Sinne der Beschäftigten sein kann, wenn man bedenkt, wie gut es den meisten Angestellten der großen Automobilkonzerne geht. Allerdings könnte man auch vermuten, dass das Co-Management nur dann funktioniert, wenn die Arbeitsbedingungen sowieso größtenteils in Ordnung sind und alleine schon deshalb gar nicht so viel an Konfliktpotenzial besteht.

Konsens kann Vorteile haben

Der Alltag der meisten Betriebsräte ist heute schon wesentlich stärker von einem Willen zur Verständigung geprägt als gemeinhin angenommen wird. Diese Konsensorientierung wirkt allerdings nicht nur auf der Basis der vertrauensvollen Zusammenarbeit des BetrVG. In ihrer tagtäglichen Arbeit erfahren viele Betriebsräte, dass sich im Konsens häufig mehr an positiven Regelungen für die Belegschaft durchsetzen lassen, als in konfliktträchtigen Auseinandersetzungen.

Respekt ist unverzichtbare Voraussetzung

Dennoch sind die Übergänge zwischen Konsens und Konflikt fließend. Eine Beziehung, die auf Kooperation ausgerichtet ist, lässt sich nur dort dauerhaft realisieren, wo gleich starke Partner ein Umfeld geschaffen haben, das von gegenseitiger Achtung und Vertrauen geprägt ist. Der Konflikt ist nicht immer ein Störenfried, sondern er kann für eine konstruktive Beziehung äußerst gewinnbringend sein. Nicht vollkommene Harmonie, die es sowieso nicht gibt, sondern kooperative Konfliktbewältigung ist die Basis erfolgreicher Betriebe.

Kontrolliertes und berechenbares Handeln ist gefragt

Es spricht viel dafür, dass bereits die glaubwürdige Androhung von Widerstand seitens des Betriebsrats in einem kooperativen Umfeld ausreicht, um einen angemessenen und für beide Seiten tragfähigen Kompromiss zu erzielen. Ein strategisch und einflussorientiert denkender Betriebsrat erleichtert damit letztlich auch der Geschäftsleitung die Arbeit, weil es die Chance für Kompromisse erhöht. Während die Eskalation von Konflikten zukünftige Zusammenarbeit blockiert, liegt beim Kompromiss der Vorteil darin, dass beide Seiten die Kontrolle über ihr Handeln erhalten. So bleiben sie für den anderen weiterhin berechenbar. Dies ist ein ganz wichtiger Faktor einer langfristig erfolgreichen Verhandlungsbeziehung. Betriebsräte sind deshalb im Grunde gezwungen, ihre Arbeit in dem Maße zu professionalisieren, wie es auch das Unternehmen tut.

Ihre konkrete Situation entscheidet

Im Rahmen dieser Professionalisierung werden Betriebsräte umso erfolgreicher sein, wenn sie es schaffen, sich zum kompetenten und unentbehrlichen Akteur im Betrieb zu entwickeln. Allgemeingültige Aussagen darüber, ob Co-Management ratsam ist, lassen sich schwerlich treffen. Entscheidend ist die Situation in Ihrem Unternehmen.

Autor*in: Silke Rohde (Silke Rohde ist Rechtsanwältin & Journalistin sowie Chefredakteurin von "Betriebsrat kompakt".)