Betriebsrats-Check Resturlaub: Verfall oder Übertragung?
§ 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) regelt, dass der Jahresurlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr genommen werden muss. Sonst besteht die Gefahr, dass die nicht genommenen Urlaubstage verfallen. Allerdings gilt das nicht absolut, sondern es sind einige Besonderheiten zu berücksichtigen. Auch für Betriebsräte ist es sinnvoll, die entsprechenden rechtlichen Grundzüge zu kennen. Nur so können sie überprüfen, ob sich der Arbeitgeber korrekt verhält.
Es ist grundsätzlich möglich, den Urlaub ins Folgejahr zu übertragen, und zwar bis zum 31.03. Das gilt allerdings zumeist nur, wenn es dringende persönliche oder betriebliche Gründe gibt, weshalb der Urlaub im Jahr der Entstehung nicht vollständig genommen werden konnte.
Dringende persönliche Gründe können z. B. sein:
- Arbeitsunfähigkeit
- Erkrankung eines Angehörigen, der gepflegt werden muss
- Erkrankung des Lebenspartners, der mit in Urlaub fahren sollte
Dringende betriebliche Gründe können z. B. sein:
- termin- oder saisongebundene Aufträge
- technische oder verwaltungsmäßige Probleme im Betriebsablauf
Gibt es einen solchen Übertragungsgrund, erlischt der Urlaubsanspruch regelmäßig erst am 01.04. des Folgejahres.
Wichtig: Der Arbeitnehmer muss in einem solchen Fall keinen Antrag über Übertragung des Anspruchs ins Folgejahr stellen, die Übertragung erfolgt automatisch.
Arbeitgeber hat Hinweispflicht
Die Regel, dass der übertragene Urlaub nach dem 31.03. des Folgejahres ersatzlos verfällt, gilt allerdings auch nicht ausnahmslos. Und das ist eine Konsequenz aus dem Europarecht, das in diesem Punkt auch das deutsche Urlaubsrecht beeinflusst.
Hierzu gibt es zwei wegweisende Gerichtsentscheidungen: Zunächst urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 06.11.2018, Az.: C-684/16 und C-619/16) und später auch, sich dem anschließend, das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 19.02.2019, Az.: 9 AZR 423/16), dass der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers nur erlischt, wenn der Arbeitgeber den Beschäftigten schriftlich auf den drohenden Verfall hingewiesen hat und der Betroffene die restlichen Tage trotzdem freiwillig nicht genommen hat. Die Hinweispflicht besteht auch, wenn der Arbeitnehmer (noch) keinen entsprechenden Urlaubsantrag gestellt hat.
Dass er dieser Pflicht nachgekommen ist, muss der Arbeitgeber im Zweifel beweisen. Mit anderen Worten: Der Verfall des ins Folgejahr übertragenen Urlaubs ist an strenge Voraussetzungen geknüpft. Klar ist, dass die Hinweispflicht des Arbeitgebers auch Urlaubsansprüche aus vergangenen Jahren umfasst. Hier ist allerdings vom EuGH noch nicht abschließend entschieden, ob dann die gesetzliche Verjährung eingreift.
Kein Verfall bei Mutterschutz und Elternzeit
Für Arbeitnehmer im Mutterschutz oder in Elternzeit gilt, dass der davor bestehende Urlaub nicht verfällt und nach der Rückkehr an den Arbeitsplatz nachgeholt werden darf.
So muss der Arbeitgeber auf den Urlaubsanspruch hinweisen
Es gibt keine klar bestimmten gesetzlichen Vorgaben, wie der Arbeitgeber die Beschäftigten darauf hinweisen muss, dass diese noch Urlaubstage haben, die unter Umständen verfallen könnten. Das Bundesarbeitsgericht hat dennoch einige wichtige Anforderungen definiert, denen die Hinweispflicht gerecht werden muss (BAG, Urteil vom 19.02.2019, Az.: 9 AZR 541/15). So lautet die Grundvoraussetzung, dass die Art und Methode des Hinweises geeignet sein muss, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, frei darüber zu entscheiden, ob er seinen Urlaub in Anspruch nimmt. Dabei muss der Arbeitgeber den Hinweis gegenüber dem Beschäftigten auf einen „konkret“ bezeichneten Urlaubsanspruch eines bestimmten Jahres beziehen und den Anforderungen an eine „völlige Transparenz“ genügen.
Schriftliche Information des Arbeitgebers zu Jahresbeginn
Die Rechtsprechung gibt zwar lediglich vor, dass der Hinweis rechtzeitig zu erfolgen hat, meint damit aber im Grunde eine Information zu Beginn des Kalenderjahres. Denn nur so ist sichergestellt, dass die Beschäftigten rechtzeitig den Hinweis bekommen, eventuell übertragenen Urlaub aus dem letzten Kalenderjahr vor Ablauf des Übertragungszeitraums – also bis zum 31. März – abzubauen.
Allerdings ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer fortlaufend aktualisiert zu informieren – etwa, wenn der Arbeitnehmer einen Teil seines Resturlaubs nimmt. Ausreichend ist der generelle Hinweis zu Jahresbeginn.
Hinweispflicht des Arbeitgebers gilt auch bei Kündigung
Übrigens muss der Arbeitgeber den Beschäftigten nicht nur im laufenden Arbeitsverhältnis über den Urlaubsanspruch informieren, sondern auch im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens (BAG, Urteil vom 19.02.2019, Az.: 9 AZR 321/16). Denn das BAG stellt allein auf die objektive Rechtslage ab. Gibt der Arbeitgeber diesen Hinweis nicht, muss dieser im Fall des Erfolgs des Gekündigten vor Gericht aufgelaufene Urlaubsansprüche nach Wiederaufnahme der Beschäftigung nachgewähren.
So ist Resturlaub wegen Krankheit geregelt
Wenn ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt und deshalb seinen Urlaub nicht bis zum Ende des Übertragungszeitraums nehmen kann, verfällt der Anspruch grundsätzlich nicht.
Die arbeitnehmerfreundliche Auslegung, dass wegen Krankheit nicht abgebauter Urlaub nicht verfällt, gilt allerdings aus Gründen der Planungs- und Rechtssicherheit nicht unbegrenzt: Theoretisch könnten sich im Falle von Langzeiterkrankten die jährlich erworbenen Urlaubsansprüche zu gigantischen Summen an Urlaubstagen addieren. Daher gibt es nun eine vom EuGH und dem BAG festgelegte Grenze: Der gesetzliche Urlaubsanspruch verfällt danach spätestens 15 Monate nach Ablauf des entsprechenden Urlaubsjahrs. Wichtig: Dies gilt auch, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Beschäftigten über diesen 15-Monats-Zeitraum hinaus ununterbrochen andauert (BAG, Urteil vom 18.09.2012, Az.: 9 AZR 623/10).
Achtung: Der EuGH hat noch nicht abschließend darüber entschieden, ob diese Verjährungsfrist von 15 Monaten auch dann anzuwenden ist, wenn der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht bezüglich des drohenden Verfalls nicht nachkommt und den Langzeiterkrankten darüber nicht in Kenntnis setzt. Es spricht allerdings einiges dafür, dass die Verjährung wegen des fehlerhaften Verhaltens des Arbeitgebers dann ausgehebelt sein dürfte.
Günstigere Regelungen zum Verfall von Urlaub möglich
Die hier dargestellten Grundsätze legen die gesetzliche Regelung dar, die mindestens erfüllt sein muss. Es ist immer möglich, auf der Basis anderer Vereinbarungen (Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, Arbeitsverträge) für die Arbeitnehmer günstigere Regelungen zu treffen (z. B. längere Übertragungszeiträume, Übertragung ohne Grund etc.).
So wird der Urlaubsanspruch richtig berechnet
Nach § 3 Abs. 1 BUrlG beträgt der gesetzliche Mindesturlaub pro Kalenderjahr 24 Werktage. Als Werktage gelten nach § 3 Abs. 2 BUrlG alle Kalendertage, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind. Das BUrlG geht dabei von der Sechs- Tage-Woche aus. Das heißt, dass als Mindesturlaub vier Wochen pro Jahr gesetzlich vorgesehen sind.
Durch Arbeits- oder Tarifverträge kann sich dieser Zeitraum allerdings erhöhen. Gilt für ein Arbeitsverhältnis nicht die Sechs-Tage-Woche, so muss umgerechnet werden: Dies geschieht, indem man die Gesamtdauer des Urlaubs durch die Zahl Sechs teilt (mindestens also 24 : 6) und mit der Zahl der für den Arbeitnehmer maßgeblichen Arbeitstage einer Woche multipliziert.
Inhalt des Downloads
Checkliste: Voraussetzungen für Urlaubsverfall
Mit dieser kleinen Checkliste beraten Sie als Betriebsrat Ihre Kollegen kompetent, ob nicht genommener Urlaub verfallen ist oder ob es sich lohnt, den Urlaub notfalls vor dem Arbeitsgericht einzufordern.
Für Sie herausgesucht
Betriebsrat & Personalrat | Mitbestimmung
Betriebsrat KOMPAKT
Aktuelles Wissen, konkrete Tipps und Lösungen für erfolgreiche und durchsetzungsstarke Betriebsräte
€ 489,00 Newsletter
Jahrespreis zzgl. € 24,95 Versandpauschale und MwSt.