20.04.2022

Bewerberauswahl immer genau prüfen

Wenn öffentliche Arbeitgeber eine Stelle ausschreiben, müssen sie bei den Bewerbungsgesprächen eine ausreichend breite Auswahl unter den Kandidaten und Kandidatinnen treffen. Die Bewerber sollten hinsichtlich der Berufsbezeichnung nicht zu eng eingeschränkt werden, da auch Bewerbende mit nahen Berufsbezeichnungen geeignet sein können. Besonders heikel wird es, wenn eine Behinderung vorliegt.

Bewerberauswahl

Berufsbezeichnung darf nicht zu eng interpretiert werden

In einem aktuellen Fall ging es um eine ausgeschriebene Stelle, bei der eine kaufmännische Ausbildung erwünscht war. Problematisch war, dass der öffentliche Arbeitgeber, eine Verwaltungsbehörde, nur Bewerber und Bewerberinnen mit der Berufsbezeichnung „Kauffrau“ oder „Kaufmann“ geprüft hatten. Eine schwerbehinderte Stellenbewerberin und ausgebildete „Fachfrau für Systemgastronomie“ wurde wegen einer angeblich fehlenden fachlichen Eignung nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Daraufhin klagte die Bewerberin gegen die Verwaltungsbehörde. Das Ausfallen der Einladung wurde als ein Indiz für eine Diskriminierung wegen der Behinderung ausgelegt, wie das Verwaltungsgericht Mainz am 14. Februar 2022 in einem Urteil entschied (Az.: 4 K 1036/20.MZ).

Die schwerbehinderte Klägerin hatte sich bei der Verwaltungsbehörde auf die ausgeschriebene Stelle als Bürosachbearbeiterin beworben. Als fachliche Voraussetzung verfügte sie neben der Fachhochschulreife über eine dreijährige Ausbildung zur „Fachfrau für Systemgastronomie“. Da sie nicht den engeren Auswahlkriterien des Arbeitgebers entsprach, wurde sie nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen und erhielt eine Absage.

Abgelehnte Einladung zum Gespräch wurde als Diskriminierung empfunden

Öffentliche Arbeitgeber sind laut Gesetz aber verpflichtet, schwerbehinderte Bewerber und Bewerberinnen zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Nur wenn die Bewerbenden erkennbar nicht über die fachliche Eignung verfügen, kann auf die Einladung verzichtet werden. Im aktuellen Fall ging die Verwaltungsbehörde von dieser Situation aus. Voraussetzung sei eine Berufsausbildung zur „Kauffrau/zum Kaufmann (alle Fachrichtungen)“ gewesen, deswegen habe die Behörde die Einladung zum Bewerbungsgespräch abgelehnt. Bei der Ausbildung zur Fachfrau für Systemgastronomie, wie bei der Klägerin, würden keine relevanten Anteile an kaufmännischen Inhalten vermittelt. Die Klägerin fühlte sich daher wegen ihrer Schwerbehinderung diskriminiert.

Arbeitgeber wurde auf Entschädigung verurteilt

Das Verwaltungsgericht Mainz entsprach der Klage mit einem Urteil auf Entschädigung in Höhe von 2.417 Euro. Aufgrund der Nichteinladung zum Bewerbungsgespräch liege ein Indiz für eine Diskriminierung wegen der Behinderung vor. Das Gericht begründete sein Urteil damit, dass es sich bei der Berufsausbildung zur Fachfrau für Systemgastronomie um eine kaufmännische Ausbildung handele, auch wenn die konkrete Berufsbezeichnung nicht „Kauffrau“ laute (nach Informationen aus Industrie- und Handelskammern sowie entsprechenden Berufskreisen). Auch in dieser Ausbildung würden laut Ausbildungsordnung kaufmännische Inhalte vermittelt. Die betroffene Verwaltungsbehörde sei als öffentlicher Arbeitgeber zu Unrecht von einer fehlenden fachlichen Eignung ausgegangen. Die Einladung zum Vorstellungsgespräch sei „gesetzeswidrig unterlassen worden“. Es sei damit von einer anzunehmenden Diskriminierung wegen der Behinderung auszugehen.

Autor*in: Andrea Brill (Andrea Brill ist Pressereferentin und Fachjournalistin.)