Betriebsvereinbarung zur Fahrtkostenentschädigung nach Versetzung
Die Betriebsvereinbarung ist das wichtigste Instrument der betrieblichen Mitbestimmung. Kommt es zum Streit über den Inhalt, hilft oft nur der Rechtsweg. Das BAG hat sich unlängst mit der Frage befasst, wie in einer Betriebsvereinbarung eine Klausel zur Fahrtkostenentschädigung auszulegen ist.
Worum geht es?
MItbestimmung. In einem Unternehmen wurde zur Umsetzung eines Standortkonzeptes eine Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV) abgeschlossen. In diesem Zusammenhang wurde eine Arbeitnehmerin in eine andere Stadt versetzt, die weit von ihrem Wohnort entfernt lag. Die GBV enthielt als Anlage eine tabellarische Aufstellung, die Nominalbeträge einer Fahrtkostenentschädigung für Mehraufwendungen ausweist. Die Beträge sind ihrer Höhe nach gestaffelt nach Entfernungskilometern. Die Ermittlung der zusätzlichen Fahrtkosten (Fahrmehrleistung) erfolgt auf der Basis der „kürzesten mit dem Pkw zurückzulegenden verkehrsüblichen Fahrstrecke zwischen Wohnung und alter bzw. neuer Regelarbeitsstelle“. Die Entfernung von der Wohnung der Arbeitnehmerin bis zu ihrer früheren Arbeitsstelle belief sich auf 43,9 Kilometer. Die Entfernung zur neuen Regelarbeitsstelle beläuft sich bei einer Fahrt über die Bundesstraße auf 144,4 Kilometer und auf 151,8 Kilometer via Autobahn. Die Arbeitgeberin erkannte eine Fahrmehrleistung von 100,5 Kilometern an und glich diese aus. Die Arbeitnehmerin forderte aber den Ausgleich einer Fahrmehrleistung von 107,9 Kilometern, weil die Fahrtstrecke über die Autobahn die kürzeste verkehrsübliche Strecke sei. Dieser Weg sei zwar 7,4 Kilometer länger als über die Bundesstraße, bedeute aber eine Fahrzeitersparnis von 32 Minuten.
Das sagt das Gericht
Die Klage der Arbeitnehmerin blieb erfolglos. Das BAG wies darauf hin, dass eine Betriebsvereinbarung nach den gleichen Grundsätzen wie ein Tarifvertrag oder ein Gesetz auszulegen sei. Im Streitfall sei zunächst vom Wortlaut der Regelung in der GBV-Anlage auszugehen. Der Ausdruck „kürzeste mit dem Pkw zurückzulegende verkehrsübliche Fahrtstrecke“ bedeute nicht die verkehrsgünstigste Route, sondern die nach Kilometern kürzeste Route. Der Superlativ „kürzeste“ zeige, dass mehrere „verkehrsübliche“ Fahrtstrecken vorhanden sein können, von denen eine – die nach der Zahl der zu fahrenden Kilometer geringste Fahrtstrecke – ausschlaggebend sein soll. BAG, Urteil vom 15.05.2018, Az.: 1 AZR 37/17
Das bedeutet für Sie als Betriebsrat
In der betrieblichen Praxis kommt es bisweilen zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über die Anwendung und Auslegung von Betriebsvereinbarungen. Auslegung in diesem Sinne meint die Frage nach dem Inhalt, wenn der Text nicht ganz eindeutig ist. Was haben die Betriebsparteien mit einer Bestimmung gemeint? Was wollten sie damit bezwecken? Nach ständiger Rechtsprechung des BAG sind Betriebsvereinbarungen wegen ihres normativen Charakters objektiv wie Gesetze auszulegen.
Hinweis: So werden Betriebsvereinbarungen im Zweifel vor Gericht ausgelegt
Danach kommt es in erster Linie auf den Wortlaut der Bestimmungen und den durch ihn vermittelten Wortsinn an. Insbesondere im Fall eines unbestimmten Wortsinns sind der tatsächliche Wille der Betriebsparteien sowie der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG, Beschluss vom 11.12.2007, Az.: 1 AZR 953/06).