Betriebsrats-Check: Mindestlohnarbeitszeitkonto
Betriebsräte sind für alle Beschäftigtengruppen im Unternehmen verantwortlich, so auch für die Kollegen, die zum Mindestlohn arbeiten. Sind für diese Arbeitnehmer Arbeitszeitkonten eingerichtet, damit auch hier flexible Arbeitszeiten wahrgenommen werden können, gilt es einiges zu beachten.
Arbeitsrecht. Für Sie als Arbeitnehmervertreter ist es hilfreich, über die rechtlichen Vorgaben zumindest grob Bescheid zu wissen, um Betroffene beraten, aber auch den Arbeitgeber hinsichtlich der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften gemäß § 80 Abs. 1 BetrVG überwachen zu können. Grundsätzlich kommen bei der Gestaltung von Arbeitszeitkonten für den Betriebsrat die erzwingbaren Mitbestimmungsrechte aus § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4 BetrVG zur Anwendung – allerdings nur im Rahmen der geltenden Gesetze. Das Mindestlohngesetz (MiLoG) trifft zwingende Regelungen für Arbeitszeitkonten für Arbeitnehmer, die unter den Mindestlohn fallen.
§ 2 MiLoG – Regelungen über Arbeitszeitkonten
§ 2 MiLoG enthält Regelungen zu Arbeitszeitkonten, die einerseits den Arbeitsvertragsparteien die Möglichkeit erhalten sollen, die Arbeitszeit mittels Arbeitszeitkonten zu flexibilisieren, andererseits aber Missbrauch vermeiden sollen. So wäre theoretisch etwa folgende Konstellation zur Umgehung des Mindestlohns mittels Arbeitszeitkonten denkbar: Es wird nur eine sehr geringe Arbeitszeit vereinbart (z. B. nur zwei Stunden/Tag). Tatsächlich wird aber erhebliche Mehrarbeit täglich geleistet (z. B. zehn Stunden). Der Mehrarbeitsanteil (acht Stunden) wird nicht ausgezahlt, sondern einem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben. Dieses dann schnell anwachsende Konto soll dann erst in vielen Monaten zum Ausgleich gebracht werden. Bevor es zum Ausgleich kommt, meldet das Unternehmen Insolvenz an – die Geltendmachung der Ansprüche auf Ausgleich des Kontos wird schwierig bis unmöglich. Oftmals sitzen die Arbeitgeber dann auch im Ausland, was die Geltendmachung der Ansprüche dann ggf. noch zusätzlich erschwert. Solche Missbrauchskonstellationen sind nach § 2 Abs. 2 MiLoG nicht möglich.
Voraussetzungen für Arbeitszeitkonten bei Mindestlohn
Die nachfolgend dargestellten Regelungen für Arbeitszeitkonten bei Mindestlohn gelten grundsätzlich nur für Arbeitnehmer, die mit ihrem Einkommen unter das Mindestlohngesetz fallen. Dies sind in vielen Fällen auch Arbeitnehmer, deren Stundenlohn mehr oder weniger deutlich darüber liegt. Das kommt daher, dass das Mindestlohngesetz recht komplizierte Regelungen zur Ermittlung des Mindestlohns enthält, z. B. ist immer die reale Arbeitszeit zu berücksichtigen, also auch alle geleisteten Überstunden sind bei der Errechnung des Mindestlohns zu berücksichtigen. Darüber hinaus werden bestimmte Lohnbestandteile auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht angerechnet. Insbesondere diese Fragen machen das Thema Mindestlohn in der Praxis oft kompliziert.
Hinweis: unterschiedliche Fälligkeiten
§ 2 Abs. 2 MiLoG regelt eine von § 2 Abs. 1 MiLoG abweichende Fälligkeit, wenn ein Arbeitszeitkonto zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer schriftlich vereinbart wurde und Arbeitsstunden, die über die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus geleistet wurden, auf das Arbeitszeitkonto eingestellt werden.
Rechtsgrundlagen für Arbeitszeitkonten
Ohne eine schriftliche Rechtsgrundlage darf im Geltungsbereich des Mindestlohngesetzes kein Arbeitszeitkonto geführt werden.. Grundlagen sind z. B.:
- Arbeitsverträge
- Betriebsvereinbarungen
- Tarifverträge
Verstöße hiergegen können als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
Guthabengrenzen sind zu beachten
Die auf das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden dürfen monatlich jeweils 50 % der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht übersteigen (§ 2 Abs. 2 MiLoG). Bei Teilzeitarbeit gilt dies entsprechend. Da die Arbeitszeitvereinbarung im Zusammenhang mit der Arbeitszeitkontenabrede steht, dürfte das Schriftformerfordernis auch auf die Arbeitszeitabrede zu erstrecken sein. Weitere Voraussetzung für ein derartiges Arbeitszeitkonto ist, dass ein monatlich verstetigtes Einkommen auf der Basis der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit gezahlt wird. Auch hier gilt, dass die Vereinbarung über ein „verstetigtes” Einkommen im notwendigen Zusammenhang mit der schriftlichen Vereinbarung des Arbeitszeitkontos steht, sodass sich das Schriftformerfordernis auch hierauf erstreckt.
Auszahlen oder Abfeiern spätestens nach zwölf Monaten
Die auf dem Arbeitszeitkonto eingestellten Stunden sind spätestens innerhalb von zwölf Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung (immer zum Monatsende) entweder durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohns auszugleichen. Das bedeutet, der Zahlungsverpflichtung bzw. Ausgleichsverpflichtung für die auf dem Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden kann später als unter § 2 Abs. 1 MiLoG festgelegt nachgekommen werden; sie muss aber spätestens innerhalb von zwölf Monaten erfüllt werden: Die im März 2020 geleisteten Arbeitsstunden, die Ende März erfasst sind und in das Arbeitszeitkonto übertragen wurden, sind spätestens Ende März 2021 auszugleichen bzw. zu vergüten.
Hinweis: Überstunden genau prüfen
Werden über die 50-%-Grenze hinaus Überstunden geleistet, so sind diese im Rahmen der Fälligkeitsregelung des § 2 Abs. 1 MiLoG zu vergüten, soweit andere Fälligkeitsregeln fehlen.
Minusstunden können mit Plusstunden verrechnet werden
Minusstunden setzen nach der Rechtsprechung des BAG stets eine besondere Vereinbarung voraus (BAG, Urteil vom 21.03.2012, Az: 5 AZR 676/11). Die Verrechnung von Minusstunden mit Guthaben auf dem Arbeitszeitkonto ist auf jeden Fall ausdrücklich zu vereinbaren. Fehlt es daran, gerät ein Arbeitgeber in Annahmeverzug, wenn er dem Arbeitnehmer nicht die arbeitsvertraglich vereinbarte Anzahl von Stunden tatsächlich Arbeit anbietet und der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft dennoch im vertragsgemäßen Umfang ausdrücklich anbietet.
Arbeitszeitkonten bei über dem Mindestlohn liegendem Entgelt
Das Mindestlohngesetz berührt u. U. auch Arbeitszeitkonten in Fällen, in denen das Arbeitseinkommen oberhalb des Mindestlohns liegt. Das ist dann der Fall, wenn das Arbeitsentgelt nur knapp über dem Mindestlohn liegt.
Beispiel 1: Entgelt trotz Überstunden über Mindestlohn
Erhält ein Arbeitnehmer (etwas vereinfacht gerechnet) 20 €/Stunde (verstetigtes Entgelt) bezogen auf eine 40-Stunden-Woche (= 800 €/Woche = 3.200 €/Monat) und leistet er 20 Überstunden, die dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben werden, so liegt sein Einkommen oberhalb der Mindestlohngrenze und das Arbeitszeitkonto fällt nicht unter die einschränkenden Regelungen des § 2 Abs. 2 MiLoG. Das Arbeitszeitkonto kann also insbesondere über zwölf Monate hinaus gestaltet sein. Dies folgt aus der gesetzlich vorgeschriebenen Vergleichsrechnung: Der Arbeitnehmer hat in dem Beispiel inklusive Überstunden in dem Monat wie folgt gearbeitet: vier Wochen x 40 Stunden = 160 Stunden + 20 Überstunden = 180 Stunden. Damit liegt das verstetigte tatsächlich gezahlte Arbeitsentgelt immer noch über dem Mindestlohn, wenn man es für die tatsächliche Arbeitszeit von 180 Stunden ausrechnet: 180 x 12 € = 2.160 €.
Beispiel 2: Entgelt mit Überstunden unter Mindestlohn
Das sieht jedoch anders aus, wenn im gleichen Beispiel der Stundenlohn nicht 20 € beträgt, sondern nur 12,50 €. Dies führt dann nämlich zu einem verstetigten Entgelt in Höhe von 12,50 € x 40 Stunden x 4 Wochen = 2.000 €. Wenn jetzt 20 Überstunden geleistet werden, dann sinkt der unter Berücksichtigung der Überstunden an sich geschuldete Lohn unter den Mindestlohn: 180 x 12 € = 2.160 €. In diesem Falle fällt das Arbeitszeitkonto unter die Arbeitszeitkontenregelung des § 2 Abs. 2 MiLoG.